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Die BuchKönig bloggt Die Road-Novel «Volkswagen Blues» wärmt mein Herz

«Volkswagen Blues» von Jacques Poulin ist ein Klassiker unter den Road-Novels. Voller Wärme, liebenswürdiger Charaktere und kleiner Glücksmomente. Es geht um Freundschaft, Selbstfindung und – ich bin entzückt – um den legendären Oregon Trail.

«Volkswagen Blues» von Jacques Poulin steht in einem Autorad.
Legende: On the Road Kanada ist dieses Jahr Gastland an der Frankfurter Buchmesse. Annette König hat sich deshalb mit der frankokanadischen Literatur auseinandergesetzt und «Volkswagen Blues» von Jacques Poulin entdeckt. Die Originalausgabe erschien 1984. SRF

Jack, 40, Schriftsteller, macht sich mit einem altersschwachen Bulli auf die Suche nach seinem verschwundenen Bruder. Er bricht von Québec nach Osten auf. Ziel ist Gaspé, ein kleines kanadisches Fischerdorf am Atlantik. Dort wurde die letzte Postkarte aufgegeben, die Jack von seinem Bruder Théo erhalten hat. Fünfzehn Jahre liegt das zurück. Seither kein Lebenszeichen mehr.

Bewertung: fünf Kronen

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Auch Reisebericht und Liebesgeschichte!

Auf der Fahrt zur malerischen Bucht von Gaspé gabelt Jack eine junge Tramperin auf. Sie ist Halbindianerin und mit einer kleinen schwarzen Katze unterwegs. Ihre Freunde nennen sie wegen ihrer langen dünnen Beine «die grosse Heuschrecke». Neugierig will das Mädchen von Jack wissen, warum er sich erst jetzt auf die Suche nach seinem Bruder macht.

Jack erklärt sich. Wie er in den letzten Jahren ausschliesslich mit sich selbst und dem Schreiben beschäftigt war und dann letzte Woche, über Nacht, vierzig geworden ist. Was für ein Schlag! Das war einer von diesen Tagen, an denen man das Gefühl hat, «alles bricht zusammen… in und um einen. Dann sucht man etwas, um sich festzuhalten… Mir fiel da eben mein Bruder ein. Früher war er mein bester Freund.»

Jack und das Mädchen fahren von Gaspé quer durch Nordamerika Richtung Westen und folgen detektivisch Théos rätselhafter Spur, Sherlock Holmes und Dr. Watson gleich.

Grafik mit Reiseroute von Jack und der Grossen Heuschrecke, den beiden Protagonist*innen aus «Volkswagen Blues» von Jacques Poulin
Legende: Reiseroute In Gaspé, wo einst Kanada entdeckt worden ist, brechen Jack und das Mädchen auf zu den grossen Seen, dann den Mississippi hinunter bis nach St. Louis, folgen dem Oregon Trail, den die Siedler im 18. Jahrhundert benutzt haben, durchqueren die Great Plains, die Rocky Mountains und fahren weiter bis nach San Francisco. (Karte aus «Volkswagen Blues») SRF

Daumen rauf

  • Befreiend. Dieser Roadtrip liest sich, wie wenn ich gleich selbst in ein Wohnmobil steige und wild & free zu neuen Abenteuern losbrause.
  • Abenteuerlich. Ich begleite Jack und das Mädchen auf dem legendären Oregon Trail. Der ältesten Strasse Amerikas. Und stellt euch vor, ich war schon mal dort. Dort an der kontinentalen Wasserscheide, wo alle Sieder auf dem Weg nach Oregon und Kalifornien einst vorbeigekommen sind. Nur leider habe ich alles vergessen. Erinnere mich auch nicht mehr an die tiefen Furchen der schweren Ochsenwagen, die noch immer zu sehen sind. Howdy, war wohl zu jung. Guter Grund nochmals hinzugehen. Dieses Mal aber ausgerüstet mit Jacks Lieblingsreiseführer: «The Oregon Trail Revisited» von Gregory M. Franzwa.
  • Historisch. Der Autor setzt sich mit der Geschichte der amerikanischen Ureinwohner auseinader. Jack und das Mädchen nähern sich in ihren unterschiedlichen Positionen an. Beleuchten das Unwissen, die Missverständnisse und Vorurteile, die Gier und Gewalt, die einst zwischen Einwanderern und Natives zu schrecklichen Massakern geführt haben.
  • Ungewöhnlich. Ein so zärtliches, liebenswürdiges und ungleiches Paar wie Jack und das Mädchen ist mir noch nie begegnet. Obwohl sich die beiden noch nie zuvor gesehen haben, fühlen sie sich sofort nahe. Er ängstlich, schüchtern, höflich. Sie mutig, impulsiv, einfühlsam. Man kann von beiden viel lernen. Beispielsweise, dass man auch in einer Beziehung frei sein kann. Voraussetzung dafür: Respekt und Vertrauen.
  • Ansprechend. Ich mag die Schreibe von Jacques Poulin. Filmreife Szenen, gute Dialoge. Die Handlung ist unverkennbar in den 80er Jahren verortet. Das gibt dem Ganzen einen gewissen Retro-Touch. Der personale Erzähler, der die Geschehnisse aus der dritten Person - aus seiner und aus ihrer Perspektive - schildert, sorgt für Lese-Distanz. Ich habe das Gefühl, dass ich diesen Roadtrip nicht gelesen, sondern am TV gesehen habe. Und zwar auf einem dieser ersten Farbfernsehapparate überhaupt, mit kleinem gewölbtem Monitor und Antenne drauf.
  • Inspirierend. Das Mädchen leiht sich während der Reise in einer Bibliothek «On the Road» von Jack Kerouac aus. Und auch Jack hat diesen Beatnik-Klassiker gelesen. «Er erinnert sich an eine Reise, die einem immerwährenden Fest glich, erzählt in kraftvollen Sätzen, so lang und verschlungen wie die endlosen Strassen Amerikas.»

Daumen runter

  • I've got the Blues. Immer wenn eine Reise zu Ende geht, drückt mir das aufs Herz. Darum mein Tipp: Im Anschluss an «Volkswagen Blues» gleich noch «On the Road» von Jack Kerouac lesen. Denn damals in den fünfziger Jahren war dieser Prosa-Strassen-Sound aus Amerika was ganz Neues.

Kennt ihr noch andere Road-Novels, die man unbedingt lesen sollte? Diskutiert mit auf Facebook und Instagram Die BuchKönig bloggt

«Volkswagen Blues» von Jacques Poulin und «On the Road» von Jack Kerouac auf einer weissen Porzellan-Platte
Legende: Strasse macht hungrig. SRF

Der Autor

Jacques Poulin wurde 1937 in Saint-Gédéon-de-Beauce, Québec geboren. Er studierte Psychologie und arbeite als Übersetzer, bevor er sich ganz dem Schreiben widmete. Poulins Werk wurde mehrfach ausgezeichnet und in zahlreiche Sprachen übersetzt. «Volkswagen Blues» ist sein bekanntestes Buch und ein moderner Klassiker der frankokanadischen Literatur.

Das Buch: Jacques Poulin: «Volkswagen Blues» (Hanser, 2020)

Sämtliche Blogs von der «BuchKönig» könnt ihr hier nachlesen und den Radiobeitrag gleich unten nachhören:

Audio
BuchKönig zu Poulin
aus Audio SRF 1 vom 18.10.2020.
abspielen. Laufzeit 4 Minuten 3 Sekunden.

Annette König

SRF Literatur Redaktorin & Bloggerin

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Die Germanistin teilt in ihrem Blog «Die BuchKönig» ihre Lese-Leidenschaft mit allen, die Bücher lieben. Nebenwirkungen wie Herzklopfen, Melancholie, Heiterkeit, Verzauberung, Unbehagen und Anzeichen schwerer (Sprach)Verliebtheit sind nicht ausgeschlossen.

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