Maximal 20 Prozent aller Wohnungen dürfen Zweitwohnungen sein. So steht es in der Verfassung, seitdem letztes Jahr die Zweitwohnungsinitiative vom Volk angenommen wurde. Die Umsetzung der Initiative aber ist nicht einfach. Heute fällt das Bundesgericht dazu erstmals Leitentscheide.
Am Abstimmungsabend schien alles klar. Bundesrätin Doris Leuthard erklärte am 11. März 2012 im Interview: «Der Verfassungsartikel gilt ab sofort. Das heisst, überall, wo schon heute diese 20-Prozent-Quote überschritten ist, gilt ein Bauverbot für Zweitwohnungen.»
Doch bald keimten Zweifel auf. Weil nämlich im Initiativtext steht, dass Baugesuche ab dem 1. Januar 2013 ungültig sind. Bedeutet das, dass bis Dezember weitergebaut werden darf? Oder nur eingeschränkt? Und wer sagt eigentlich, was eine Zweitwohnung ist? Und ob eine Gemeinde bereits über zu viele Zweitwohnungen verfügt?
Im Zweifel für den Bau
Die Fachleute waren uneins, stritten, diskutierten. Die Baulöwen entschieden sich im Zweifel für den Baukran. Das Resultat davon war eine Flut von Baugesuchen. Bei den Gemeinden gingen fast 67'000 Anträge ein, rund ein Viertel mehr als im Vorjahr. Tausende von Gesuchen wurden von den Gemeinden bewilligt. Die Initianten der Initiative reagierten mit ebenso vielen Beschwerden.
Drei Präzedenzurteile
Das Bundesgericht schafft heute etwas Klarheit. Drei Baugesuche aus dem Kanton Graubünden hat das Gericht ausgesucht, um Leitentscheide zu fällen. Es geht um die Frage, ob Baugesuche für Zweitwohnungen gültig sind, wenn sie erst nach der Initiative eingereicht wurden. Ebenfalls behandelt wird die Frage, wie mit älteren, noch hängigen Gesuchen zu verfahren ist. Ausserdem entscheidet das Bundesgericht, ob die Initianten – Franz Weber und seine Tochter Vera – zu Einsprachen gegen Baugesuche berechtigt sind.
Wichtig sind die drei Urteile, weil sie klar machen, was in tausenden ähnlich gelagerter Fällen gilt. Es wird sich zeigen, ob die Flut von Baugesuchen zu einem Boom für die Bauwirtschaft in den Tourismusgebieten führt. Oder ob die Gesuche von den Gerichten kassiert werden und als Juristenfutter enden.