Österreich, 1973: Wolf Haas, 13, verdient sein Taschengeld an einer Shell-Tankstelle. Unter seinem roten Arbeitsmäntelchen zeichnen sich seine 93 Kilo ab. Die Lastwagenfahrer ziehen ihn deswegen auf. Sie nennen ihn Fräulein, auch wegen seiner blonden Beatles-Frisur. Grrr. Auch Tscho, 21, ist da nicht anders. Gerade fährt er an die Zapfsäule heran und lässt sich von Wolf seinen Scania betanken und die Frontscheibe putzen.
Hinter der Scheibe, auf dem Beifahrersitz, sitzt Tschos schöne Frau Elsa. Wolf sieht sie und verliebt sich – unsterblich. Sein Ehrgeiz und Kampfgeist sind geweckt: «Die Sache war vollkommen klar für mich. Ich sagte mir, wozu bin ich auf die Welt gekommen, und wieso soll ein Tscho alles haben und ich nichts.» Er beschliesst seine überzähligen Kilos loszuwerden. Die Rezepte aus dem Heft «Schlank mit Wir» helfen dabei. Und neun Wochen später hat er nicht nur fünfzehn Kilos, sondern auch seine Unschuld verloren. Hurra!
Daumen rauf
- Erfrischend. Wie Wolf Haas in österreichischem Slang schreibt. Wie er mit liebevoller Selbstironie auf sein junges, verliebtes, pummelig-pickliges Alter Ego schaut. Auf Wolf Junior, der ausgerechnet mit Erz-Rivale Tscho nach Griechenland fährt. Seinetwegen zum ersten Mal das Meer sieht. Die anrührendsten Momente seines Lebens erlebt und dabei erwachsen wird.
- Direkt. Wolf Haas erzählt fadengerade aus der Ich-Perspektive. Alles, was ich erfahre über Wolf, Tscho und Elsa, erfahre ich aus den Dialogen. Ohne dröge Figurenbeschreibungen. Diese Erzählweise hat Drive.
- Witzig. Die Szene, in der Wolf nach seiner Griechenlandfahrt wieder auf die Waage steht und sein «Badezimmerwaagen-Kamasutra» praktiziert: «Wie immer, wenn ich das Ergebnis nicht glauben konnte, begann ich, die Stellungen zu variieren. Nach den üblichen Varianten kam ich zu der Übung, die «Der Sturm» hiess. Als wäre ich einem ständig die Richtung ändernden Sturm ausgesetzt, stemmte ich mich dem Wind entgegen, bis er so stark wurde, dass ich mich wie ein kluger Baum nach hinten drängen liess, wo mich in letzter Sekunde ein Rückenwind auffing und wieder langsam nach vorne trieb in den Willensbereich der mich nach links und rechts beugenden Seitenwinde. Doch noch nie hatte der Sturm es mit so einem leichten Gegner zu tun gehabt. 78 Kilo.» Und das sind noch lange nicht alle «Badezimmerwaagen-Kamasutra-Stellungen» ...
- Sehr persönlich. Wolf Haas erzählt von jenem magischen Moment, der in ihm den Ehrgeiz geweckt hat, kein pummeliger Junge mehr zu sein, sondern ein schlanker, junger Mann zu werden. Darin erkenne ich mich wieder. Auch ich hatte mit 13 eine ähnliche Initialzündung, als meine Mutter zu mir sagte: «Du wirst auch mal so ein Dickerchen wie ich». Neeeeeiiiiiiiiiiinnnnn. Her mit dem Salat!
Daumen runter
- Hab nichts an Wolf Haas Idealgewicht auszusetzen.
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Der Autor
Wolf Haas wurde 1960 in Maria Alm am Steinernen Meer geboren. Seine Brenner-Krimis erschienen ab 1996 in acht Bänden, zuletzt «Brennerova» (2014). Wolf Haas lebt in Wien.
Das Buch: Wolf Haas: «Junger Mann» (2018, Hoffmann und Campe)
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