Es sieht nicht gut aus für den Kanton Solothurn und seine 260'000 Einwohner. Weil Solothurn weniger stark wächst als andere Kantone, verliert er in Bern an Einfluss. Welcher Kanton wie viele Nationalräte in die Hauptstadt schicken darf, wird nämlich aufgrund der Bevölkerungszahl festgelegt. Während der Aargau deshalb einen Nationalratssitz mehr erhält, muss Solothurn einen abgeben.
Die Hürde, einen Nationalratssitz zu gewinnen, wird für Solothurner also höher gelegt. In der Not klammern sich die Parteien an ihre Parlamentarier, die bereits im Nationalrat und deshalb mehr oder weniger bekannt sind. Der Bisherigen-Bonus erhöht die Chance, den Sitz zu verteidigen. Alle sieben Solothurner Nationalräte treten deshalb wieder zur Wahl an.
Sogar der amtsälteste, Polit-Urgestein Roland Borer (SVP), will es noch einmal wissen. Ursprünglich wollte Borer nach 24 Jahren in Bern abtreten, liess sich von der Parteileitung aber überzeugen, doch noch einmal zu kandidieren. Und auch Bea Heim (SP) kandidiert erneut, obwohl sie mit 69 Jahren zu den ältesten Parlamentarierinnen im Bundeshaus gehört.
Reise nach Jerusalem
Die Wahl in den Nationalrat wird für die bisherigen Nationalräte also zur «Reise nach Jerusalem», dem Kinderspiel, bei dem alle um die Stühle rennen und auf Kommando absitzen, nur dass es immer einen Stuhl zu wenig hat.
Die Frage ist: Wer zieht den Schwarzen Peter und scheidet aus? Welche Partei wird einen Nationalratssitz verlieren? Und wird damit das linke Lager oder der Mitte-Rechts-Block geschwächt?
Seit mindestens 1995 sind die Solothurner Linken mit zwei Sitzen im Nationalrat vertreten, die Bürgerlichen mit fünf. Wobei es im Bürger-Block zu markanten Verschiebungen gekommen ist: Die im Kanton Solothurn relativ junge SVP, die vor allem als Protestpartei in Erscheinung tritt, konnte der traditionell starken FDP und CVP schrittweise zwei Sitze abknöpfen und ist heute die wählerstärkste Partei.
Die Solothurner Vertretung im Nationalrat
Partei | Namen |
---|---|
SVP | Roland Borer, Kleinlützel, seit 1991 Walter Wobmann, Gretzenbach, seit 2003 |
SP | Philipp Hadorn, Gerlafingen, seit 2011 Bea Heim, Starrkirch-Wil, seit 2003 |
CVP | Stefan Müller-Altermatt, Herbetswil, seit 2011 Urs Schläfli, Deitingen, seit 2011 |
FDP | Kurt Fluri, Solothurn, seit 2003 |
Wer also muss nun einen Sitz abgeben? Sicher ist: Es wird sehr knapp. Treffen könnte es das Mitte-Bündnis rund um die CVP, oder das Links-Bündnis der SP.
Die CVP ist auf die Kleinen angewiesen
Die CVP konnte 2011 ihre beiden Sitze nur dank einer Listenverbindung mit EVP und GLP verteidigen. Während die FDP mit einem Wähleranteil von 18,4 Prozent nur einen Nationalratssitz erhielt, kam die CVP mit einem geringeren Wähleranteil von 17,9 Prozent auf zwei Sitze - die Listenpartner machten es möglich.
Nun hat es die CVP auch 2015 wieder geschafft, die kleineren Parteien ins Boot zu holen. Neu kam sogar noch die BDP zur Listenverbindung mit EVP und GLP hinzu. Rein rechnerisch sollte das reichen, um die beiden Sitze zu verteidigen. Allerdings sagt das SRG-Wahlbarometer GLP und BDP Verluste voraus. Kann gleichzeitig die SVP zulegen, könnte es für den Mitte-Block eng werden.
In diesem Fall könnte Urs Schläfli seinen Sitz räumen müssen. Der Bauer aus Deitingen – für CVP-Ständerat Pirmin Bischof 2011 in den Nationalrat nachgerutscht – konnte sich in Bern bislang nicht in Szene setzen. Der «Blick» kürte ihn jüngst zum grössten Hinterbänkler der Schweiz.
Ist die Grande Dame der SP zu alt für Politik?
Die SP muss vielleicht noch mehr um ihre beiden Nationalratssitze zittern als die CVP. Sie erhält zwar Unterstützung von den Grünen. Die langjährige Listenpartnerin hilft auch dieses Jahr wieder mit, die beiden linken Sitze in Bern zu verteidigen. Bewahrheitet sich der allgemeine Trend könnten die Grünen aber Stimmen verlieren. Es braucht nur wenig, und schon wird das Links-Bündnis von der SVP überholt.
In diesem Fall könnte SP-Nationalrätin Bea Heim die grosse Verliererin der Solothurner Nationalratswahlen werden. Die 69-Jährige ist eine der ältesten Parlamentarierinnen in Bern. Zu alt für die Politik? Hinter vorgehaltener Hand sehen das einige Sozialdemokraten so und hätten lieber, die Seniorin würde Jüngeren Platz machen. Zudem tritt Heim auf der SP-Liste der Region Ost an, wo die Sozialdemokraten traditionellerweise weniger Stimmen holen als im Westen des Kantons, wo Nationalrat Philipp Hadorn zur Wiederwahl antritt.
Das neue Selbstbewusstsein der FDP
Während CVP und SP um ihre zwei Sitze zittern müssen, spürt die FDP Aufwind. Trotz ähnlich grossem Wähleranteil sind die Freisinnigen seit 2007 nur mit einem Nationalrat in Bern vertreten, Kurt Fluri. Und obwohl der Kanton Solothurn nun einen Nationalratssitz weniger zugesprochen erhält, will die FDP sogar noch ein Mandat dazugewinnen, hat sie angekündigt.
Wahlerfolge der FDP in anderen Kantonen haben das Selbstbewusstsein der Solothurner Freisinnigen gestärkt. Ob also Fluri mit Marianne Meister, die zugleich für den Ständerat kandidert, bald eine Parteikollegin im Nationalrat begrüssen kann? Wohl kaum. Eher noch muss Solothurns Stadtpräsident aufpassen, dass ihn die Präsidentin des kantonalen Gewerbeverbands nicht vom Stuhl verdrängt, da sie als Ständeratskandidatin derzeit das volle Rampenlicht geniesst.
Der Generationenknatsch der SVP
Die SVP tritt bescheidener auf als die Freisinnigen. Für sie gilt angesichts der speziellen Ausgangslage die Devise: Halten. Das mag erklären, dass sie auch 2015 mit dem altgedienten Roland Borer antritt, obwohl dieser nicht unumstritten ist.
Für Gesprächsstoff sorgt das Amtsalter von Roland Borer. Seit 24 Jahren sitzt er ununterbrochen im Nationalrat. Nur mit Nebengeräuschen wurde der Polit-Dinosaurier wieder nominiert. Einige SVP-Mitglieder wollen, dass der «Sesselkleber» endlich den Hut nimmt und einem Jüngeren Platz macht.
Die Kritik traf Borer derart hart, dass er der Nominationsversammlung fern blieb. Ein schlechtes Omen für die Wiederwahl?