Lange Zeit war es üblich, den Erfolg von Behandlungen nur aus Ärztesicht zu beurteilen. Die Sicht der Patienten und Patientinnen floss weniger in die Beurteilung des Arztes, des Spitals oder des Gesundheitssystems ein.
Nun wollen sich immer mehr Projekte zur Qualitätsmessung nicht mehr nur auf Expertenmeinung stützen, sondern die Patientinnen und Patienten selber fragen, wie zufrieden sie mit einer Behandlung sind.
Antworten fliessen unmittelbar in die Therapie ein
Zum Beispiel am Unispital Basel. Es lässt etwa Patientinnen, die eine Brustkrebs-Operation hinter sich haben, fast hundert Fragen zur Lebensqualität beantworten: Sind Sie zufrieden, wie sie unbekleidet im Spiegel aussehen? Sind sie häufig müde? Wie stark sind Ihre Schmerzen? Solche Fragen beantworten die Patientinnen vor und auch noch Monate nach der Operation.
«Es wird ganz genau gefragt, etwa wie die Beweglichkeit des Arms ist», sagt Nina Quinter, Patientin nach einer Brustkrebsbehandlung. «Das fällt einem vielleicht nicht als erstes ein, wenn man den Arzt sieht.» So kommen Dinge auf den Tisch, die sonst kaum zum Thema geworden wären.
Für Walter Paul Weber, Chefarzt in der Brustchirurgie am Unispital Basel, ist der Fragebogen ein Gewinn: «Dass ein Problem für die Patientin so relevant wird, dass sie es uns in einer normalen Sprechstunde schildert, muss es schon ausgeprägter sein.» Mit den sensitiven Fragen erkennt er nun kleinere Probleme besser. Entsprechend könne er früher und wirksamer behandeln.
Möglichst Schule machen
Das neue System hat Christoph Meier, der ärztliche Direktor des Unispitals Basel, bei insgesamt sieben Krankheitsbildern eingeführt, darunter neben Hüftosteoarthrose, Hirnschlag und Angst und Depression. Er will damit die Behandlung verbessern, und deren Qualität messen. Und: Damit möglichst Schule machen.
Der Gesundheitsökonom und Arzt Klaus Eichler begrüsst die Idee, die Patienten mehr einzubeziehen: «Es ist immer wichtig, dass man Patienten einen Stimme gibt.»
Vorreiter in Schweden
In der Region Stockholm in Schweden ist man bereits einen Schritt weiter. Dort wird bei Operationen von künstlichen Hüft- und Kniegelenken seit 2009 die Qualitätsmessung via Patientenbefragung an die Bezahlung der Leistung geknüpft.
Wie in der Schweiz erhalten die Spitäler für jede Operation einen Fixbetrag. Bei einfachen Fällen sind dies gut 7000 Franken. Doch: Drei Prozent der Kosten werden erst ausbezahlt, wenn sich die Lebensqualität des Patienten nach der Operation nicht verschlechtert hat und wenn er auch fünf Jahre später mit dem künstlichen Gelenk zufrieden ist.
Ein Modell um Kosten zu sparen?
Für die Behandlung von Komplikationen, die in dieser Zeit auftreten, muss das Spital aufkommen. In Schweden hat es funktioniert: Bereits zwei Jahre nach Einführung sanken die Kosten pro Patient um 17 Prozent und die Komplikationen gingen um 40 Prozent zurück.
Ob die Patienten-Befragungen in den Schweizer Spitälern auch einen Spareffekt wie in Schweden bringen könnten, das bezweifelt der Gesundheitsökonom Klaus Eichler: «Es gibt immer Beispiele die man heranziehen kann. Aber insgesamt sind die Erfahrungen doch eher ernüchternd.» Und fügt hinzu: «lch glaube, es ist auch wichtig, zu sagen, dass die Patienten-Befragung keine Methode ist, um Kosten zu sparen. Sondern primär geht es darum die Behandlungsmethoden zu verbessern.»
Parientenbefragungen zur Qualitätsmessung sollen landesweit umgesetzt werden - das fordert auch der aktuelle Bericht des Bundesrats zur Verbesserung der Qualität und Patientensicherheit. Rückmeldungen von Patienten und Patientinnen sollten systematisch erhoben werden und einen höheren Stellenwert einnehmen.