Bei den Zürcher Wahlen im März 2019 schwangen Grüne und Grünliberale obenaus. Die bürgerlichen Parteien, allen voran die SVP, mussten herbe Verluste hinnehmen. Da Zürcher Wahlen als verlässlicher Gradmesser gelten, ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass sich das Szenario bei den Nationalratswahlen wiederholt, wenn auch in abgeschwächter Form: Denn für einen Nationalratssitz braucht es viel mehr Stimmen als für einen Sitz im Kantonsrat. Alles in allem ist das Klima aber nach wie vor das Thema der Stunde, Grüne und Grünliberale werden davon profitieren.
SVP: Mit «aktivem Wahlkampf» die Talfahrt stoppen
Die wählerstärkste Partei im Kanton Zürich hat zwölf Sitze zu verteidigen. Mit Hans Egloff tritt ein Bisheriger nicht mehr an. Nach dem schlechten Abschneiden bei den kommunalen und kantonalen Wahlen (- 9 Sitze), muss die SVP auch im nationalen Parlament mit einem Sitzverlust in der Zürcher Delegation rechnen.
An vorderster Front kämpft Roger Köppel um Aufmerksamkeit für seine Partei: Der Ständerats- und Nationalratskandidat tourt durch sämtliche 162 Zürcher Gemeinden. Er mobilisiert die Basis der SVP, indem er vor allem von den Kosten spricht, welche die Bevölkerung für Klimaschutzmassnahmen zahlen müsse.
Einen «aktiven Wahlkampf» verspricht auch Christoph Mörgeli, er wurde von der Partei aber nur auf Platz 15 der Nationalratsliste gesetzt. Auf einer separaten Senioren-Liste figuriert ausserdem der bekannte Milieu-Anwalt Valentin Landmann auf dem Spitzenplatz.
SP: Schock nach Parteiwechsel des Ex-Präsidenten
Bei der basisdemokratischen Verteilung der Listenplätze für den Nationalrat setzten die Delegierten den ehemaligen Parteipräsidenten Daniel Frei auf den zehnten Platz. Dies gab für ihn den Ausschlag, endgültig die Partei zu wechseln: Wie schon Chantal Galladé ging Frei zu den Grünliberalen. Frei begründet seinen Wechsel damit, dass die SP immer ideologischer und dogmatischer geworden sei. Als Vertreter des rechten Parteiflügels habe er sich nicht mehr wohlgefühlt.
Die grüne Konkurrenz bekam die SP auch bei den kantonalen Wahlen zu spüren, sie verlor bereits im Kantonsparlament einen Sitz. Ansonsten blieb die zweitstärkste Partei über die letzten zwölf Jahre gesehen stabil. Bei den Nationalratswahlen 2015 kam die SP auf einen Wähleranteil von gut 21 Prozent. Trotzdem wird sie wohl einen ihrer neun Sitze verlieren.
FDP: mit grünen Themen bei den Wählern punkten
Bei den letzten Wahlen gehörte die FDP noch zu den grossen Gewinnerinnen. National gewann sie drei Sitze dazu, einen davon im Kanton Zürich. Ob die FDP diese Erfolgsstory weiterschreiben kann, ist ungewiss.
Zwar setzt nun auch die FDP vermehrt auf grüne Themen, die Frage bleibt, wie dies die Wähler goutieren. Bei den Wahlen im Kanton Zürich schaffte der langjährige Kantonsrat und FDP-Fraktionschef Thomas Vogel den Sprung in den Regierungsrat nicht. Die Wähler zogen ihm Martin Neukom vor, einen unbekannten, jungen Grünen. Fazit: Die FDP könnte Wähleranteile verlieren, ihre fünf Sitze aber wahrscheinlich behalten.
Bei den Nationalratswahlen treten alle fünf Bisherigen wieder an. Die Liste wird von der Zürcherin Doris Fiala angeführt, die seit 12 Jahren im Nationalrat sitzt.
GLP: Mit alten und neuen Köpfen mehr Sitze erobern
Bei den letzten Wahlen musste die GLP noch eine Schlappe verkraften, sie verlor Wähleranteile und einen ihrer vier Sitze. Inzwischen hat das Pendel zurückgeschlagen. Die Partei profitiert von der Klimadebatte. Ausserdem wechselte Ex-SP-Parteipräsident Daniel Frei Ende Mai 2019 zur GLP. Somit hat die Partei ihren vierten Sitz durch einen Parteiwechsel zurückgewonnen.
Bei den Zürcher Wahlen konnte die Partei neun Sitze dazugewinnen, jetzt will sie auch im nationalen Parlament zulegen. Tiana Angelina Moser und Urgestein Martin Bäumle, der seit 2003 im Nationalrat ist, wollen ihre Sitze verteidigen. Sie belegen die vordersten Listenplätze. Und sicher ist auch: Thomas Weibel tritt nach 12 Jahren nicht mehr an. Für ihn in die Bresche springen könnten Corina Gredig, glp-Co-Präsidentin im Kanton Zürich, oder Kantonsrat Jörg Mäder.
Grüne: Ein Topmodel sorgte für Aufsehen
Nie waren die Aussichten für die Grünen besser: Seit die Sorge ums Klima die Menschen vermehrt umtreibt, sind grüne Themen wieder populär. Im Kanton Zürich holten die Grünen bei den Wahlen neun zusätzliche Sitze und einen Sitz im Regierungsrat.
Die Chancen stehen gut, dass sie auf nationaler Ebene ihren dritten Sitz wieder holen, den sie bei den Wahlen 2015 verloren haben. Die Grünen setzen dabei auf die Frauenkarte: Die Nationalratsliste führen die ehemalige Nationalrätin Katharina Prelicz-Huber und Parteipräsidentin Marionna Schlatter an. Die beiden bisherigen Bastien Girod und Balthasar Glättli folgen auf den Plätzen drei und vier. Am meisten Aufsehen erregten die Grünen jedoch mit der Nomination von Topmodel Tamy Glauser, sie besetzte Listenplatz zehn. Ende Juli zog sie ihre Kandidatur zurück mit der Begründung, sie sei noch nicht bereit für die Politik
CVP, BDP, EVP: Sitze verteidigen – oder dazugewinnen
Die CVP muss einen ihrer zwei Sitze mit einem Neuen verteidigen: Für Kathy Riklin, die nach 20 Jahren nicht mehr aufgestellt wurde, soll Kantonsrat Josef Wiederkehr in den Nationalrat einziehen. Der Wädenswiler Philipp Kutter (bisher) tritt wieder an. Bei den kantonalen Wahlen in Zürich blieb die CVP stabil, ob sie ihre zwei Sitze im Nationalrat halten kann, ist nicht sicher.
Noch mehr zittern muss die BDP: Sie verlor im Zürcher Kantonsparlament alle sechs Sitze. Damit ist die Partei in Zürich praktisch von der Bildfläche verschwunden. Ob ihre einzige Nationalrätin Rosmarie Quadranti den Sitz halten kann, ist fraglich.
Die EVP schliesslich möchte endlich mehr als einen Nationalrat nach Bern schicken. Sie versucht es unter anderem zum ersten Mal mit einer zusätzlichen Frauenliste. Ausserdem kandidiert ihr bisheriger Nationalrat Nick Gugger gleichzeitig für den Ständerat, um mehr Aufmerksamkeit zu generieren.
(SRF 1, Regionaljournal Zürich Schaffhausen; laufende Berichterstattung)