Ich treffe Khaled Khalifa im Hotel Marta in Zürich. Seine erste Frage: Sie sprechen sicher arabisch. Ich verneine. Wir lachen. Meine erste Frage: Haben Sie nie den Wunsch verspürt Syrien zu verlassen? Er verneint. Seine Haltung zur aktuellen Lage ist bestimmt: «Die Diktatoren sollen gehen - nicht ich!»
Khalifa lebt in Damaskus. Er erzählt mir: Exil sei für ihn keine Option. Syrien sei seine Heimat. Und da er keine Familie habe, gäbe es für ihn keinen existentiellen Druck, das Land zu verlassen. Gleichwohl: Tod und Angst seien ständige Begleiter. Und dagegen schreibe er an. Denn Trost biete einzig die Literatur. Bücher, mit denen sich die Menschen identifizieren können und die Hoffnungsträger sind. Er sei überzeugt, dass eines Tages die Schuldigen zur Rechenschaft gezogen würden. Und diese Überzeugung schütze ihn vor aufkeimendem Hass und Rachegefühlen. Das bringt Khaled Khalifa auch in seinem Roman «Der Tod ist ein mühseliges Geschäft» zum Ausdruck.
«Der Tod ist ein mühseliges Geschäft» ist ein literarisches Roadmovie durch Syrien. Drei Geschwister bringen ihren toten Vater von Damaskus in sein Heimatdorf. In einem Minibus, auf Eisblöcken. Um ihn dort, so sein letzter Wille, zu bestatten. Doch die Reise wird für Hussain, Bulbul und Fatima zur Höllenfahrt. Es geht an Heckenschützen vorbei, zerbombten Dörfern, unzähligen Kontrollposten. Checkpoints des Regimes, der Oppositionellen, der Extremisten. Mit Männern, das Sturmgewehr im Anschlag. Uhh! Die Angst fährt den Geschwistern in die Knochen. Sie suchen Schutz in ihren Erinnerungen. Hängen ihren Gedanken nach, wie das Familienleben früher war. Doch der Verwesungsprozess ihres Vaters holt sie in die Gegenwart zurück. Der Leichnam stinkt. Er wird madig. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt und gegen den eigenen Tod, der überall lauert.
Daumen rauf
- Dieses Buch ist packend, erschütternd, beklemmend, unkonventionell, authentisch, menschlich, traurig, fröhlich, leicht, liebevoll, poetisch, klar, scharf, kritisch, wesentlich, vielschichtig, hoffnungsvoll, tröstend, identifikatorisch, tiefschürfend, fragend, zwingend - ist unvergesslich!
Daumen runter
- Nichts.
Sogar der letzte Satz hat es in sich. Bulbul, der jüngere Bruder der drei Geschwister, kehrt vom Roadtrip nach Hause zurück. Er verkriecht sich ins Bett. Und fühlt sich wie «eine Riesenratte, die in ihren kalten Bau zurückgekehrt ist, ein Wesen, das niemand braucht und dessen man sich ohne Mühe entledigen kann.» Ahhh. Wie hält man das bloss aus? Diese allgegenwärtige Angst vor dem Tod und die Erkenntnis, dass man das Kind einer verlorenen Generation ist? Khaled Khalifas Antwort darauf: «Man hält aus, weil man muss!»
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Der Autor
Khaled Khalifa wurde 1964 in Aleppo, Syrien, geboren. Er studierte Jura an der Universität Aleppo. Der Autor lebt in Damaskus. Er hat zahlreiche Drehbücher und Romane verfasst. Er wurde für den International Prize for Arabic Fiction nominiert und ausgezeichnet mit der Naguib Mahfouz Medal for Literature. «Der Tod ist ein mühseliges Geschäft» ist sein fünfter Roman und der erste in deutscher Übersetzung.
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