«Der Reformbedarf ist breit anerkannt», sagte der zuständige Innenminister Alain Berset bei der Verabschiedung der Rentenreform 2020. Auch in der «Arena» bestand kein Zweifel am Handlungsbedarf. Doch darüber, wie die Altersvorsorge mit der steigenden Lebenserwartung der Schweizer Bevölkerung und der grösseren Zahl von AHV-Rentnern Schritt halten kann, herrschte Uneinigkeit.
Grundsätzliche Zustimmung von CVP und SP
«In groben Zügen macht die Vorlage das Richtige», sagt CVP-Nationalrätin Ruth Humbel (AG). Dem stimmt auch SP-Ständerätin Pascale Bruderer zu: «Die Reform bringt sicherere Renten und mehr Flexibilität.» Beide gehen mit Plänen konform, das Rentenalter für Frauen auf dasjenige der Männer anzuheben und einen flexiblen Austritt aus dem Arbeitsleben zu ermöglichen: «Ein starres Rentenalter ist nicht mehr zeitgemäss – auch für Frauen» sagt Bruderer. Letztere sollen künftig – wie die Männer – bis zum 65. Lebensjahr arbeiten. Allerdings mit «flankierenden Massnahmen», so Humbel. «Die Gleichstellung der Frau darf nicht nur beim Rentenalter erfolgen, sie muss auch beim Lohn kommen», fordert auch Bruderer.
Zudem begrüssen Bruderer und Humbel die Mitfinanzierung der Vorlage über eine Erhöhung der Mehrwertsteuer: Dies sei ein Weg, der dem Solidaritätsprojekt AHV Rechnung trage: «So haben wir auch die Rentnerinnen und Rentner dabei», meint Bruderer.
Kritik von der Wirtschaft und den Gewerkschaften
Gegen die Pläne des Bundesrats stellt sich dagegen Hans-Ulrich Bigler, Direktor des Gewerbeverbandes: «Im Gegensatz zu Bersets Aussage ist die Vorlage nicht ausgewogen. Sie ist wirtschaftsfeindlich.» Bigler kritisiert, stellvertretend für die Wirtschaft und die FDP, die zu starke Finanzierung der Reform über Steuereinnahmen. Dies gefährde Arbeitsplätze und stelle im Fall der Mehrwertsteuer eine höhere Konsumbelastung für die ganze Gesellschaft dar. Seine Lösung: Eine generelle Erhöhung des Rentenalters, wie etwa in Deutschland.
Auch Doris Bianchi, Leiterin Altersvorsorge beim Gewerkschaftsbund SGB, stellt sich gegen die Reformpläne des Bundesrats. Sie bezeichnet die Vorlage als «unsozial». Sie kritisiert vor allem die geplante Senkung des Umwandlungssatzes in der beruflichen Vorsorge, die mit einer Erhöhung der Beiträge einher gehen soll: «Gerade die Leute mit wenig Einkommen schmerzt es ungemein, wenn sie monatlich 100 bis 200 Franken mehr einzahlen müssen.» Sie sieht stattdessen den Zeitpunkt gekommen, die AHV zu stärken – auch mit weiteren Investitionen.
Auch die Erhöhung des Rentenalters bei Frauen findet wenig Anklang bei der Gewerkschafterin. «Ein Jahr länger arbeiten für eine tiefe Rente, das ist keine attraktive Ausgangslage». Die Vorlage berücksichtige die unterschiedliche Lebensrealität der Frauen, die öfter Teilzeitpensen und Pflegeaufgaben für Kinder und Ältere wahrnehmen, zu wenig.
Die Frage der Finanzierung
Bigler findet es im Gegensatz dazu richtig, dass das Rentenalter der Frauen erhöht werden soll: «Die AHV ist ein Solidaritätsprojekt – und das ist Ausdruck dieser Solidarität.» Generell plädiert Bigler denn auch für einen Paradigmenwechsel: «Wenn wir die Reform ausgewogen finanzieren wollen, kommen wir nicht um eine schrittweise Anpassung des Rentenalters (auf 67, Anm. d. Red.) herum.» Ältere Arbeitnehmer seien in der Schweiz verhältnismässig gut integriert und könnten durchaus länger arbeiten.
Geschlossen stellen sich die restlichen Diskussionsteilnehmer gegen Biglers Vorstoss. «Ihre Darstellung der Situation älterer Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt geht an der Realität vorbei», sagt etwa Bruderer. Die Pläne des Bundesrats, die AHV-Reform über eine Erhöhung der Mehrwertsteuer zu finanzieren, sei dagegen der solidarischere Weg.
Einen weiteren «Zankapfel» zwischen den politischen Lagern stellt die Senkung des Umwandlungssatzes bei der Pensionskasse dar. Die «versicherungsmathematische Notwendigkeit» zu diesem Schritt lasse sich nicht wegreden, so Humbel. Bruderer betont derweil, dass die Reform auch niedrigeren Einkommen, darunter auch Teilzeitarbeitenden, vor allem auch Frauen, den Weg in die Pensionskasse eröffne: «Das ist ein ganz entscheidender Punkt».
Es braucht Kompromissbereitschaft
Die Diskussion in der Arena zeigte vor allem eines: Der Weg zu einer einvernehmlichen Lösung, ob im Parlament oder schlussendlich an der Urne, ist noch weit. Während sich FDP und SVP gegen die «Megareform» wehren und für einzelne Reformpakete plädieren, stellen sich CVP und SP hinter das «Mammutprojekt» des Bundesrats.
Bruderer appelliert denn auch an eine «schweizerische Qualität», die man nun beweisen müsse: «Auch wenn nicht alle happy sind: Wir müssen aufeinander zugehen und bereit sein zu diskutieren.»