Nach einem Berner Regionalgericht hat auch das bernische Obergericht einen Iraker wegen eines Angriffs auf sein transsexuelles Kind zu einer elfjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Auch die zweite Instanz kam zum Schluss, es handle sich um einen versuchten Mord.
Der Angriff des Vaters erfolgte im Mai 2019 in Langnau im Emmental. Beim Opfer handelt es sich um eine heute 19-jährige Frau, welche männlich geboren wurde. Nachdem sie eines Abends spät nach Hause gekommen war, lag sie am Morgen danach schlafend im Wohnzimmer der Familienwohnung. Plötzlich kniete sich der Vater über sie und schrie sie an: «Bist Du schwul?», «Du bist schwul». Dann stach er mit einem Küchenmesser mehrfach zu.
Mit den Beinen konnte die junge Frau den Vater wegstossen und suchte blutüberströmt Hilfe bei Nachbarn. Die Schilddrüse war durchtrennt, die Luftröhre hatte ein Loch und sie hatte einen bis anderthalb Liter Blut verloren. Laut dem Obergericht waren die Verletzungen nicht lebensbedrohlich. «Aber es fehlte nicht viel», sagte der vorsitzende Richter.
Zum Obergerichtsprozess kam es, weil der Iraker Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil des Regionalgerichts Emmental-Oberaargau eingelegt hatte.
Suizidversuch «abwegig»
Der Mann stritt die Tat von Beginn an ab. Sein Verteidiger plädierte vor erster und zweiter Instanz auf Freispruch, im Zweifel für den Angeklagten. Er wies unter anderem darauf hin, dass laut einem gerichtsmedizinischen Gutachten nicht sicher ist, ob Fremdeinwirkung vorliegt oder ob sich die damals psychisch labile Transfrau selbst verletzte.
Die Hypothese eines abgebrochenen Suizidversuchs erschien dem Gericht aber «abwegig». Sämtliche Tatortspuren stützten die Tatversion des Opfers, sagte der vorsitzende Richter. Auch weitere Indizien, etwa Zeugenaussagen, sprächen für die Version der jungen Frau. Gesamthaft ergebe sich ein «Bild ohne relevante Lücken», so Oberrichter Fritz Aebi. «Wir sind überzeugt, dass der Beschuldigte der Täter ist».
Die für eine Verurteilung als Mordversuch nötige Skrupellosigkeit des Täters sei gegeben, sagte der Oberrichter weiter. Das Handeln der heutigen Transfrau habe nicht ins Weltbild des Irakers gepasst.
Auch Landesverweis
Das Gericht ordnete auch an, dass der Mann nach Absitzen seiner Freiheitsstrafe für zwölf Jahre des Landes verwiesen wird. Seiner Tochter muss er eine Genugtuung von 20'000 Franken zahlen. Er befindet sich als anerkannter Asylbewerber in der Schweiz. Er ist von der Sozialhilfe abhängig und spricht kaum Deutsch. Das Urteil kann noch ans Bundesgericht weitergezogen werden.