Dass man nach einer Reise in ferne, tropische Länder mit erhöhtem Infektionsrisiko für eine Weile als Blutspender gesperrt ist, liegt auf der Hand. Doch neuerdings betreffen solche Sperren auch weit weniger exotische Destinationen in Südeuropa.
Schuld ist das gefährliche West-Nil-Virus. Der Erreger rückt bedrohlich näher Richtung Schweiz. Diesen Sommer erreichte er via Südosteuropa die italienischen Provinzen Venedig und Turin sowie in Frankreich die Côte d’Azur und die Provence. Bisher sind erst einzelne Personen erkrankt.
Wer sich nur schon 24 Stunden in einem dieser Gebiete aufgehalten hat, wird als Blutspender für dreissig Tage gesperrt. In den meisten Blutspendezentren ist es trotzdem möglich, Blut zu spenden, da es nach der Entnahme zusätzlich auf das West-Nil-Virus getestet wird. Dann gilt die 30-tägige Sperrfrist nicht.
Die Dauer der Sperrfrist ist in den Augen von Beat Frey, Chefarzt der Blutspende Zürich, notwendig: «Die Inkubationszeit beträgt etwa zehn Tage. Wir wollen aber auf der sicheren Seite sein und warten lieber drei bis vier Inkubationszeiten ab.» Treten in dieser Zeit keine Symptome auf, ist der Spender höchstwahrscheinlich nicht infiziert.
Virus-Träger können symptomfrei sein
Auch wer sich gesund fühlt und symptomfrei ist, könnte den gefährlichen Erreger in sich tragen. 80 Prozent der Infektionen ziehen spurlos vorüber. «Das ist das Heimtückische an dieser Krankheit», sagt Beat Frey. «Der Blutspender kann ohne Symptome sein, trotzdem das Virus in sich tragen und das Virus mit der Blutspende weitergeben. Das kann beim Empfänger die Krankheit und schwere Komplikationen auslösen.»
Vergangenen Sommer erkrankten in Europa 948 Menschen am West-Nil-Virus. 60 Menschen starben daran.
Dass das Virus sich in Europa verteilt, ist infizierten Zugvögeln zu verdanken. Sie bringen das Virus in unsere Gegend und Mücken übertragen es dann vom Vogel auf den Menschen – und zwar nicht nur exotische Mücken, sondern auch Mücken, die auch bei uns heimisch sind.
Weshalb es in der letzten Zeit zu mehr West-Nil-Virus-Fällen kam, weiss Biologe und Mückenspezialist Pie Müller: «Es gibt einen Zusammenhang mit den Temperaturen. Mit den längeren und wärmeren Perioden kann es mehr Mücken geben und so entwickelt sich das Virus besser.» Daher ist es wohl nur eine Frage der Zeit, bis in der Schweiz infizierte Mücken auftauchen und den ersten Menschen anstecken.