Andrea ist 55 Jahre alt, geschieden, zweifache Mutter und Grossmutter. Sie ist peppig, hat kein graues Haar und eine ansteckende Fröhlichkeit. Unsichtbar fühlt sie sich überhaupt nicht. Was ihr aber auffällt ist, dass es Frauen gibt, die sich ab 50 in ihren Kleidern verstecken.
Mir fallen Frauen über 50 auf, die wallende Gewänder und breite Schuhe tragen.
Für sie ist klar, jede soll tragen, was ihr beliebt. Für Andrea war der 50 Geburtstag nichts Besonderes. Sie stellte mit 42 ihr Leben in Frage. «Ich verliebte mich und merkte, dass es so nicht mehr weitergeht.» Sie war seit 20 Jahren mit ihrem Mann zusammen. Ein paar Jahre vorher starb ihre Mutter, den Vater verlor sie mit 18. «Der Verlust der Mutter war einschneidend», sagt sie rückblickend. Noch vor 50 startete sie beruflich und privat nochmals durch. Heute ist sie selbständige Therapeutin und glücklich.
Das Leben nach 50 wird immer besser.
Klischee: Frauen um die 50 sind graue Mäuse und vertrocknen
«Frauen mit 50 sind ganz schön saftig», sagt die 59-jährige Hebamme Ursula Zeindler, die auch Wechseljahrkurse gibt. Ach ja, die lieben Hormone. Ein weiteres Klischee? Hier geht es aber nicht nur um Hormone. Die Natur ist fair. Männer kommen in die Andropause, die männlichen Wechseljahre.
Männer um die 50 bekommen alle ein bisschen Brüste.
Dafür kämpfen Frauen mit einem leichten Oberlippenbart. Das sind die Hormone. Frauen um die 50 werden aber nicht zu unberechenbaren Hormonbomben. Auch das ein gängiges Klischee. «Eine Wallung putzt das Immunsystem durch», sagt Zeindler. Sie empfiehlt, dass Frauen sich genug Zeit für sich selbst nehmen, wenn die Hormone nicht im Lot sind. Zum Beispiel eine halbe Stunde früher aufstehen, damit man wirklich Zeit für sich hat.
Und wieder die Sinnfrage
«Die Sinnfrage stellt sich genau in dieser Zeit», sagt die Entwicklungspsychologin Pasqualina Perrig-Chiello. Was will ich noch erreichen? Lebe ich das Leben, das ich die nächsten 30 oder 40 Jahre führen will? Ist der Partner der richtige? Der Blick zurück, im Hier und Jetzt bilanzieren, ob das was ich mache sinnstiftend ist, auch für die Zukunft. Wer das unter einen Hut bringt, der kommt gut über diese Zeit.
Alternde Frauen werden über ihr Aussehen taxiert.
Anders bei den Männern, diese werden über ihren sozialen Status definiert. Frauen um die 50 heute gehen gelassen damit um, sie sind besser ausgebildet, sie haben mehr Möglichkeiten, sie haben die finanziellen Mittel, sie sind unabhängig und selbstbewusst.
Noch ein Klischee: Frauen nach 50 haben keine Figur mehr
Ulrike Ehlert, Professorin für Psychologie an der Universität Zürich, untersucht im Rahmen des Forschungsprojektes «Fokus Lebensmitte» die Gesundheit von Frauen um das 40. Lebensjahr. Jede fünfte Frau, die an der Studie teilgenommen hat, treibt regelmässig Sport und ernährt sich gesund. «Die Frauen legen sehr viel Wert auf Fitness und Ernährung», sagt Ehlert. Auf diese Weise versuchen sie attraktiv zu bleiben. Ein Bodymassindex von 23 bei Frauen über 40 ist sehr gut, so die Studienleiterin.
Sexuell zufrieden ist, wer in der Partnerschaft zufrieden ist und über einen guten Selbstwert verfügt.
Bei der bisherigen Auswertung der Daten am meisten erstaunt hat das Team um Ehlert, dass die sexuelle Zufriedenheit der Frauen unabhängig von den Hormonen ist. Die partnerschaftliche Zufriedenheit und der Selbstwert der Frauen seien entscheidend, sowohl für die Menopause als auch für das Sexualleben, so die Studie. Eine Frau mit 50 muss sich also nicht mehr in die Jeans oder den Blazer in Grösse XS ihrer Tochter quetschen. Die ganzen Äusserlichkeiten um jeden Preis sind nicht verantwortlich für eine gute Sexualität nach 50 oder eine möglichst beschwerdefreie Menopause.
Studienteilnehmerinnen zwischen 40 und 50 gesucht
SRF 1, Doppelpunkt, Sonntag 15 Uhr; Dienstag 20 Uhr