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Nationalrat will Export von Foltergütern einschränken
Aus Rendez-vous vom 13.06.2024. Bild: Keystone/Peter Schneider
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Weder Streckbänke noch Galgen Darum bekommt die Schweiz ein «Foltergütergesetz»

Der Nationalrat will den Export von Foltergütern einschränken. Darum geht es bei dem Gesetz.

    Die Ausfuhr von Foltergütern soll durch das Foltergütergesetz unter bestimmten Bedingungen verboten werden. Doch was heisst das? Werden hierzulande etwa massenhaft eiserne Jungfrauen und Streckbetten produziert und exportiert? Jürgen Böhler-Royett Marcano, Ressortleiter Exportkontrolle Industriegüter beim Seco, erklärt, was es mit dem Foltergütergesetz auf sich hat.

    Initiiert wurde die Gesetzgebung durch eine Motion von Nationalrat Pierre-Alain Fridez infolge der Proteste in Hongkong 2019, bei denen Schweizer Tränengaspistolen- und kanister gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt wurden, erklärt Böhler.

Nationalrat heisst neues Foltergütergesetz gut

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Das neue Foltergütergesetz des Bundes hat eine erste Hürde genommen: Der Nationalrat hat den vom Bundesrat im vergangenen September vorgestellten Entwurf für ein Foltergütergesetz mit kleineren Ergänzungen gutgeheissen.

Mit dem neuen Gesetz will der Bund die Ein-, Durch- und Ausfuhr von Gütern regeln, welche ausser für Folter auch zum Vollzug der Todesstrafe verwendet werden können. Auch Materialien, die für andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlungen oder Strafen benutzt werden können, sollen unter das Gesetz fallen. Die Vorlage umfasst auch Änderungen in anderen Gesetzen – ausser im Heilmittelgesetz etwa auch im Kriegsmaterialgesetz.

Alle Anträge von Minderheiten der vorberatenden Rechtskommission des Nationalrats wurden abgelehnt. Es gab Anträge zur Erweiterung des Gesetzes von Links-Grün und solche zur Beschränkung von Rechts. In der Schlussabstimmung passierte das Gesetz mit 129 Ja- zu 59 Nein-Stimmen aus der SVP-Fraktion und vier Enthaltungen. Das Geschäft geht nun in den Ständerat.


Nun versucht der Bundesrat, mit dem Foltergütergesetz einer Empfehlung des Europarats von 2021 nachzukommen. Die Vorlage stützt sich auf die EU-Anti-Folter-Verordnung.

Nur wenige Güter betroffen

Arzneimittel, Foltergeräte bis hin zu Waffen stehen auf der europäischen Foltergüter-Liste, die verboten oder zumindest unter Bewilligungspflicht gestellt werden sollen. Doch das Gesetz tangiere nur sehr wenige dieser Güter in der Schweiz, meint Böhler.

Wir beziehen uns bei der Gesetzgebung auf die europäische Foltergüter-Liste.
Autor: Jürgen Böhler-Royett Marcano Ressortleiter Exportkontrolle und Industriegüter beim Seco

Grund dafür sei zum einen, dass beispielsweise Medikamente, die zur Vollstreckung von Todesstrafen genutzt werden könnten, bisher schon vom Heilmittelgesetz durch Swissmedic behandelt worden sind. Die Kriterien würden sich durch das Foltergütergesetz nicht wesentlich verändern.

Auch Foltergeräte wie Streckbetten oder Ähnliches seien laut Böhler kein Thema. «Wir beziehen uns bei der Gesetzgebung auf die europäische Foltergüter-Liste. Darin sind auch Güter aufgeführt, die per se einem Verbot unterliegen. Da sind uns keinerlei Exporte bekannt», so Böhler.

Zusätzliches Repressionskriterium

Weiter habe das Seco Abklärungen mit den Waffenbüros der einzelnen Kantonspolizeien durchgeführt. Diese hätten laut Böhler kaum Unternehmen feststellen können, die vom Foltergütergesetz betroffen wären. Ausnahmen seien sehr wenige Firmen im Bereich Reizstoffexport.

Menschenmenge auf Strasse bei Nacht in Tränengas verwickelt.
Legende: Anlass für die Gesetzgebung gaben unter anderem die Proteste in Hongkong 2019, bei denen Schweizer Tränengaspistolen- und kanister gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt wurden, erklärt der Ressortleiter Exportkontrolle Industriegüter beim Seco. EPA / JEROME FAVRE

Reizstoffe seien bereits durch das Waffengesetz, das Kriegsmaterialgesetz oder durch das Güterkontrollgesetz erfasst. Was durch das Foltergütergesetz neu dazukäme, wäre ein spezifisches Verweigerungskriterium. Bei Verdacht auf potenziellen Missbrauch der Güter, beispielsweise zu Repressionszwecken im Ausland, könnte die Bewilligung für Exporte an die jeweiligen Akteure abgelehnt werden.

Amnesty International wünscht schärferes Gesetz

Amnesty International begrüsst, dass der Bundesrat gegen den Handel mit Foltergütern vorgehen will. Aus Sicht der NGO müsste der Gesetzesentwurf jedoch weiterreichen. So würden im Wesentlichen fünf Aspekte fehlen, die für eine konsequente Durchsetzung des Gesetzes ausschlaggebend seien, so der Mediensprecher von Amnesty Schweiz, Beat Gerber.

Zum einen fordert die NGO eine laufende Kontrolle und Anpassung der Güterlisten, wie auch eine Ausweitung des Gesetzes auf die Herstellung und Finanzierung solcher Güter. Weiter solle auch die Ausführung des Foltergütergesetzes gesetzlich verankert und Informationen der Internationalen und regionalen Menschenrechts­organisationen berücksichtigt werden. Zudem müsse Transparenz über Exportanträge und verweigerte Genehmigungen garantiert werden, so Gerber.

SRF 4 News, 13.6.2024, 10 Uhr

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