Ich kenne Franz seit 40 Jahren. Aber offiziell per Du sind wir erst seit wenigen Monaten. Das war an einer Lesung. Ich bin auf ihn zugegangen. Hab ihm die Hand geschüttelt und gesagt: Hallo Franz. Entschuldige, dass ich Dich duze. Ich kann nicht anders. Als Kind habe ich immer deine Sendung Franz & René geschaut.
Und jetzt halte ich erwartungsvoll das neue Buch «Das Päckchen» von Franz in der Hand.
Ein Mix aus historischem Roman und Detektivgeschichte. Im Zentrum steht Ernst. Ein Bibliothekar. 48, bieder, langweilig. Und Handyverweigerer. Am Bahnhof Bern hört er ein Telefon in einer Telefonzelle läuten. Gibt's das noch? Er nimmt ab. Eine alte, ihm unbekannte Frau ist am Draht. «Hallo Ernst, kommst Du vorbei?» Sie habe ein Päckchen für ihn, das er in Sicherheit bringen soll. Sonst werde es geklaut.
Ernst packt die Neugier. Was hat es mit diesem Päckchen auf sich? Statt auf den Zug, marschiert er Richtung Altstadt. Bei der praktisch blinden Frau gibt er sich als ihr Neffe Ernst aus. Nimmt das Päckchen in Empfang: Drin steckt der «Abrogans» im Original. Das älteste deutsche Wörterbuch.
«Aber wie konnte es den Weg durch die Jahrhunderte in eine Küchenschublade an der Gerechtigkeitsgasse in Bern gefunden haben? Und wer waren die anderen, die noch davon wussten?»
Daumen rauf
- Futter für Kopfarbeiter. Für Forscherinnen, Bibliothekare, Senioren und sonstige Freunde und Freundinnen alter Bücher. Franz Hohler erzählt die Geschichte des verloren geglaubten «Abrogans». Und was es früher mit solchen Handschriften auf sich hatte. Nett.
- Faszination Mittelalter. Zieht bei mir immer. Hohler verknüpft Gegenwart mit Vergangenheit. Da ist Ernst im heutigen Bern. Aber auch Haimo im Jahre 772. Ein junger Novize, der den Abrogans ins Reine schreibt und dann damit von einem Kloster zum nächsten reist.
- Fakten. Wer nichts über den Abrogans weiss, der erfährt: Dünnes althochdeutsch-lateinisches Wörterbuch. Mit dunklem Ledereinband. Leicht müffelnd. Der Titel kommt vom ersten althochdeutschen Wort, das darinsteht. «Abrogans» bedeutet «demütig».
- Feiner Witz. Wenn der sonst so bieder-brave Ernst zum wagemutigen Superman wird und der Polizei auf einer kühnen Flucht aus der Berner Nydeggkirche entwischt.
Daumen runter
- «Das Päckchen» ist eine nette Geschichte. Mehr nicht. So wie Hohler eben Geschichten für Gross und Klein entwickelt. Assoziativ. Man nehme ein Päckchen, einen Anruf, einen Bibliothekar und den «Abgrogans» und mache eine Geschichte draus. Hmhh.
- Und dann immer wieder diese Gängelei. Hohler erklärt mir jeden Gedankenschritt. Das unterfordert mich. Deshalb: Nur 3 Kronen für den guten Franz. Jawoll.
Und was meint Ihr? Sagt mir und diskutiert untereinander, was Ihr über «Das Päckchen» von Franz Hohler denkt - auf Facebook.
Der Autor
Franz Hohler, 1943 geboren, lebt in Zürich. Er ist Schriftsteller und Kabarettist. Zuletzt erschienen die Romane «Der Autostopper», «Gleis 4» und der Lyrikband «Alt?».
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