Jürg Thrier war mit 20 Jahren zum ersten Mal als Samichlaus unterwegs – mittlerweile bringt er seit 33 Jahren den Kindern am 6. Dezember «Nüssli und Mandarinli» vorbei. Vor einem Jahr hat er die Interessensgemeinschaft Samichlaus gegründet und ist als deren Präsident tätig.
SRF: Jürg Thrier, schimpfen Samichläuse eigentlich noch?
Jürg Thrier: Der heutige Samichlaus schimpft eigentlich nicht mehr, das hat sich über die Jahre geändert. Heute stellen wir den Samichlaus als lieb, freundlich und lobend dar – näher am Heiligen St. Nikolaus. Wir probieren, 70 Prozent lobend zu sein und jeweils einen negativen Punkt anzusprechen. Etwas, das das Kind im nächsten Jahr besser machen kann.
Auch bei den Samichläusen gibt es einen Fachkräftemangel.
Sind die Kinder frecher geworden?
Sie sind redegewandter geworden: Einerseits durch die Medien, wie Fernseher und Handy, aber auch, durch das, was sie in Gesprächen der Eltern aufschnappen. Dann bringen sie manchmal Wörter hervor, bei denen sogar der Samichlaus staunt. Aber frecher sind sie nicht: Die Kinder sind noch genau gleich kindlich wie vor vielen Jahren.
Sind Samichläuse noch Respektspersonen?
Oh ja. Wenn wir in Schulklassen gehen – auch da, wo Kinder andere Dinge erlebt haben – geraten sie mit dem Samichlaus an eine Respektsperson. Also: Wenn der Samichlaus kommt oder sie ihn besuchen gehen, sind alle Kinder sofort mucksmäuschenstill und staunen.
Sitzen die Kinder dem Samichlaus auf den Schoss?
Durch die Einwirkung von Medien und der gesellschaftlichen Diskussion versucht man, das Sitzen auf dem Schoss nicht mehr zu zelebrieren. Haben die Eltern jedoch den Wunsch, so ein Foto zu machen, dürfen sie das entscheiden. Wichtig ist, dass die Samichlaushände sichtbar sind. So haben wir dieses Thema direkt aus der Welt geschafft.
Gibt es Frauen-Samichläuse?
Frauen haben natürlich in vielen Samichlaus-Gesellschaften einen hohen Stellenwert: Wir brauchen sie und ihre Arbeit im Hintergrund und für die Koordination. Eine Frau kann sicher auch irgendwann einmal Samichlaus sein. Momentan kennen wir noch keine Frau. Im Ausland gibt es eine Bischöfin. Das Fallkriterium ist vielfach die Stimme: Frauen haben in der Regel eine höhere Stimme und nicht eine so tiefe, wie sie der Samichlaus braucht.
Wie steht es um den Samichlaus-Nachwuchs?
Auch bei den Samichläusen gibt es einen Fachkräftemangel. Viele, die das jahrelang gemacht haben, kommen in ein Alter, in dem sie aufhören möchten. Die Jungen haben oft Angst, dass sie dem Brauchtum und der Aufgabe nicht gewachsen sind. Sie schlüpfen nicht gerne in diese Rolle. Einige Samichlaus-Gesellschaften haben heute schon ein Problem, andere sind noch sehr gut ausgerüstet, auch mit Nachwuchs.
Das Gespräch führte Jürg Oehninger.