Psychische Probleme werden in unserer Gesellschaft immer noch tabuisiert. Auch im offiziellen Lehrplan der Schulen haben sie keinen Platz – obwohl psychische Verhaltensauffälligkeiten gerne in der Pubertät ihren Anfang nehmen.
Der Kanton Graubünden stellt sich dem Thema: Im Rahmen eines Pilotprojekts kriegen Jugendliche einen halbtägigen Aufklärungsunterricht in Sachen psychische Erkrankungen. Das Gesundheitsmagazin «Puls» hat eine Klasse bei dieser besonderen Lektion in der psychiatrischen Klinik in Chur begleitet.
Die Erwartungen der Schülerinnen und Schüler: Mehr über spezifische Erkrankungen und ihre Ursachen erfahren – und die Scheu vor den Erkrankten ablegen.
Das deckt sich weitgehend mit den Zielen, die Psychologin Sereina Venzin mit dem Inhalt des Schulkoffers der psychiatrischen Dienste und der Kinder- und Jugendpsychiatrie Graubünden verfolgt: «Es geht um die Entstigmatisierung von psychischen Krankheiten, aber auch um Aufklärung. Welche Krankheiten treten gerade in diesem Alter auf und wie kann ich mich dagegen schützen?
Schliesslich sollen die Jugendlichen auch einen Zugang zur eigenen Psyche finden.
Die ungewöhnliche Unterrichtseinheit beginnt damit, dass sich alle aus dem Koffer ein Tier aussuchen, mit dem sie sich verbunden fühlen, das für sie steht.
Löwe, Kalb, Schildkröte helfen beim Einordnen der eigenen Situation: Wo stehe ich, wer bin ich? Fragen, die auch im Zentrum der nächsten Übung stehen, der Selbstreflektion. Drei Minuten sollen sich die Schülerinnern und Schüler selber im Spiegel betrachten und danach notieren, was sie gesehen haben.
Für einige eine echte Herausforderung.
Schliesslich sollen die zehn Jugendlichen aktiv werden und psychische Krankheiten darstellen: Ein Mädchen mit Essstörungen, ein Junge mit Angst. Für Klassenlehrer Flurin Fetz ein Schauspiel mit realen Bezügen. In jeder Klasse habe es einen bis zwei Schülerinnen und Schüler mit psychischen Problemen, schätzt er. «Das hat in den letzten Jahren schon zugenommen. Aber wahrscheinlich hat man früher auch einfach weniger darauf geachtet.»
Ein happiger Vormittag für die zehn Schülerinnern und Schüler aus Trimmis. Was nehmen sie daraus mit? «Dass man keine Angst vor Menschen mit psychischen Problemen haben muss», meint Jakob, «und dass man auch offen miteinander umgehen kann.»
Simona weiss nun, dass man nicht wegen jedem Hänger gleich zum Psychiater oder Psychologen gehen muss, «aber wenn es nach zwei, drei Wochen nicht besser wird, macht es schon Sinn.»
Silvan hat die Darstellung der Essstörung besonderen Eindruck gemacht. Und eine Telefonnummer ist ihm im Gedächtnis geblieben: «143. Wenn man ein Problem hat, kann man sich da melden.»