Überschäumende Bierumsätze zur Fussballparty? Ja, aber nur wenn das Wetter stimmt. So lautet eine ungeschriebene Brauereiregel. Allein die Tatsache, dass der Ball rollt, bringt das Bier noch nicht übermässig zum Fliessen. «Volumentechnisch ist das eigentlich wie ein sehr sehr gutes Sommerwochenende», sagt Feldschlösschen-Chef Thomas Amstutz.
Oder anders ausgedrückt: Ein sehr sehr schlechtes Sommerwochenende kann den WM-Effekt gleich wieder zunichte machen. In diesem Jahr hat aber das Wetter, während in Russland gekickt wird, hierzulande ziemlich gut mitgespielt.
Pro-Kopf-Konsum sinkt seit Jahren
Das wirkt schmerzlindernd für die Branche. Denn diese leidet seit Jahren unter schwindendem Pro-Kopf-Konsum. Obwohl Bier als Getränk in letzter Zeit wieder an Profil gewonnen hat. Anfang der 1990er Jahre goss man sich pro Jahr noch 71 Liter pro Kopf hinter die Binden. Oder in einer bekannten Ausschankgrösse gerechnet: 237 Stangen Bier. Im letzten Jahr waren es gerade noch 54,3 Liter oder 181 Stangen pro Kopf. Das entspricht einem Rückgang um 24 Prozent.
Damit liegt die Schweiz deutlich hinter anderen europäischen Ländern zurück. Europameister in dieser Disziplin ist Tschechien mit einem jährlichen Pro-Kopf-Konsum von 143 Liter. Gefolgt von Deutschland mit 104 Liter pro Kopf und Österreich mit 103 Liter.
In der Schweiz ist der Pro-Kopf-Konsum sogar so stark rückläufig, dass trotz steigender Bevölkerungszahlen das gesamte weg getrunkene Biervolumen seit Jahren stagniert. 2017 belief sich dieser Gesamtkonsum auf 346 Millionen Liter. Und damit fast auf den Tropfen gleich viel wie 2011. Die Bevölkerung ist in der Schweiz im selben Zeitraum aber von 7,9 auf 8,5 Millionen Einwohner gestiegen.
Zahl der Brauereien hat sich vervielfacht
Umso erstaunlicher ist, dass sich die Zahl der Brauereien in der Schweiz ausgedehnt hat, wie der Schaum eines Weissbier bei unsachgemässem Einschenken. Allein in den letzten zehn Jahren hat sie sich von 246 auf aktuell 955 nahezu vervierfacht. Oder noch weiter zurückgeblickt: 1992, bei der Aufhebung des Bierkartells in der Schweiz, gab es nur 32 Brauereien.
Der Marktanteil, um den sich diese neuen Kleinen balgen, ist aber relativ klein. Die jährliche Auswertung der Eidgenössischen Zollverwaltung zeigt, dass die fünf grössten Brauereien 84 Prozent des Marktes abdecken. Branche heisst es, aktuell würden die 20 grössten Schweizer Brauereien rund 95 Prozent des Marktes abdecken.
Dennoch haben die vielen neuen Kleinbrauereien den Markt stark bewegt und die Grossen herausgefordert. Mit Spezialitäten und neuen Geschmacksrichtungen. «Ich bin der Überzeugung, dass wir kleinen Craft-Bier-Brauer extrem dazu beigetragen haben. Vielleicht möchten die grossen Brauereien auch einfach weniger Risiken eingehen mit kreativen Bieren», sagt Kleinbrauer Marco Bleisch, der seine Produkte in einer Garage herstellt.
Grössenvorteil beim Fussball
Dass die Kehlen nach mehr Abwechslung vom bierischen Einerlei dürsten, haben mittlerweile auch die grossen Brauereien gemerkt und sich entsprechend angepasst. «Jeder Kleinbrauer animiert auch den Markt, animiert auch den Grossen etwas anders zu tun. Unsere Aufgabe ist es, Trends aufzuspüren, aufzugreifen, und diese dann gross zu machen», sagt Feldschlösschen-Mann Thomas Amstutz. So ist es dem Bierriesen aus Rheinfelden offenbar gelungen seine Marktanteile stabil zu halten.
Und bei Grossanlässen rund um die WM, wo mehrere Hundert Fussballfans zusammen ein Spiel via Grossleinwand mitverfolgen, sind die grossen Brauer im Vorteil. Da sie flexibler sind in Sachen Mengensteuerung.
Dennoch bietet die Fussball-WM auch für kleinere Brauereien Perspektiven. Denn auch zahlreiche Bars haben Flachbildschirme aufgestellt. Jene Kleinbrauereien, die solche Bars beliefern, können durchaus profitieren, wenn der Ball rollt und es die Gäste vor die Fernsehgeräte zieht.