Menschen mit seltenen Krankheiten haben spezielle Bedürfnisse. So wie Emanuele Calzascia, der mit einer seltenen Erbkrankheit namens Homozystinurie lebt.
Die Stoffwechselerkrankung bedeutet für ihn lebenslang Spezialprodukte, Diätmittel und Medikamente. Ein Medikament alleine kostet mehr als 30'000 Franken pro Jahr, Arztbesuche nicht inbegriffen. Kosten, die bis zum 20. Geburtstag anstandslos übernommen wurden – und dann plötzlich nicht mehr.
Für Mutter Arlène Calzascia war das ein Schock: «Da hat man eine Therapie, die funktioniert und notwendig ist. Und dann wird einfach beschlossen, dass die nicht mehr bezahlt wird!»
Der Grund: Eine bürokratische Lücke.
Vor Abschluss des 20. Lebensjahrs ist die Kostenübernahme Sache der IV. Danach ist die Krankenkasse zuständig. Beide Systeme führen aber eigene Medikamentenlisten: Die IV arbeitet mit der Geburtsgebrechen-Medikamentenliste, die Krankenkassen mit der Spezialitätenliste – auf denen nicht dieselben Medikamente stehen.
Manchmal steht ein Medikament sogar auf keiner der beiden Listen, weil es in der Schweiz nicht zugelassen ist. Was bei Emanuele der Fall ist. Die IV hat es trotzdem bezahlt, da es in der EU eine Zulassung besitzt.
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Das System scheint also voller Lücken und Komplikationen – zum Nachteil der Patienten. Und die Einzelfälle sind mittlerweile so häufig, dass auch der Bund das Problem angehen will: So soll bei der aktuell laufenden Revision der Invalidenversicherung eine Angleichung der beiden Systeme erreicht werden, erklärt Sandra Schneider, Leiterin Abteilung Tarife und Grundlagen beim Bundesamt für Gesundheit.
Einen funktionierenden Übergang von der IV zu Krankenkasse, das hätte sich auch die Familie Calzascia gewünscht. Sie musste fünf Jahre lang kämpfen für Emanueles Medikamente, bis am Ende das Bundesgericht entschied: Die Krankenkasse muss die Medikamente bezahlen.
So ein Bundesgerichtsentscheid beseitigt aber nicht automatisch alle Probleme für nachfolgende Fälle. So lebt Emanueles jüngerer Bruder Daniele mit derselben Stoffwechselkrankheit. Und auch bei ihm lief der Übergang von der IV zur Krankenkasse nicht reibungslos. Zwar ein wenig einfacher, aber trotzdem nicht ohne Probleme.
Am Ende hat Familie Calzascia den Kampf für beide Söhne gewonnen. Aber zu welchem Preis? Die Mutter seufzt. «Einem sehr, sehr hohen. Mit Jahren voller Angst.»