Mit den Sommertemperaturen in den kommenden Tagen dürfte es viele Menschen in die Badis ziehen. In der Schweiz finden sich hunderte davon: Alte und neue Badis, Badis mitten in der Stadt oder naturnah an einem Flussufer.
Badis als Teil der Kultur
Wer in eine Badi geht, macht auch eine Reise in die Schweizer Geschichte. Denn jede Zeit hat ihre eigenen Bäder gebaut, so dass sie heute noch viel verraten über Zeitgeist und Werte.
«Badis sind Teil der Schweizer Kultur», sagt Patrick Schoeck, Leiter Baukultur beim Schweizer Heimatschutz. Er ist Autor des Büchleins «Die schönsten Bäder der Schweiz» und hat dafür Badeanstalten im ganzen Land besucht: «Wer einmal in einer Stadt im Ausland war, der vermisst die Freibäder hierzulande. Dort wird geschwitzt oder geduscht.»
Getrenntes Baden
Die Schweizer Badi-Kultur hat dabei schon eine lange Geschichte: Erste Freibäder wurden schon nach Beginn des 19. Jahrhunderts gebaut. «In diesen frühen Bädern wurde noch nach Geschlechtern getrennt gebadet», sagt Schoeck.
Es handelte sich dabei meist um klassische Kastenbäder aus Holz. Typisches Beispiel ist das Stadtzürcher Seebad Utoquai aus dem Jahr 1890, wo Männer und Frauen ja noch heute getrennt baden.
Gesellschaftlicher Wandel
Ein Wandel kam dann in der Zeit nach dem 1. Weltkrieg, insbesondere in den 30er Jahren. Es entstanden erste Badis, in denen Männer und Frauen gemeinsam baden konnten.
Nach dem Krieg wurden die Rollenverständnisse überdacht. An den Badis wurde deutlich, dass in der Gesellschaft etwas passiert.»
Die Badis aus der damaligen Zeit wurden in einem schlichten Stil gebaut, oft mit Flachdächern. So sind sie auch heute noch erkennbar. Ein klassisches Beispiel aus dieser Zeit ist das Terrassenbad in Baden.
Eine Visitenkarte
Die Schlichtheit der 30er-Jahre war dann in der Nachkriegszeit vergessen. Die brummende Wirtschaft spülte auch den Gemeinden Steuergelder in die Kassen.
Jede Gemeinde, die etwas auf sich hielt, hat sich ein eigenes Freibad gebaut.
Die Badis, die in den 50er und 60er-Jahren entstanden sind, waren meist äusserst liebevoll gestaltet, wie eine Gartenanlage, wo auch Blumen und Bäume durchdacht gepflanzt sind. Das Gartenbad Grenchen SO aus dem Jahr 1956 zeugt von dieser Zeit. Ermöglicht hat es die florierende Uhrenindustrie, welche Grenchen zahlreiche Investitionen in öffentliche Gebäude erlaubte.
Badi als Erlebnispark
In den letzten 2 bis 3 Jahrzehnten, speziell ab den 1990er Jahren, ist der Bau neuer Badis selten geworden. Sie sind teuer – im Bau und Unterhalt. Und es gibt schon zahlreiche im ganzen Land. Dennoch hat auch in dieser Zeit eine weitere Entwicklung Einzug gehalten, sagt Schoeck: «Der Vergnügungsfaktor hat an Bedeutung gewonnen.» Dementsprechend wurden bestehende Badis in den letzten Jahrzehnten aufgerüstet.
Ein Schwimm- und Planschbecken allein genügten nicht mehr. Hinzu kam zum Beispiel das Bedürfnis nach einer Rutschbahn, Beachvolleyballfeld oder Spielzeug im Becken.
Wenn Badis noch neu gebaut werden, so sind sie oft von hoher architektonischer Qualität, meint Schoeck weiter. Und er macht ein weiteres Merkmal moderner Badis aus: Das Thema «Natur/Biologie». Etwa, indem Pools gebaut werden, die sich natürlich reinigen. Typisch für eine moderne Badi ist das Naturbad Riehen aus dem Jahr 2014, entworfen vom Architekturbüro Herzog & de Meuron.
Naturnah baden
Schoeck sieht jetzt gerade eine weitere Entwicklung im Gang, welche wegführt von den traditionsreichen Badis: «Das Baden an Fluss- und Seeufern gewinnt mehr und mehr Anhängerinnen und Anhänger.» Statt des Baus von Kasten, Becken, Gärten steht in Zukunft also wohl eine andere Arbeit im Zentrum, wenn es um die Lust der Schweizerinnen und Schweizer am Baden geht: Zonen zu definieren, wo man Schwimmen darf und die Natur gleichzeitig ihren Raum hat.
Ein Beispiel, wo das bereits umgesetzt wurde, findet sich am Reuss-Delta bei Flüelen UR. Das Aushubmaterial der NEAT wurde dort zur Gestaltung einer neuen Uferlandschaft verwendet.