Bruno Manser hat mich vieles gelehrt: dass man mit Mut und Entschlossenheit seine Träume leben kann. Dass man für den Schutz der Umwelt einstehen soll. Und dass «wer die Notwendigkeit einer Balance zwischen Natur und Kultur begriffen hat und nicht handelt, nichts begriffen hat». Doch was für ein Mensch steckt hinter dieser klaren Ansage? Ein Aktivist, ein Umweltschützer, ein Naturforscher, ein Abenteurer, ein Romantiker oder ein Schweizer mit einer Penan-Seele? Bruno Manser gibt selbst Antwort darauf. In seinen neu aufgelegten Tagebüchern aus dem Regenwald.
«Bruno Manser - Tagebücher aus dem Regenwald, 1984-1990»
Sie öffnen mir den Weg zu ihm und zu seinen Erlebnissen im Dschungel von Sarawak. Ich staune, lache, jauchze, weine und fürchte mich. Was ich da lese, ist so mutig, atemberaubend schön, grässlich und verrückt! Ich lerne einen Mann kennen, der mit einer beeindruckenden Entschlossenheit auf die Suche nach dem Ursprung geht. Um bei einem der letzten noch nomadisierenden Urwaldvölkern der Welt wie am Anfang der Menschheit zu leben. Sechs Jahre lang! In einer Gesellschaft, die ohne Besitz auskommt und nur die Befriedigung elementarer Bedürfnisse kennt. Ein scheues und stilles Volk seien die Penan. Zukunft und Vergangenheit spiele für sie kaum eine Rolle, denn sie würden ganz im Moment leben. Wow! Das ist mein Traum.
Mansers Tagebücher sind eine Art Chronik. So was wie eine Sammlung von Briefen, die an die Zivilisation gerichtet sind. Ein Mix aus Erlebnisbericht, Dokumentation, Pflanzen- und Tierstudien. Wunderschön illustriert mit leuchtenden Aquarell-Zeichnungen: Dschungellandschaften, Portraits, Skizzen von Pflanzen und Tieren. Minutiös hält der Naturforscher den Alltag der Penan fest, ohne zu werten. Ergänzt mit wohldurchdachten und genauen Betrachtungen.
Ich erlebe mit, wie Manser in den Augen der Penan wie ein Kind im Körper eines 30-Jährigen ist und dann mit der Zeit zum Penan-Mann wird. Die Penan amüsieren sich über seine anfängliche Unbeholfenheit. Liebevoll foppen sie ihn, äffen ihn nach wie er da ständig ausrutscht, barfuss im Schlamm. «Natürlich werde ich tagsüber immer ein wenig mit einem Auge beobachtet. Abends wird dann mit viel Humor über meine Fragerei berichtet, und mein Treiben nachgeäfft, begleitet von herzhaftem Lachen.»
Ich fühle mit Manser, wenn er todmüde in seiner Hängematte liegt. Wenn ihn Hunger und Durst quälen. Hitze, Nässe, Kälte. Dornen in den Fusssohlen. Schwärme stechender Mücken, Sandfliegen und Wespen. Malaria. Wie er den tödlichen Biss einer Grubenotter überlebt. Was ihm nebst horrenden Schmerzen einen verwesenden Muskel beschert, der bananenlang und stinkend aus einem Loch im Schienbein raushängt. Igitt! Trotzdem: Manser gibt nicht auf.
Als Berater und Sekretär unterstützt er seine Penan-Freunde im Kampf gegen die Holzindustrie. Denn Manser erlebt, wie die ersten Bulldozer auffahren und mit brutalem Gebrüll rote Wunden in den Urwald schlagen. Wie Holzfirmen systematisch den Regenwald abholzen. Zusammen mit den Penan organisiert Manser Blockaden, um dem ökologischen Desaster Einhalt zu gebieten. Hadert, weil dies nichts bringt, es Verletzte gibt und er gleichwohl den Retter spielt. Ist zornig, weil er sich von Journalisten falsch verstanden und ausgenutzt fühlt. Sucht Kraft und Trost auf einem einsamen Berg, dem Batu Lawi. Ein mystischer Ort, mit überwältigend schönem Panorama, der Manser einen Moment höchster Glückseeligkeit schenkt!
Der Weg des Herzens fragt nicht nach Titeln und längst vergangenen Taten. Nur in der Gegenwart spielt sich wahres Leben ab.
Bruno Mansers Tagebücher enden abrupt, im Jahr 1990. Manser kehrte damals in die Schweiz zurück. Mit seinen Aktionen gegen die Holzindustrie hatte er sich grosse Feinde gemacht. Ein Kopfgeld wurde auf ihn ausgesetzt. 50'000 Dollar.
«Bruno Manser - Tagebücher aus dem Regenwald, 1984-1990» sind ein grossartiges, bildgewaltiges und ergreifendes Zeugnis eines Mannes, der für seine Selbstlosigkeit einen hohen Preis gezahlt hat!
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Der Autor
Bruno Manser wurde am 25. August 1954 in Basel geboren. Nach Abschluss des Gymnasiums arbeitete er mehrere Jahre als Schafhirt und Sennmeister. Mit 30 Jahren machte er sich auf nach Borneo zu den Penan. Dank seinem Engagement kam das Thema Tropenholz in der Schweiz auf die politische Agenda. In Sarawak blieben aber messbare Erfolge weitgehend aus. Nach seiner Rückkehr in die Schweiz reiste Manser regelmässig in den Regenwald. Jedoch von seiner letzten Reise nach Sarawak kehrte er nicht mehr zurück. Seine Spuren verlieren sich am 25. Mai 2000 im Urwald von Borneo; mehrere Suchaktionen blieben erfolglos.
Das Buch: «Bruno Manser - Tagebücher aus dem Regenwald, 1984-1990» (CMV, 2014, Neuauflage 2019)
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