Nishino ist ein Womanizer. Single, erfolgreich, gutaussehend. Mit grossen dunklen Augen und sanfter Stimme. Eine seiner Geliebten vergleicht ihn mit einem Goldfisch im Glas, dem kein langes Leben beschieden ist. Eine andere mit einer Marimo-Alge, einer Kugel aus samtigem, grünem Moos, die einsam auf dem Grund eines Sees liegt. Einsam ist Nishino tatsächlich. Tief drin sehnt er sich nach seiner verstorbenen Schwester. Um diese Leere zu stopfen, braucht Nishino ständig einen Schwarm weiblicher Fische um sich. Frauen wie Natsumi, Shiori, Manami, Kanoko, Reiko, Subaru, Eriko, Sayuri, Ai oder Nozomi.
Nishinos Geliebte wissen voneinander. Sie spielen das mehrgleisige Liebespiel mit. Lernen Genügsamkeit wie Fische im Aquarium. Wenn ein bisschen Liebesnahrung kommt: schön, wenn nicht: weiter nicht schlimm. Und wenn die Marimo-Alge gerade alleine ist, dann nichts wie hin. Doch zu allem sind die Fischlein nicht bereit. Entbrennt eine zu Nishino in wahrer Liebe wird Schluss gemacht. Zu grausam und quälend ist das Wissen, dass Nishino niemals treu sein kann.
Daumen rauf
- Meditativ. Hiromi Kawakami ist Meisterin in der Kunst über die Liebe zu schreiben. Sie spielt mit Symbolen, Assoziationen und dem Unterbewussten. Verwebt Übersinnliches mit Alltäglichem.
- Kunstvoll. In zehn eigenständigen Kapiteln, die zusammen einen Roman bilden, erzählen zehn Frauen von ihrer Beziehung zu Nishino. Wie bei einem Puzzle setzt sich so langsam ein Bild zusammen. Ich lerne Nishino als Junge kennen, der gerne durch Kanalrohre kriecht und Mädchen küsst. Als Student, der von einem Bett zum nächsten hüpft. Als stürmischen Liebhaber, der seine Vorgesetzte auf den Konferenztisch drückt und ihr die Bluse aufknöpft. Als Hobbykoch, der in einem Kurs für energiesparendes Kochen eine verheiratete Frau vernascht. Und als reifen Mann, der sterben möchte mit seiner jungen Geliebten, die aber null Bock darauf hat.
- Rätselhaft. Bis zum Schluss weiss ich nicht, was ich von Nishino, der samtigen Marimo-Alge, halten soll. Diesem japanischen Frauenflüsterer, der das weibliche Geschlecht mit zarter Erotik - «ohne Waffen, ohne Zähne, ohne Klauen» - fügsam macht. «Ein Mann, der die Wünsche einer Frau erraten konnte, ohne dass sie selbst davon wusste, denn er war in der Lage, aus ihrem Inneren zu schöpfen.» Huch.
- Faszinierend. Ich erfahre viel über Essen, Lebensgewohnheiten, Geschlechterrollen, Beziehungsmuster, Symbole und Rituale in Japan.
- Minimalistisch. Kawakami schreibt in einer schlichten, klaren, reduzierten, fliessenden Sprache. Die Gefühle ihrer Figuren bringt sie mit wenigen Worten zum Ausdruck. Diese Fähigkeit spricht Bände.
- Zeitgemäss. «Die zehn Lieben von Nishino» ist ein Buch über die Flüchtigkeit moderner Liebe. Über Individualität, Bindungsangst und One-Night Stands.
Daumen runter
Blubb Blubb...
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Die Autorin
Hiromi Kawakami ist 1958 in Tokio geboren. Sie hat Naturwissenschaften studiert und Biologie unterrichtet, bevor sie mit dem Schreiben begann. Heute zählt sie zu den populärsten Schrifstellerinnen Japans. Bei Hanser erschienen die Romane «Der Himmel ist blau, die Erde ist weiss» (2008), «Herr Nakano und die Frauen» (2009), «Am Meer ist es wärmer» (2010) und «Bis nächtes Jahr im Frühling» (2013).
Das Buch: Hiromi Kawakami: «Die zehn Lieben von Nishino» (2019, Hanser)
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