Mit dem Rücktritt der BDP-Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf wird der Weg frei für einen zweiten Sitz der SVP im Bundesrat. Gemeinsam mit den beiden Bundesräten der FDP und den Sitzgewinnen im Parlament nach den eidgenössischen Wahlen verschiebt sich die Politik in der Schweiz weiter nach rechts.
An der «Rundschau»-Theke unterstützt Philipp Müller, Parteipräsident der FDP, den Anspruch der SVP auf diesen Bundesrats-Sitz: «Mit der SVP haben wir die grösste politische Kraft im Land. Diese muss man in der Landesregierung einbinden und in die Pflicht nehmen.»
Wer am Ende tatsächlich unterstützt und in die Regierung gewählt werde, entscheide aber die Fraktion. Und auch die FDP werde mit den vorgeschlagenen SVP-Kandidaten Hearings abhalten. «Wir erwarten eine Doppelkandidatur der SVP, dann haben wir auch eine Auswahl», erklärt Müller.
Mitte-Kandidatur ist ein «Luftballon»
Das bedeutet aber auch, dass es von der FDP keine Unterstützung für einen möglichen Mitte-Kandidaten geben wird, wie Müller klarstellt:
Nein, ich habe so viele Luftballone erlebt seit den Wahlen, diese sind in eine gewisse Höhe gestiegen und dann platzten sie.»
Als so unbedeutend möchte aber Politgeograf Michael Hermann die Mitte-Parteien, insbesondere die BDP nicht bezeichnen. Das habe schliesslich die abtretende BDP-Bundesrätin gezeigt. Eveline Widmer-Schlumpf habe dem harten politischen Gegenwind getrotzt. «Sie hat sich in den vergangenen acht Jahren beweisen können. Man hat ihr das Amt nicht zugetraut. Man hat ihr die Wiederwahl nicht zugetraut; oder dass sie mit ihrer kleinen Fraktion etwas verändern und gestalten kann. Sie hat aber mit wenig relativ viel erreicht.»
Mit der absehbar neuen Konstellation im Bundesrat und den Sitzgewinnen im Parlament wird die FDP in Zukunft stärker mit der SVP zusammenarbeiten müssen. Es gebe durchaus Schnittmengen d.h. Übereinstimmungen der FDP mit der SVP. Etwa im Bereich der Finanzen, bei der Energiepolitik oder der Altersvorsorge. «Wir haben aber auch fundamentale Differenzen im Bereich Völkerrecht, Aussenbeziehungen, Europa – dort funktioniert die Beziehung gar nicht», so die Einschätzung von Müller, denn «in der Politik gibt es keine Liebebeziehungen.»
Für den Politgeografen Hermann ist die Beziehung zwischen den beiden Parteien tatsächlich besser geworden, als sie auch schon war. «Aber die beiden Parteien sind weit weg voneinander in vielen Themen. Gerade eine CVP ist bei vielen Themen näher bei der FDP als die SVP.»
Kompromiss ist das Zauberwort
Und nun sollen im Parlament diese Positionen zusammengezogen werden? Für Müller ist das kein Problem, denn das Parlament funktioniere so, man habe Positionen und Ansichten. «Das widerspiegelt im Parlament auch die Volksmeinung. Und jetzt raufen wir uns zusammen zum Wohl von diesem Land. Das geht so lange gut, wie man das Wort Kompromiss nicht als Unwort ins Feld führt», sagt Müller.
Dass die SVP diese Verantwortung auch in der Regierung übernehmen wolle, sei sichtbar, meint Politgeograf Hermann: «Es gab eine Entwicklung bei der SVP, Verantwortung zu übernehmen. Zudem ist mit Frau Widmer-Schlumpf ab heute der Druck weg und die SVP hat so keinen Gegner mehr», meint Michael Hermann:
Die SVP kann für die Bundesratswahl fast kommen mit wem sie will.
Keine Blockadepolitik
Entscheidend wird es in der kommenden Legislatur bei den grossen politischen Themen, etwa die bilateralen Verträge mit der EU. Da gehen die Meinungen zwischen FDP und SVP weit auseinander. Müller gibt das unumwunden zu: «Da haben wir ein Problem miteinander. Und da werden wir die Mehrheiten holen müssen, wo sie sind. Und das wird sicher nicht immer die Schnittmenge sein SVP/FDP gegen den Rest.»
Er störe sich aber an der Aussage, dass hier eine Blockadepolitik befürchtet werde, wie dies SP-Präsident Christian Levrat formuliert habe. «Dafür gibt sich die FDP nicht her», so Müller.
Für Michael Hermann ist klar, dass etwa beim Thema Europa die FDP nicht mit der SVP gehen müsse. Die Differenzen seien zu gross. Bei den grössten Gräben, die sich zwischen FDP und SVP auftun, werde die FDP die Mehrheiten bei Mitte-Links finden, meint Hermann.
Für ihn wird es interessant bei den Themen, wo sich FDP und SVP nahe stehen und die als mehrheitsfähige Lösungen auch vor dem Volk bestehen müssen. Da werde die FDP andere Nuancen setzen müssen als die SVP, meint Hermann: «Das kann zum ‹Krach› führen. Da wird’s dann spannend zu sehen, wie sie dort zusammen ‹kutschieren›, wenn FDP und SVP eine Mehrheit im Bundesrat und im Nationalrat haben.»