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Die BuchKönig bloggt Diese «Lästige Liebe» belastet mich!

Elena Ferrantes Debütroman «Lästige Liebe» lastet schwer auf mir. Hier wird nichts in Cellophan verpackt. Alles ist roh, hart, nackt, brutal. Ein verstörend guter Psychothriller über Liebe, Hass und Eifersucht in einer Mutter-Tochter-Beziehung.

Delia ist Comiczeichnerin, 45, lebt in Rom. Ihrer Heimatstadt Neapel hat sie den Rücken gekehrt. Nichts soll sie mehr an ihre grauenhafte Kindheit und Jugend erinnern. An die verbalen Obszönitäten zwischen Mutter und Vater, an den vulgären Dialekt, an die rohe Gewalt zu Hause und auf der Strasse. An die sexuellen Belästigungen. Dieses Gegrapsche im Bus, in der Funicolare, in engen Strassen und dunklen Unterführungen.

Bewertung: fünf Kronen

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Bedrückend und tiefsinnig - ein psychologisches Meisterwerk.

Doch dann holt die Vergangenheit Delia ein. Sie erhält einen wirren Anruf von ihrer Mutter, der abrupt abbricht. Diese hat zwei Tage zuvor den Zug von Neapel nach Rom zu Delia genommen. Ist dort aber nie angekommen. Tags darauf wird ihre Leiche gefunden. Nackt. Nur mit einem neuen BH bekleidet, aus einem teuren neapolitanischen Dessousgeschäft.

«Meine Mutter ertrank in der Nacht des 23. Mai, an meinem Geburtstag, im Meer vor einem Ort namens Spaccavento, wenige Kilometer von Minturno entfernt.»

Zur Beerdigung kehrt Delia zurück nach Neapel und bleibt. Sie will wissen, warum Amalia sterben musste. Einziger Anhaltspunkt dafür ist der neue BH der Marke Vossi und ein Koffer voller Dessous, den sie in Amalias Wohnung vorfindet. Doch die Wahrheit, die im Geschäft der Vossi-Schwestern – zwischen Negligés, sexy Slips, Spitzen-BH's und seidenen Nachthemden – aufblitzt, ist verhängnisvoll.

Zeichnung mit Koffer, aus dem Dessous quellen
Legende: Geheimnisträger: Dessous der Marke Vossi Im Koffer «nichts, was, soweit ich wusste, meiner Mutter gehört hatte. Alles war brandneu: ein Paar rosa Pantoffeln, ein Satinmorgenrock, zwei ungetragene Kleider, eines in Rostrot, zu eng und zu jugendlich für sie, fünf edle Slips, ein Kosmetikkoffer voller Schminkzeug: für sie, die sich in ihrem Leben nicht geschminkt hatte.» SRF

Daumen rauf

  • Dio mio, was für ein Debüt! Alles, was im Kern Elena Ferrantes Schreiben und ihre Neapel-Saga ausmacht, ist hier schon enthalten. Nur direkter, unkonfektionierter. Ihr Ziel ist nicht, einem Massenpublikum zu gefallen. Sie will einer von Hass und Eifersucht zerfressenen Mutter-Tochter-Beziehung auf den Grund gehen und schönt dabei nichts.
  • Fesselnder Psychothriller! Grandios gebaut. Was Delia am Ende erkennt, ist schockant.
  • Verstörend! Wie da eine Tochter ihre Mutter hasst. Ich verrate nur: All das ist aus dem Leben gegriffen. Insbesondere die Frage von Schuld und Sühne ist ungemein beängstigend.
  • Echte Neapel-Szenerie! Dreckig, lärmig. Ich renne mit der verzweifelten Delia durch die Innenstadt. Sie im rostroten Negligé. Verletzlich. Die Augen von Mascara verschmiert. Ich wie ein Bodygard neben ihr, zu allem bereit. Eben sind wir bei den Vossi-Schwestern dem lästigen Liebhaber von Amalia begegnet. Caserta! Dieses Drecksschwein. Er war der Letzte, der Amalia lebendig gesehen hat.
  • Bruch mit Tabus! Ferrante redet Klartext über häusliche Gewalt, Missbrauch und Frauentötung. Sie gibt mir einen tiefen Einblick in eine patriarchale, verrohte und skrupellose Gesellschaft. Eine Gesellschaft, die noch immer existiert. Laut inoffiziellen Statistiken wird in Italien an jedem 3. Tag eine Frau ermordet. In seinem Buch «Erklär mir Italien» berichtet auch Roberto Saviano davon.

Daumen runter

  • Ultima parola! Ein, zwei umständlich formulierte Sätze, mehr nicht.

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«Lästige Liebe» liegt auf einem Teller, Messer und Gabel darüber
Legende: Annette König hat «Lästige Liebe» wie ein blutiges Bistecca verschlungen. SRF

Die Autorin

Elena Ferrante hat sich mit dem Erscheinen ihres Debütromans «Lästige Liebe» im Jahr 1992 für ein Pseudonym und die Anonymität entschieden. Jetzt ist das Buch in einer neuen Übersetzung von Karin Krieger bei Suhrkamp erschienen. Die Autorin ist wegen ihrer vierbändigen Neapolitanischen Saga weltberühmt geworden.

Das Buch: Elena Ferrante: «Lästige Liebe» (2018, Suhrkamp)

Sämtliche Blogs von der «BuchKönig» könnt ihr hier nachlesen. Und die «BuchBar» hier nachhören:

Audio
BuchBar zu Ferrante
aus BuchZeichen vom 20.11.2018.
abspielen. Laufzeit 4 Minuten 40 Sekunden.

Annette König

SRF Literatur Redaktorin & Bloggerin

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Die Germanistin teilt in ihrem Blog «Die BuchKönig» ihre Lese-Leidenschaft mit allen, die Bücher lieben. Nebenwirkungen wie Herzklopfen, Melancholie, Heiterkeit, Verzauberung, Unbehagen und Anzeichen schwerer (Sprach)Verliebtheit sind nicht ausgeschlossen.

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