Nach dem historischen Wahlsieg bei den letzten Nationalratswahlen legt SVP-Präsident Albert Rösti die Latte für die nächsten Wahlen weniger hoch. Er hofft, den bisherigen Spitzenwert zumindest halten zu können.
«Wir wollen das Wahlziel mindestens egalisieren»
SRF: Albert Rösti, seit dem Wahlsieg Ihrer Partei vor drei Jahren wird man das Gefühl nicht los, dass der SVP-Motor ein bisschen stottert. Sie verlieren kantonale Mandate, auch eidgenössische Abstimmungen gehen verloren. Wie wollen Sie für die Wahlen 2019 wieder auf die Gewinnerspur zurückfinden?
Albert Rösti: Wir wollen für die Schweiz die Wahlen 2019 gewinnen. Wir sind die Partei, die sich ohne Wenn und Aber für die Unabhängigkeit und Souveränität dieses Landes, aber auch für Sicherheit und die direkte Demokratie einsetzt. Das sind Werte, die die anderen Parteien vergessen, wenn sie über eine Anbindung an die EU sprechen oder die Zuwanderung nicht steuern. Wir wollen viel für den Mittelstand unternehmen. Die Steuern dürfen nicht steigen. Das sind unsere klaren Zielsetzungen.
Und wie wollen Sie wieder auf die Gewinnerspur zurückfinden?
Ach, wissen Sie, es ist die Wunschvorstellung unserer Gegner, dass wir verlieren. Wir haben in der Vergangenheit in Exekutiv-Wahlen gewonnen. Wir stehen auf einem hohen Niveau. Aber es ist klar, es braucht in jedem Wahlkampf die Mobilisierung und Bewegung der Basis. In einem Monat kommt die «Selbstbestimmungs»-Initiative zur Abstimmung. Dort geht es um nicht weniger als den Erhalt der direkten Demokratie. Ja zur Selbstbestimmung heisst Ja zur direkten Demokratie. Ich bin überzeugt, dass unsere Leute dort kämpfen werden. Und das werden sie wie gewohnt auch in den Wahlen tun.
Bei den letzten Wahlen holten Sie 29,4 Prozent Wähleranteil. Was ist im nächsten Jahr Ihr Wahlziel?
Wir wollen dieses Wahlresultat mindestens egalisieren. Man muss sehen, dass für Schweizer Verhältnisse das Resultat 2015 sehr hoch war. Wir hatten nicht nur einen guten Wahlkampf, sondern auch noch Proporzglück. Deshalb ist bereits die Egalisierung ein sehr hohes Ziel. Aber natürlich möchte jeder Präsident letztlich auch wachsen. Wir werden sehen, was da noch drin liegt.
Das Thema Migration war bei den letzten Wahlen dominierend. Es gab eine sehr hohe Zahl von Asylgesuchen. Nun aber geht diese Zahl zurück. Die Migration steht auch bei den Sorgen nicht mehr so weit oben wie auch schon. Macht das die Lage schwieriger für Sie?
Man muss die Probleme analysieren, wie sie sind. Wir stellen fest, dass wir einen enormen Lohndruck haben, insbesondere bei Höherqualifizierten in den Grenzregionen. Leute über 50 Jahre, die ihre Stelle verlieren, haben grosse Probleme, wieder eine Stelle zu finden. Der Grund: das Reservoir an günstigen Arbeitskräften aus dem Ausland gross ist.
Für diese Probleme, die den Mittelstand betreffen, Arbeitnehmende, auch KMU, die unter Druck sind, werden wir Lösungen bieten, indem wir sagen, die Zuwanderung müsse gesteuert werden. Die Personenfreizügigkeit wird langfristig unseren Wohlstand erodieren lassen und unsere Familien weiter unter Druck setzen.
Im Ständerat hat die SVP-Fraktion nur 6 von 46 Sitzen. Das ist gemessen an Ihrem Wähleranteil von fast 30 Prozent eine krasse Untervertretung. Haben Sie das «Stöckli» aufgegeben?
Nein, ganz klar nicht! Unsere Partei ist sehr schnell über Proporzwahlen im Nationalrat gewachsen. Wir stellten gerade im vergangenen Jahr fest, dass es uns auch da und dort gelingt, Majorzwahlen zu gewinnen. Bei Majorzwahlen müssen Sie eine 50-Prozent-Hürde überspringen, das gilt auch für die Ständeratswahlen. Deshalb geht dieser Prozess langsamer voran. Ich bin aber eigentlich zuversichtlich, dass es uns auch in den nächsten Ständeratswahlen gelingen wird, den einen oder anderen Sitz hinzuzugewinnen.
Die SP telefoniert vor den Wahlen potenziellen Wählern. Das hat auch Ihre Partei im kantonalbernischen Wahlkampf versucht. Welche Mittel werden Sie im nationalen Wahlkampf einsetzen?
Ich werde jetzt noch nicht alles verraten, was wir tun. Tatsache ist, dass wir einen grossen Massnahmenmix einsetzen werden. Entscheidend ist am Schluss, dass die Leute an die Urne gehen. Es geht also vor allem um die Mobilisierung. Überzeugte Leute haben wir genug, jetzt müssen wir sie an die Urne bringen. Da können auch Telefonaktionen dazu gehören. Es wird Standaktionen geben. Einzelne Botschafter in Gemeinden, die bei den Leuten an die Haustüre klopfen. Flyer-Aktionen. Es gibt praktisch keine Grenzen.
Das Gespräch führte Gaudenz Wacker.
SVP-Fraktion ist die Nummer 1
Die SVP ist die mit Abstand grösste Fraktion im Nationalrat. Im Ständerat ist die Partei gemessen an ihrem Wähleranteil stark untervertreten. In kantonalen Wahlen hat sie in dieser Legislatur Federn lassen müssen.
- Sitze im Nationalrat: 68 (64 SVP, 2 Lega, 1 MCR, 1 parteilos) (+11 Sitze)*
- Wähleranteil: 29.4 Prozent (+2.8 Prozent)*
- Sitze im Ständerat: 6 (5 SVP, 1 parteilos) (+0 Sitze)*
- Mandate in den Kantonen: 570 (Stand Juli 2018) (-12 Mandate)*
*Veränderung gegenüber der Legislatur 2011 – 2015
SP-Präsident Christian Levrat will mit seiner Partei einen Wähleranteil von über 20 Prozent erreichen. Das Ziel der Sozialdemokraten ist, die knappe Mehrheit von 101 Stimmen der Rechten im Nationalrat zu Fall zu bringen.
«Wir müssen die rechte Mehrheit im Nationalrat brechen»
SRF: Christian Levrat, Ihre Partei verspürt Aufwind. Sie haben in den letzten drei Jahren Wähleranteile in den Kantonen hinzugewonnen. Sie schreiben sich nebst einzelnen Niederlagen auch Siege bei Abstimmungen auf die Fahne. Wie wollen Sie diesen Erfolgskurs halten bis zu den Wahlen 2019?
Christian Levrat: Zuerst einmal gilt es die Bilanz der rechtsbürgerlichen Mehrheit in Bundesrat und Nationalrat zu ziehen. In dieser Legislatur wurden zusätzliche Ausgaben für Strassen, Armee oder Landwirtschaft getätigt – zulasten der Bereiche Soziales, Gesundheit oder Entwicklungshilfe. Die Bürgerlichen haben versucht, die Waffenausfuhr zu liberalisieren. Sie sind mit einer Steuerreform an die Wand gefahren. Wir haben bei der AHV eine derartige Blockade, dass die Lösung paradoxerweise aus dem Ständerat kommen musste, wo der Block aus SVP und FDP keine Mehrheit hat.
Was der rechtsbürgerliche Block gemacht hat, geht in die falsche Richtung. Es muss eine Korrektur her. Sowohl im Nationalrat, wo die SVP und ihr Juniorpartner FDP über 101 Sitze verfügen. Aber auch im Bundesrat, wo die vier rechten Bundesräte leider zurzeit den Ton angeben.
Sie beklagen den Rechtsrutsch, vor dem Sie schon vor den letzten Wahlen gewarnt haben. Aber eigentlich gibt es diesen doch gar nicht. Das Parlament hat Lohnkontrollen und Frauenquoten beschlossen, es gibt einen Gegenvorschlag zur Konzernverantwortungs-Initiative – so erfolglos waren Sie nicht!
Doch, den Rechtsrutsch gibt es! Und er zeichnet sich durch zwei Elemente aus: Einerseits werden die Bundesmittel massiv auf die Klientel der Rechten ausgerichtet. Wenn Sie die Budgetposten anschauen, die erhöht worden sind, dann ist das reine rechte Klientelpolitik. Andererseits sind wichtige Reformen für das Land völlig blockiert, weil die Rechten keine Konzepte haben. Das zeigt sich an der Altersvorsorge 2020. Sie hatten knapp die Kraft, sie zu bodigen. Aber neue Vorschläge zu machen, das scheint sie zu überfordern.
Meines Erachtens müssen wir sicherstellen, dass die grossen Reformen, die getätigt werden müssen, wieder zum Fliegen kommen. Das ist nur mit einem Bruch dieser rechtsbürgerlichen Mehrheit möglich. Die Wahlen sind entscheidend. Wir müssen die Reformen wieder voranbringen, vor allem im Gesundheitsbereich. Die Prämienlast ist für die meisten Mittelstandsfamilien kaum mehr tragbar.
Die SP holte 18,8 Prozent Wähleranteil bei den letzten Wahlen. Was ist Ihr Wahlziel jetzt?
Das Hauptwahlziel ist, die rechte Mehrheit im Nationalrat zu brechen. Es muss uns gelingen, diese 101 Stimmen der Rechten zu reduzieren. Es muss uns gelingen, die progressiven Kräfte im Nationalrat zu stärken. In Prozent ausgedrückt bedeutet das wahrscheinlich 20 plus.
Eines der Themen, mit denen Sie in den Wahlkampf ziehen wollen, haben Sie genannt: Gesundheit. Mit welchen weiteren wollen Sie punkten?
Lassen Sie mich zuerst ein Wort zur Gesundheit sagen. Unser Vorschlag ist, dass eine Regel eingeführt wird, wonach niemand mehr als 10 Prozent seines Einkommens für Krankenkassenprämien zahlen soll. Darüber hinaus glaube ich, dass das Jahr klar von der Europa-Diskussion dominiert wird. Aber auch von Gleichstellungsthemen.
Werfen wir noch einen Blick auf den Ständerat. Dort hat die SP zusammen mit den Grünen und der CVP noch eine Mitte-links-Mehrheit. Von den 13 linken Ständeräten treten nun aber – Stand jetzt – 5 nicht mehr an. Weitere Rücktrittsankündigungen sind so gut wie sicher. Es ist nicht sicher, ob Sie alle diese Sitze halten können. Wie düster sind die Aussichten für die Linke im «Stöckli»?
Ah, ich hoffe, dass wir Sitze dazugewinnen werden. Zum Beispiel im Tessin, wo die Ausgangslage für uns nicht so schlecht ist. Oder im Wallis, wo wir zurzeit zwei CVP-Ständeräte haben, obwohl die CVP nicht einmal eine einfache Mehrheit im Kantonsparlament stellt. Mein Eindruck ist, dass die Bevölkerung eines Kantons immer mehr erkennt, dass sie klugerweise ausgewogen vertreten sein muss, mit einem linken und einem rechten Vertreter. Wenn mein Eindruck stimmt, sind die Perspektiven für uns nicht schlecht.
Die SP fiel bei den letzten Wahlen mit einer Telefonaktion auf. Das haben Sie bei kantonalen Wahlen wiederholt. Auf welche Werbemittel setzen Sie im nächsten Jahr?
Auf Menschen statt Millionen. Die anderen Parteien investieren Millionen im Wahlkampf, wir haben diese Millionen nicht. Wir setzen auf die Überzeugungskraft, auf das Engagement der Mitglieder unserer Partei. Auch auf die Überzeugung, dass die Bevölkerung es satt hat mit dieser rechten Mehrheit, die nichts zustande gebracht hat. Wir bieten eine echte Alternative dazu.
Das Gespräch führte Gaudenz Wacker.
Die SP ist die zweitstärkste Fraktion
Die SP-Fraktion ist die Nummer 2 im Nationalrat hinter der SVP. Im Ständerat hat sie 1 Mandat weniger als die beiden grössten Parteien CVP und FDP. In kantonalen Wahlen hat sie in dieser Legislatur zulegen können.
- Sitze im Nationalrat: 43 (-3 Sitze)*
- Wähleranteil: 18.8 Prozent (+0.1 Prozent)*
- Sitze im Ständerat: 12 (+1 Sitz)*
- Mandate in den Kantonen: 470 (Stand Juli 2018) (+16 Mandate)*
*Veränderung gegenüber der Legislatur 2011 – 2015
Mit dem Motto «Unsere Schweiz – unsere Heimat» möchte FDP-Präsidentin Petra Gössi bei den Nationalratswahlen die SP überholen und zweitstärkste Partei werden.
«Der Heimatbegriff ist kein Begriff der SVP»
SRF: PetraGössi, in den Kantonsparlamenten ist die FDP auf Erfolgskurs. Ihre Partei hat in den letzten drei Jahren am meisten Mandate gewonnen von allen Parteien. Wie wollen Sie diesen Schwung auf die nationale Ebene übertragen?
Petra Gössi: Der Erfolg, den wir in den letzten drei Jahren hatten, zeigt vor allem, dass wir ein klares Profil haben, dass wir erkennbar sind. Unsere Basis geht auf die Strasse, denn Wahlen und Abstimmungen gewinnt man auf der Strasse. Das wird uns dann auch für die nationalen Wahlen im Herbst 2019 helfen.
Was ist Ihr konkretes Wahlziel für diese nationalen Wahlen?
Wir wollen in unserer Basis wachsen, die SP überholen und die zweitstärkste Partei werden.
Das ist ein sehr hohes Ziel, wenn man bedenkt, dass die SP vor drei Jahren einen Wähleranteil von 18,8 Prozent hatte, die FDP 16,4 Prozent. Rein rechnerisch müssten Sie also über 2,5 Prozentpunkte zulegen. Und die SP befindet sich ja auch auf der Gewinnerstrasse. Setzen Sie das Ziel nicht zu hoch an?
Es sind hohe Ziele! Aber wir wollen unsere Leute auch motivieren. Wir müssen wachsen. Es geht nicht nur darum, dass es anderen weniger gut geht, sondern wir wollen wirklich aus unserer eigenen Stärke heraus wachsen können.
Trotzdem muss es anderen weniger gut gehen, wenn Sie zulegen wollen. Wo wollen Sie die Wählerinnen und Wähler holen? Bei der CVP? Bei der SVP?
Es geht natürlich vor allem auch darum, dass man neues Wählerpotenzial abholen kann. Es geht nicht nur darum, dass man Wechselwähler an sich bindet. Wenn wir als Partei überzeugen, wenn wir mit unserem Parteiprogramm ein klares Profil aufzeigen können, dann werden wir auch die notwendigen neuen Wähler gewinnen können.
Mit welchen Themen soll das gelingen?
Wir werden eine Vision der positiven Schweiz aufzeigen. Weil wir eine Partei sind, die positiv in die Zukunft schaut. Und in dieser Vision steht der Begriff der Heimat im Zentrum. Man muss seine Vergangenheit kennen, damit man positiv in die Zukunft gehen kann. Man muss seine Gemeinde, seine Scholle kennen, damit man den Schritt ins Ausland wagen kann. Unter dieser Vision werden wir die verschiedensten Themen subsumieren können. Das ist so ein bisschen das Hintergrundrauschen unseres Wahlkampfes.
Dann gibt es natürlich ganz konkrete Themen. Das nächste Jahr wird im Zeichen der Europa-Politik stehen. Wir haben verschiedene Abstimmungen, die dazu geführt werden. Deshalb wird das ganz klar eines der Hauptthemen sein. Wir stellen den Wahlkampf aber auch ins Zeichen der Digitalisierung. Denn wir sind auch die Partei, die aufzeigt, dass darin Chancen liegen. Wir wollen den Leuten die Angst nehmen vor der Digitalisierung. Wir wollen, dass die Schweiz als Gewinnerin dasteht. Und dann gibt es noch ein drittes Thema: die Gesundheit: Da sind wir in Vorbereitung eines Gesundheitspapiers. Auch da werden wir mit neuen Lösungen kommen.
«Heimat als Vision» – das klingt doch sehr nach einer Kopie der SVP…
Nein, der Heimatbegriff ist natürlich kein Begriff der SVP. Sondern es ist Sache von jeder Partei, von jedem einzelnen Bürger, sich auszumalen, wie diese Heimat aussehen soll. Da wäre es verfehlt, wenn sich nur die SVP dazu äussern würde.
Im Nationalrat haben Sie in dieser Legislatur eine knappe Mehrheit zusammen mit der SVP. Aber irgendwie nützt es nichts! Sie sind bei wichtigen Themen – beim Steuerpaket, bei Europa-Fragen – diametral anderer Meinung. Was läuft da schief?
In der Politik geht es uns immer zuerst darum, dass wir als FDP unsere eigene Position finden. Und dann suchen wir Mehrheiten für diese Positionen. In den letzten zwei Jahren war es meistens der Ständerat, der ein Geschäft gekippt hat. Dort haben wir ganz andere Mehrheitsverhältnisse. Und deshalb stimmt die Aussage, dass das Parlament nach rechts gerutscht ist, nicht. Das Parlament besteht aus zwei Kammern. Und die Mehrheitsverhältnisse spielen anders in diesen zwei Kammern.
Sie haben öffentlich geträumt von der absoluten Mehrheit im Ständerat. Dort verfügen Sie über 13 Mandate, die CVP hat gleich viele. Jetzt streben Sie die absolute Mehrheit zusammen mit der SVP an. Gleichzeitig haben bereits drei freisinnige Ständeräte ihren Rücktritt angekündigt. Das ist doch ein ziemlich unrealistisches Ziel?
Ich habe nicht von der absoluten Mehrheit geträumt. Ich habe einfach aufgezeigt, dass es unser Ziel ist, die bürgerlichen Kräfte im Ständerat stärken zu können. Da kommt es selbstverständlich immer auf kantonale Gegebenheiten an, ob man den Sitz halten oder einen neuen dazugewinnen kann. Aber wichtig ist, dass man aufzeigen kann: Die bürgerliche Mehrheit entspricht eben nicht der Realität. Das ist ein linkes Narrativ, das so nicht stimmt. Und entsprechend müssen wir uns auch darum bemühen, die bürgerliche Kraft zu stärken.
Sie haben die Digitalisierung angesprochen als Wahlkampfthema. Wird der FDP-Wahlkampf auch digital sein?
Wir werden auch auf neue Mittel zurückgreifen. Es ist selbstverständlich, dass eine Partei auch mit der Zeit gehen muss. Aber am Schluss gewinnen wir Wahlen mit starken Köpfen. Wir werden überall präsent sein und die verschiedenen Mittel je nach Region entsprechend einsetzen.
Das Gespräch führte Philipp Burkhardt.
Die FDP ist die drittgrösste Fraktion
Die FDP ist im Nationalrat hinter der SVP und der SP die drittgrösste Fraktion. Im Ständerat ist sie zusammen mit der FDP die stärkste Kraft. In kantonalen Wahlen hat sie in dieser Legislatur am meisten Mandate hinzugewonnen.
- Sitze im Nationalrat: 33 (+3 Sitze)*
- Wähleranteil: 16.4 Prozent (+1.3 Prozent)*
- Sitze im Ständerat: 13 (+2 Sitze)*
- Mandate in den Kantonen: 560 (Stand Juli 2018) (+35 Mandate)*
*Veränderung gegenüber der Legislatur 2011 – 2015
Als «führende Kraft» im Zentrum möchte CVP-Präsident Gerhard Pfister bei den Wahlen in einem Jahr Sitze dazugewinnen. Ein Wahlkampf mit neuartigen digitalen Elementen soll dabei helfen.
«Der Rechtsrutsch ist reine Rhetorik»
SRF: Gerhard Pfister, bei Ihrem Antritt als Parteipräsident wollten Sie die CVP als Wertepartei positionieren. Was ist davon eigentlich übriggeblieben?
Gerhard Pfister: Davon ist sehr viel übriggeblieben! Wir haben mit grosser Mehrheit ein Leitbild verabschiedet, das unsere Werte ausdeutscht, das unsere Werte wie Freiheit und Solidarität klar formuliert. Insofern ist es uns gelungen, die CVP wieder zu re-positionieren.
Mit der Wertediskussion können Sie in Ihren konservativen Stammlanden punkten. Aber Sie verschrecken die urbane Bevölkerung. Haben Sie die Städte für die nationalen Wahlen 2019 bereits aufgegeben?
Nein, im Gegenteil. Wir haben mit der Gründung der christlich-sozialen Vereinigungen gerade etwas geschaffen, das vor allem in den Städten grossen Zulauf erhält. Ähnlich wie die FDP auch eine urbane Gruppierung gegründet hat, haben wir das auch gemacht. Im Bekenntnis zum Rechtsstaat und gegen den Fundamentalismus ist man sich in der CVP ganz klar einig. Dass es bei gewissen Fragen, die der Fundamentalismus und der Islam an uns stellen, unterschiedliche Auffassungen gibt, verleugne ich gar nicht. Aber im Wesentlichen ist man sich einig, dass man die Werte der Schweiz und den Rechtsstaat verteidigen muss.
Die CVP ist die klassische Mittepartei. SP-Präsident Christian Levrat kritisiert, im Nationalrat habe es seit den letzten Wahlen einen Rechtsrutsch gegeben. Hat die CVP da mitgeholfen?
Die CVP ist nach wie vor die führende Kraft im Zentrum. Ich persönlich habe nie an diesen Rechtsrutsch geglaubt, weil er auf verschiedenen falschen Voraussetzungen beruht. Man sieht nicht, dass der Ständerat sehr stabil geblieben ist, dass im Ständerat die CVP die dominierende Kraft ist. Man sieht nicht, dass im Nationalrat die Mehrheiten sehr dünn sind und auch wieder wechseln. Dieser «Rechtsrutsch» dient einerseits den Rechten, und andererseits dient er dem SP-Präsidenten, der das Feindbild beschwören kann, gegen das er ankämpft. Insofern ist das reine Rhetorik.
11,6 Prozent hat Ihr Wähleranteil in den Nationalratswahlen vor drei Jahren betragen. In den kantonalen Wahlen geht es seither stetig abwärts mit der CVP. Was ist Ihr Wahlziel für das nächste Jahr?
Unser Wahlziel ist es, dass wir den Wähleranteil von 2015 steigern werden. Ich bin auch zuversichtlich, dass wir das erreichen, weil wir neuartige Elemente in unsere Kampagne einbauen. Weil wir mit der Kampagne früher beginnen, nämlich bereits ein Jahr vor den Wahlen. Das wird sich auf die Mobilisierung entscheidend auswirken. Im Ständerat ist es unser Ziel, stärkste Gruppe zu bleiben.
Sie sprechen von «neuartigen Elementen». Können Sie sagen, wie diese Elemente aussehen werden?
Die digitale Welt wird auch in der Politik sehr viel wichtiger. Wir haben Themenkampagnen, die wir ausschliesslich im digitalen Raum fahren werden. Wir haben Botschafter, die wir einsetzen werden, die die Botschaften der CVP verstärken werden. Wir versuchen dort Fuss zu fassen, wo die anderen Parteien auch schon sind.
Sie haben es erwähnt: Sie sind stark im Ständerat. Die CVP und die FDP stellen je 13 Mandate. Mit Konrad Graber hat bereits ein prominenter CVP-Ständerat seinen Rücktritt angekündigt. Wie zuversichtlich sind Sie, dass Sie diese Stärke halten oder sogar ausbauen können?
Im einen oder anderen Kantonen sehe ich ein Gewinnpotenzial. Wir haben im Ständerat eine grosse Konstanz. Es werden viele Bisherige noch einmal antreten. Im Ständerat kann man schon fast von 70 Prozent Wahrscheinlichkeit sprechen, dass ein Ständerat wiedergewählt wird, wenn er nochmals antritt. Insofern sehe ich gutes Potenzial, dass wir unsere Stellung ausbauen können.
Was man beachten muss, ist, dass bei der SP vermutlich der eine oder andere Sitz infolge von Rücktritten unter Druck geraten könnte. Dort hat aus meiner Sicht aber die FDP die grösseren Möglichkeiten, weil es in Kantonen ist, in denen die FDP stärker ist als die CVP. Wir müssen schauen, dass wir in denjenigen Kantonen, die zu unseren Stammlanden gehören, den einen oder anderen Sitz wiedergewinnen können.
Ihre Strahlefrau aber, Bundesrätin Doris Leuthard, wird auf Ende Jahr zurücktreten. Ist das ein Handicap für Sie? Hätten Sie es nicht lieber gehabt, wenn sie kurz vor den Wahlen zurückgetreten wäre?
Offen gestanden wäre das auch ein guter Termin gewesen. So weit gehe ich. Das weiss aber auch Frau Leuthard. Ich habe ihr das vor längerer Zeit auch schon einmal gesagt. Aber es ist zu respektieren. Sie hat eine grossartige Karriere als Bundesrätin hinter sich. Sie hat beschlossen, diese jetzt zu beenden. Und man muss die Situation so nehmen, wie sie ist.
Ohne Frau Leuthard nahe treten zu wollen, glaube ich, dass das auch eine Chance ist für die Partei. Wir können uns nicht mehr darauf verlassen, dass wir Frau Leuthard in einem Wahlkampf an der Spitze haben. Deshalb müssen andere etwas mehr arbeiten, als sie vielleicht vorher gearbeitet haben.
Das Gespräch führte Philipp Burkhardt.
Die CVP-Fraktion schafft es nicht aufs Podest
Die CVP-Fraktion ist im Nationalrat die viertgrösste Fraktion hinter SVP, SP und FDP. Im Ständerat hingegen ist sie zusammen mit der FDP die stärkste Partei. In kantonalen Wahlen in dieser Legislatur hat die CVP massiv verloren.
- Sitze im Nationalrat: 30 (+2 Sitze)*
- Wähleranteil: 11.6 Prozent (-0.7 Prozent)*
- Sitze im Ständerat: 13 (+0 Sitze)*
- Mandate in den Kantonen: 422 (Stand Juli 2018) (-28 Mandate)*
*Veränderung gegenüber der Legislatur 2011 – 2015
Nach Wahlerfolgen in verschiedenen Kantonen wollen die Grünen als «Gegenprogramm zum Rechtspopulismus» auch im Nationalrat zulegen. Grünen-Präsidentin Regula Rytz hofft auf 4 bis 5 zusätzliche Sitze.
«Wir sind ein Bollwerk gegen den Rechtspopulismus»
SRF: Regula Rytz, die Grünen sind zurück. Sie zählten bei den letzten Wahlen vor drei Jahren noch zu den grossen Verlierern. In der Zwischenzeit haben Sie in den Kantonen aber markant Boden gutgemacht. Wie wollen Sie jetzt diesen Schwung in die nationalen Wahlen 2019 mitnehmen?
Regula Rytz: Genauso, wie wir es in den Kantonen gemacht haben. Durch überzeugende Politik, durch überzeugende Leute. Und durch einen Generationenwechsel bei uns. Es sind viele neue, junge Talente für uns unterwegs. Auf diese Weise werden die Grünen mit ihren Themen auch in den Wahlen 2019 punkten können.
Bei den letzten Wahlen holten Sie national 7,1 Prozent Wähleranteil. Was ist Ihr Wahlziel für die Wahlen 2019?
Wir wollen vor allem bei den Sitzen im Parlament zulegen. Wenn es so weitergeht wie in den Kantonen in den letzten Jahren und Monaten, dann liegen 4 bis 5 zusätzliche Sitze drin. Was die Wähleranteile betrifft, ist es ein bisschen schwierig. Wir treten nicht in allen Kantonen an, deshalb kann man es auch nicht auf die ganze Schweiz hochrechnen. Aber es werden sicher markant mehr sein als diese 7,1 Prozent.
Und umso stärker wird Ihr Ruf nach einem Sitz im Bundesrat, den Sie ja schon verschiedentlich geäussert haben?
Das ist ein Thema, das vor allem die Medien stark interessiert. Natürlich werden wir uns um einen Sitz im Bundesrat bewerben, sofern wir markant zulegen werden bei den nächsten Wahlen. Doch unser Ziel ist vor allem auch ein inhaltliches: Wir wollen unsere Lösungen mehrheitsfähig machen.
Wir haben da auch viele Erfolge verbuchen können in dieser Legislatur. Zum Beispiel die Energiestrategie. Die ist eigentlich nur mehrheitsfähig geworden, weil wir mit der Atomausstiegs-Initiative Druck machen konnten. Dort wollen wir weiterfahren. Es gibt grosse Themen in der Umweltpolitik: Zum Beispiel den Klimawandel, bei dem wir nun endlich Fortschritte brauchen. Das gelingt nur mit einer starken Grünen Partei in der Bundespolitik.
Sie haben verschiedene Themen genannt, mit denen Sie in den Wahlkampf ziehen möchten. Gibt es weitere Themen, auf die Sie setzen möchten im nächsten Jahr?
Ganz wichtig für uns ist auch der Kampf für eine offene Gesellschaft. Wir sehen ja jetzt, was in anderen Ländern in Europa passiert. Die Stärkung der Rechtspopulisten geht auch zurück auf eine Schwächung der Demokratie und der Grundrechte. Es werden einzelne Minderheiten ausgegrenzt. Die Grünen sind das Gegenprogramm dazu. Wir sind ein Bollwerk gegen den Rechtspopulismus. Ein weiteres zentrales Thema sind die digitalen Bürgerrechte. Die Digitalisierung wird unsere Wirtschaft und Gesellschaft sehr stark prägen. Da braucht es auch Bürgerrechte dazu und eine Wirtschaftspolitik, die nicht einen Teil der Gesellschaft zu Verlierern macht, sondern sie mitnimmt.
Sie haben verschiedene Initiativen genannt, die Sie als Erfolg sehen. Aber eigentlich konnten Sie da überall eben gerade nicht punkten mit ihren Kernthemen. Bei der Atomausstiegs-Initiative nicht, bei der Fair-Food-Initiative nicht oder bei der Initiative zur «Grünen Wirtschaft». Alles wurde abgelehnt. Können Sie wirklich Wähler holen mit diesen Themen?
Wir haben sehr viele erfolgreiche Initiativen und Vorschläge gemacht in den Kantonen, die dann auch mehrheitsfähig geworden und durchgekommen sind. Auf der nationalen Ebene ist es etwas schwieriger. Aber dort gibt es auch einen besonderen Mechanismus. Diese Initiativen wirken eigentlich schon vor der Abstimmung. Das haben wir beim Atomausstieg gesehen. Ohne Atomausstiegs-Initiative wäre die Energiestrategie im Bundeshaus nach dem Rechtsrutsch 2015 sang- und klanglos versenkt worden. Das ist dann aber nicht geschehen, weil der Druck bestand.
Auch jetzt bei der Fair-Food-Initiative haben wir die ganze Freihandelspolitik von Bundesrat Johann Schneider-Ammann schon im Voraus etwas korrigieren können. Und deshalb kann ich schon sagen, dass wir inhaltlich in der Bilanz sehr erfolgreich gewesen sind. Wir haben ganz neue Allianzen geschmiedet, die auch in Zukunft für fairen Handel statt schrankenlosen Freihandel und für eine engagierte und ehrgeizige Energiepolitik einstehen werden.
Im Ständerat sind die Grünen derzeit nur mit Robert Cramer aus dem Kanton Genf vertreten. Dieser darf aber nicht mehr zu den Wahlen antreten wegen einer Amtszeitbeschränkung. Wo sehen Sie am ehesten Chancen, einen oder gar mehrere Sitze im Ständerat zu gewinnen?
Die Grünen werden in verschiedenen Kantonen zu den Ständeratswahlen antreten. Wir haben starke Kandidierende, die wirklich getragen sind von der breiten Bevölkerung. Es wird in den nächsten Monaten überall nominiert und ich kann noch nicht zu viel verraten. Aber Kantone, die für uns im Zentrum stehen, sind sicher Bern und Basel-Landschaft, aber natürlich auch die Kantone Genf und Neuenburg in der Romandie. Überall dort sind wir jetzt daran, Kandidaturen vorzubereiten.
Auf welche Werbemittel setzen Sie im Wahlkampf? Die SP telefoniert seit einigen Jahren potenziellen Wählerinnen und Wählern. Die SVP tut das auch. Was machen die Grünen?
Wir können das machen, was wir mit unseren Ressourcen schaffen. Diese sind sehr beschränkt. Wir sind auf der Strasse unterwegs. Wir werden vor allem sehr stark auf Social Media setzen. Wir sehen, dass man mit relativ wenig Geld über Social Media doch stark zu den Leuten kommen und auch kommunizieren kann. Nicht nur einseitig, sondern in einem Dialog. Das wird eines der starken Standbeine sein in unserer Kampagne.
Das Gespräch führte Gaudenz Wacker.
Die Grünen sind die Grössten der Kleinen
Die Fraktion der Grünen Partei ist die fünftgrösste im Nationalrat – hinter den vier grossen Bundesratsparteien. Im Ständerat ist die Partei nur noch mit einem Sitz vertreten. In kantonalen Wahlen hat sie in dieser Legislatur zulegen können.
- Sitze im Nationalrat: 12 (-3 Sitze)*
- Wähleranteil: 7.1 Prozent (-1.3 Prozent)*
- Sitze im Ständerat: 1 (-1 Sitz)*
- Mandate in den Kantonen: 192 (Stand Juli 2018) (+17 Mandate)*
*Veränderung gegenüber der Legislatur 2011 – 2015
Weil die Grünliberalen im Nationalrat nach Ansicht ihres Präsidenten zu wenig Gewicht haben, möchte er bei den Nationalratswahlen «deutlich» zulegen. Gleich mehrere Sitzgewinne strebt GLP-Präsident Jürg Grossen an.
«Wir sind ein bisschen marginalisiert worden»
SRF: Jürg Grossen, seit einem Jahr sind Sie Präsident der Grünliberalen. Bei Ihrer Wahl haben Sie erklärt, die GLP wolle neue Themenfelder besetzen. Das Thema «Offenheit und internationale Vernetzung» werde zentral sein. Wo hat Ihre Partei diese Ankündigung bisher umgesetzt?
Jürg Grossen: Konkret umgesetzt haben wir das zum Beispiel mit unserem Motto «Mehr Europa wagen». Indem wir erstens an der Delegiertenversammlung eine Resolution verabschiedet haben. Und zweitens, indem wir im Parlament eine Debatte dazu angezettelt haben. Diese hat sehr viel Klarheit gebracht, weil der Bundesrat eine Auslegeordnung machen konnte. Das hat sicherlich gutgetan, was die bilateralen Beziehungen betrifft.
«Offenheit und internationale Vernetzung»: Wird das auch der Wahlslogan der Grünliberalen sein im nächsten Jahr?
Der Wahlslogan ist im Moment in Diskussion, wir haben ihn noch nicht verabschiedet. Aber es ist sicher so, dass neben dem Thema der Verbindung von Wirtschaft und wirksamem Umweltschutz auch die Offenheit und Vernetztheit ein wichtiges Thema sein wird. Und sicherlich auch gesellschaftsliberale Themen.
Die Klimaveränderung war das grosse Thema in diesem Sommer. Da könnten Sie theoretisch davon profitieren. Aber befürchten Sie nicht, dass man lieber das «Original» – die Grünen – wählt, wenn man will, dass für den Umweltschutz etwas getan wird?
Das ist den Wählerinnen und Wählern überlassen. Wir beschreiten einen anderen Weg als die Grüne Partei, wenn es um den Umweltschutz geht. Wir wollen das zusammen mit der Wirtschaft machen, weil wir überzeugt sind, dass man nicht gegen die Wirtschaft Umweltschutz machen kann. Genauso, wie man langfristig nicht gegen die Umwelt wirtschaften kann, auch das funktioniert nicht. Die Grüne Partei operiert oft mit Verboten und Geboten. Das ist nicht unser Weg.
Wenn Sie zurückblicken auf die letzten drei Jahre in dieser Legislatur: Wo haben die Grünliberalen im Parlament wirklich etwas bewirken können und sind nicht einfach das Zünglein an der Waage gewesen?
Ich muss ganz offen sagen, dass wir in der letzten Legislatur noch ab und zu das Zünglein an der Waage haben spielen können. In dieser Legislatur nur noch ganz selten, weil SVP und FDP die absolute Mehrheit im Nationalrat haben. Das hat uns auf die Seite gedrängt. Wir haben uns zwar immer klar positioniert, aber das ist nicht mehr auf die Waagschale gelegt worden. Wir sind ein bisschen marginalisiert worden.
Weshalb soll man Sie denn wählen? Es nützt ja gar nichts…
Man soll uns wählen, weil es eben wieder nützen soll! Wenn man ehrlich ist, ist dieses Parlament ziemlich reformunfähig. Auch der Bundesrat ist führungsschwach und reformunfähig. Man sieht es bei der Altersreform, bei der Steuerreform, bei den Waffenexporten, wo sich der Bundesrat völlig entgegen der Meinung der Bevölkerung positioniert hat. Es gibt wirklich viele Themen, bei denen wir denken, da braucht es mehr Grünliberale, damit das Gewicht wieder auf der Waagschale sichtbar wird.
Was ist denn Ihr Wahlziel in Prozenten oder Sitzen ausgedrückt?
Wir haben das Wahlziel, deutlich zuzulegen. Wir haben jetzt 4,6 Wählerprozente und 7 Sitze im Nationalrat. Das ist viel zu wenig. Wir möchten deutlich zulegen, mit mehreren Sitzen. Das hängt stark vom politischen Klima ab, das im nächsten Sommer oder Herbst herrschen wird. Das kann man jetzt nicht voraussagen. Und auch von den möglichen Listenverbindungen, die wir als Kleinparteien eingehen müssen. Denn nur so werden wir annähernd fair im Nationalrat repräsentiert.
Die Digitalisierung ist auch eines Ihrer Kernthemen. Wird die GLP auch einen digitalen Wahlkampf führen?
Ja, selbstverständlich. Wir sind schon jetzt sehr aktiv im Bereich von Social Media. Für uns ist die Digitalisierung in allen Bereichen absolut zentral. Wir verstehen nicht, warum man noch überall Poststellen erhalten will. Man kann heute sehr vieles digital machen. Wir verstehen nicht, dass im Gesundheitsbereich nicht mehr digitale Lösungen zum Einsatz kommen, aber auch im Energiebereich. Es gibt ganz viele Bereiche, wo man die Digitalisierung besser vorantreiben müsste. Wir werden sicher auch noch einige Forderungen platzieren in diesem Bereich.
Im Ständerat sind die Grünliberalen überhaupt nicht vertreten. Wird das so bleiben oder haben Sie die Ambition, zumindest einen Sitz im Ständerat zu erobern?
Wir waren ja in der letzten Legislatur noch mit einem Vertreter und einer Vertreterin im Ständerat vertreten. Die sind dann aber zurückgetreten. Man muss schon ehrlich sein: Damit man im Ständerat Einsitz haben kann, muss man eine grössere Partei sein. Wir werden wahrscheinlich in mehreren Kantonen antreten. Je nachdem, wie die Konstellation ist, gibt es vielleicht eine Chance, dass wir es schaffen. Aber es ist sicher nicht eine grosse Chance.
Das Gespräch führte Philipp Burkhardt.
Die GLP bildet das Schlusslicht zusammen mit der BDP
GLP und BDP teilen sich zusammen das Schicksal als kleinste Fraktionen im Nationalrat. Im Ständerat sind die Grünliberalen überhaupt nicht vertreten. In kantonalen Wahlen in dieser Legislatur hat die Partei ihre Mandate verteidigt.
- Sitze im Nationalrat: 7 (-5 Sitze)*
- Wähleranteil: 4.6 Prozent (-0.8 Prozent)*
- Sitze im Ständerat: 0 (-2 Sitze)*
- Mandate in den Kantonen: 86 (Stand Juli 2018) (+3 Mandate)*
*Veränderung gegenüber der Legislatur 2011 – 2015
BDP-Präsident Martin Landolt hat es satt, immer wieder als Chef einer Verliererpartei betitelt zu werden. Als Vertreterin der «progressiven Mitte» zusammen mit den Grünliberalen sieht er für die BDP intakte Wahlchancen.
«Ich mag keine Abwärtstrends mehr kommentieren»
SRF: Martin Landolt, wenn man die kantonalen Wahlen in den letzten drei Jahren zum Massstab nimmt, dann sieht es für die BDP nicht gut aus. Jedes fünfte Mandat in den Kantonen haben Sie verloren. Wie wollen Sie diesen Negativtrend im nächsten Jahr auf nationaler Ebene aufhalten?
Martin Landolt: Ach, wissen Sie, dieser Negativtrend, der wurde mir Anfang des Jahres regelmässig vors Gesicht gehalten und gesagt: «Herr Landolt, das ist jetzt das Schicksalsjahr der BDP!» Die Wahlen in den drei Gründerkantonen sind dann aber gut gelaufen. Seither hat niemand mehr die Grösse gehabt, zu sagen, dass das Schicksalsjahr jetzt nicht eingetroffen und der Abwärtstrend eigentlich schon lange vorbei sei. Ich mag keine Abwärtstrends mehr kommentieren, die so nicht stattfinden.
Sie haben es satt, die BDP immer als Verliererpartei zu sehen?
Es stimmt einfach nicht! Es ist so, dass viele Journalisten und Politologen das seit zehn Jahren gebetsmühlenartig wiederholen und diese Position nicht mehr hinterfragen. Dabei kann man sehr gut belegen, dass die Entwicklung eigentlich eine ist, die Sinn macht. Es ist mir als Parteipräsident auch wichtig in der internen Analyse, dass ich Erklärungen finde, die plausibel sind.
Natürlich muss ich gegen aussen das eine oder andere manchmal auch ein bisschen schönreden, das ist meine Aufgabe. Gegen innen aber muss ich ehrlich sein. Und wenn ich ehrlich bin, dann stelle ich fest: Wir sind in all diesen Kantonen jetzt zum dritten Mal angetreten. Wir haben bei den ersten Wahlen unheimlich gute Erfolge erzielt. Wir haben im zweiten Durchgang überall überdurchschnittliche Misserfolge gehabt, wir haben teilweise regelrechte Schlappen erlitten. Und bei den dritten Wahlen haben wir eigentlich in allen Kantonen jetzt den Boden gefunden. Es hat sich eingependelt. Wir scheinen dort angekommen zu sein, wo wir hingehören.
Ich plage Sie trotzdem noch ein bisschen. Sie haben bei den letzten Wahlen noch von der Popularität von Eveline Widmer-Schlumpf profitieren können. Sie ist dann aber kurz nach den Wahlen zurückgetreten. Ist es nicht ein Handicap, nicht mehr Bundesratspartei zu sein?
Nein. Es war ein Privileg und eine gute Zeit. Aber es war auch eine Bürde. Der Leuchtturm von Frau Widmer-Schlumpf, den wir durchaus genossen haben, hat auch einen Schatten geworfen. Wir haben immer gesagt: Wenn Frau Widmer-Schlumpf zurückgetreten sein wird, werden wir uns als Partei beweisen können und nicht mehr auf sie reduziert werden.
Wir haben sicher die ersten Erfolge ihr zu verdanken. Wir haben aber auch die ersten Misserfolge der Tatsache zu verdanken, dass man gesagt hat, jetzt ist sie nicht mehr da, jetzt braucht es diese Partei nicht mehr. Die Partei hat ihre Existenzberechtigung verloren, sie hat es verpasst, ein eigenes Profil zu erarbeiten. Das alles stimmt nicht! Aber irgendwie ist es krampfhaft in den Köpfen dringeblieben. Deshalb ist es gut, dass wir jetzt diese Phase hinter uns lassen können und zwar einerseits die Vorteile nicht mehr haben, aber auch die Nachteile nicht mehr.
Wenn man bürgerlich wählen möchte, dann hat man die Wahl zwischen SVP, FDP, CVP, GLP und BDP. Weshalb soll man BDP wählen? Wo unterscheiden Sie sich von den vier anderen Parteien?
Wir sind in der fortschrittlichen Mitte, die sehr stark verwaist ist im Moment. Da gibt es tatsächlich nur gerade die Grünliberalen und wir. Ich bin überzeugt, dass die progressive Mitte als Bedürfnis in diesem Land massiv grösser ist als das, was die GLP und wir zurzeit als Wähleranteil abdecken. Es ist gleichzeitig auch eine vernünftige Mitte, die lösungsorientiert ist und Reformen ermöglichen möchte. Ich glaube, gerade diese Legislatur hat gezeigt, was passiert, wenn diese reform- und kompromissfähigen Kräfte an Relevanz verlieren: ein totaler Reformstau, Rückschritte, kaum Fortschritte, ein Land, das von konservativen Mehrheiten dominiert wird. Das entspricht nicht dem Wunsch der Menschen in diesem Land.
Was ist Ihr konkretes Wahlziel?
Das haben wir noch nicht offiziell besprochen und entschieden in unseren Gremien. Ich persönlich möchte natürlich, dass wir alle Sitze verteidigen können. Zudem ist es sicher nicht auszuschliessen, dass wir zum Beispiel den zweiten Sitz im Kanton Zürich zurückzuholen, den wir vor vier Jahren verloren haben. Aber die Bäume werden nicht in den Himmel wachsen.
Einen einzigen Sitz haben Sie im Ständerat. Haben Sie Werner Luginbühl schon überzeugen können, dass er noch einmal kandidiert?
Nein, noch nicht. Wir sind daran. Vor allem die Berner Kantonalpartei ist natürlich mit ihm im Gespräch. Er hat angekündigt, dass er uns bis Ende Jahr seinen Entscheid mitteilen wird. So gerne ich ihn überzeugen würde, zu bleiben, muss ich doch sagen, dass die Berner BDP über eine hervorragende Personaldecke verfügt, wenn es denn nicht so wäre. Wir werden auch diesen Ständeratssitz nicht kampflos preisgeben.
Sie selber, Herr Landolt, haben schon angekündigt, dass Sie nach den Wahlen als Präsident abtreten werden. Wie motiviert können Sie einen Wahlkampf führen, wenn Sie schon wissen, dass Sie aufhören?
Oh, sehr motiviert! Es ist ja auch nicht neu, dass ich diesen Entscheid gefällt und angekündigt habe. Ich habe schon nach den Wahlen 2015 nach einer internen Analyse das Bekenntnis abgegeben, dass ich sicher bis nach den Wahlen 2019 bleibe, damit die Planbarkeit da ist, aber dann nach den Wahlen aufhöre. Ich habe den Ehrgeiz, diese Partei dannzumal in einem Zustand zu übergeben, der irgendwo dem Niveau entsprechen sollte, wie ich sie übernommen habe. Da bin ich noch etwas schuldig.
Das Gespräch führte Philipp Burkhardt.
Die BDP ist die kleinste Fraktion zusammen mit der GLP
Die BDP-Fraktion bildet im Nationalrat das Schlusslicht unter den Fraktionen – gleichauf mit der GLP. Im Ständerat ist sie mit 1 Sitz vertreten. In kantonalen Wahlen hat die Partei in dieser Legislatur deutlich Mandate eingebüsst.
- Sitze im Nationalrat: 7 (-2 Sitze)*
- Wähleranteil: 4.1 Prozent (-1.3 Prozent)*
- Sitze im Ständerat: 1 (+0 Sitze)*
- Mandate in den Kantonen: 59 (Stand Juli 2018) (-15 Mandate)*
*Veränderung gegenüber der Legislatur 2011 – 2015