Das Nein der Luzerner Stimmbevölkerung zu einer Steuererhöhung im Mai 2017 war eine Ohrfeige für die Kantonsregierung. Sie liess daraufhin eine Analyse erstellen. Das kürzlich veröffentlichte Ergebnis zeigt, dass eine Mehrheit der Regierung einen Denkzettel verpassen wollte, und zwei Drittel der Befragten halten die Luzerner Tiefsteuerpolitik für gescheitert.
Die Regierung zeigt sich selbstkritisch: Sie habe die möglichen Konsequenzen eines Neins zu wenig gut kommuniziert. Dazu das Gespräch mit Michael Widmer, Kommunikationsfachmann und CVP-Stadtrat von Sursee.
SRF News: Was hätte die Regierung besser machen können?
Michael Widmer: Nachdem das Stimmvolk 2016 die SP-Initiative «Für faire Unternehmenssteuern» über eine Erhöhung der Unternehmenssteuer abgelehnt hat, hatte die Regierung wohl das Gefühl, es sei möglich, weitere Schritte zu machen und zu sparen.
Die Regierung ist also davon ausgegangen, sie habe die Bevölkerung in Sachen Steuern hinter sich?
Das Problem war, dass die Abstimmung zur Steuererhöhung dank einem SVP-Referendum zu Stande kam. Die SVP ist an der Urne stark, sie ist sich gewohnt zu mobilisieren und kann emotionale Abstimmungskämpfe führen. Die Regierung hat zwar verloren, aber 46 Prozent Ja-Stimmen erreicht – das ist per se nicht schlecht. Es ist schwierig zu sagen, ob es der Regierung mit einer anderen Kommunikation leichter gefallen wäre, die Steuererhöhung durchzubringen.
Die Regierung kann bei der Bevölkerung nur punkten, wenn sie glaubwürdig darlegen kann, dass das die richtige Strategie ist.
Die Regierung hatte wohl Angst, dass man ihr Behördenpropaganda oder Erpressung vorwerfen würde?
Ja. In der Bevölkerung ist stark verankert, dass der Kanton Luzern die tiefsten Unternehmenssteuern der Schweiz hat. Mit der politischen Absicht, den Kanton für Unternehmen und für alle attraktiver zu machen. Dass wegen dieser Strategie grössere Ausfälle zu kompensieren sind, ist das grosse Problem: Die Regierung kann bei der Bevölkerung nur dann punkten, wenn sie glaubwürdig darlegen kann, dass das die richtige Strategie ist. Das Abstimmungsresultat und die Reaktionen zeigen, dass die Bevölkerung diesbezüglich stark verunsichert ist.
Laut der Umfrage waren 67 Prozent der Befragten sehr oder eher einverstanden mit der Aussage: «Die Politik der tiefen Steuern ist gescheitert.» Hat die Strategie also an Rückhalt verloren?
Das kann man noch nicht sagen. Aber wer Glaubwürdigkeit aufbauen will, muss Tatbeweise erbringen. Man möchte vielleicht mal ein Unternehmen sehen, das nach Luzern gekommen ist und sagt, dass der Kanton ihm Perspektiven bietet. Nicht nur wegen den Steuern, sondern auch wegen anderem. Die Steuerstrategie des Kantons nimmt man wegen fehlender positiver Beispiele als katastrophal wahr. Überall wird gespart, man sieht nur Nachteile.
Man hat den Eindruck, dass die Regierung kommunikativ nicht immer alle Fäden in der Hand hat. Das ist schlecht.
Regierungspräsident Guido Graf hat eine «Politik der kleinen Schritte» angekündigt. Will man also einfach weiter machen, wie bis jetzt?
Ich glaube nicht, dass die Regierung nach dieser Abstimmungsniederlage einfach so weiter macht. Wenn sie an diese Strategie glaubt, soll sie die Gelegenheit nutzen, um zu überlegen, wo man ansetzen könnte. Kommunikativ hat man den Eindruck, dass die Regierung nicht immer alle Fäden in der Hand hat. Das ist schlecht.
Es ist unklar, wo Regierung und Parlament ansetzen wollen. Ein Vertrauenverlust zwischen Regierung und Parlament wird beklagt und auch aus dem Volk kommen widersprüchlich Signale – wie kommt man aus dieser Zwickmühle wieder heraus?
Das ist eine besondere Herausforderung, weil man heute nicht sagen kann, ob in Zukunft diese Steuerstrategie ein absoluter Erfolg sein wird. Aber: Wenn man eine Strategie verfolgen und sein Ziel erreichen will, muss man seine Kommunikation voll darauf ausrichten. Wenn die Bevölkerung nun das Gefühl hat, man sei nicht ganz im Bilde, muss man Tatbeweise erbringen. Es ist wichtig, dass sich die Regierung einig ist, was sie will und Führung übernimmt. Niemand hat sich diese Situation gewünscht. Umso wichtiger ist es jetzt, sich nochmals zurückzuziehen und sich gut zu überlegen, was man will und wieso – und diese Strategie dann auch konsequent durchzuziehen.
Auszug aus dem Gespräch mit Christian Oechslin.