Commissario Montalbano ist ein attraktiver Mann. Obwohl er schon etwas in den Jahren ist. Er ist mit einer Norditalienerin aus Genua verlobt. Seit fast dreissig Jahren. Dio Mio. Doch weil er Gezänk nicht mag, umso mehr aber schöne Frauen, lebt er allein. In einem Haus am Meer. Herrlich gelegen. Am Morgen geht er als erstes schwimmen, dann trinkt er seinen Kaffee und mag es gar nicht, bei diesem Morgenritual gestört zu werden:
Da! War es das Schrillen des Telefons? Er beschloss abzuheben. Aber genau in dem Moment, als seine rechte Hand nach dem Hörer tastete, griff seine linke Hand - eigenmächtig und ohne dass jemand es ihr befohlen hatte - nach dem Telefonstecker und zog in aus der Buchse. Montalbano schaute verdutzt auf seine Hand. Wohl wahr, er hatte keine Lust, der Stimme Catarellas zu lauschen, die ihm den Mord des Tages verkünden würde.
Der Mord des Tages aber lässt nicht auf sich warten. Der Geschäftsführer eines Supermarkts wird tot aufgefunden. Wenig später die Geliebte eines einflussreichen Lokalpolitikers. Montalbano kombiniert schnell. Da ist die Mafia im Spiel. Und gegen die vorzugehen ist gefährlich. Gleichwohl: Montalbano hat schon einen Plan, wie er die eiskalten Mörder in die Falle locken kann.
Daumen rauf
- Entspannende Ferienlektüre. Alleine schon Montalbanos Vorliebe für Fisch- und Meeresgerichte versetzt mich in Ferienstimmung: «Zum Mittagessen fuhr Montalbano in sein Stammlokal. Keiner seiner Wünsche blieb offen. Antipasto di mare, Spaghetti con vongole e cozze, gebratene Calamari und Gamberoni, Wein, kein Wasser und schliesslich ein Espresso. Als er die Trattoria verliess, wusste er, dass der Spaziergang auf die Mole unerlässlich war, wenn er überleben wollte.» Mhmmmm. Und für mich per favore noch ein gelato pistacchio!
- Ungewöhnlich. Commissario Montalbano überrascht mich mit seinen unkonventionellen Ermittlungsmethoden. Beispielsweise, wenn er mit verstellter Stimme Verdächtige anruft, um ihnen ein Geständnis abzuringen... Aber Stimme allein reicht nicht. Montalbano braucht dazu noch die passenden Utensilien: eine Wäscheklammer, ein Stück Brot, etwas Watte und einen Verband aus dem Erste-Hilfe-Koffer. Curioso?
- Wagemutig. Da ist mal einer mit Mumm in den Knochen. Keiner, der nur delegiert oder etwas versanden lässt, weil er sich hilflos fühlt: «Sein Vorhaben war gewiss nicht ehrenhaft. Aber wie sollte man Scheisse aus dem Weg räumen, wenn man keine Schaufel und keine Tüte dabeihatte? Es ging nicht, ohne dass man sich die Hände schmutzig machte».
- Schwarzer Humor. Zwischen den Zeilen mokiert sich Andrea Camilleri über die Zustände in seinem Heimatland. Schreibt über Korruption und Mafia. Sein Krimi liest sich daher auch als leicht bissige Gesellschaftsanalyse. Das ist unterhaltsam und aufschlussreich. Es gibt eine Szene, in der Montalbano von einem Rowdy fast über den Haufen gefahren wird: «Was war eigentlich los in diesem Land? Es schien, als wären seine Bewohner in ihrer Entwicklung um Jahrtausende zurückgefallen. Vielleicht trugen sie unter ihrer Kleidung das Schaffell der Neandertaler.»
- Unvergessliche Szene. Commissario Montalbano kriegt einen Tintenfisch geschenkt. Während er in der Küche Kaffee kocht, fühlt er sich plötzlich bedroht. Er spürt zwei Augen, die sich in seinen Rücken bohren. Montalbano reagiert sofort. Packt das Küchenmesser, schleudert sich herum. Wirft. Stösst dabei gegen den Gasherd, die Espressokanne kippt um. Kaffeespritzer vebrühen ihm den Rücken. Brüllend rennt er aus der Küche, panisch vor Angst. Denn neben dem Spülbecken hat sich der Tintenfisch mit seinen Tentakeln festgekrallt. Ein riesengrosses Ungeheuer, das ihn böse anschaut. Aaaaiiiiieeee.
Daumen runter
- Grundsätzlich habe ich ein gespaltenes Verhältnis zu italienischen Commissarios. Wer mich kennt, weiss: Bei Collega Brunetti aus Venedig langweile ich mich mittlerweile zu Tode. Ob mir dasselbe auch bei Commissario Montalbano passiert? Denn es gibt vom ihm noch 19 andere Fälle zu entdecken!
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Der Autor
Andrea Camilleri, geboren 1925 in Sizilien, begeistert mit seinem vielfach ausgezeichneten Werk ein Millionenpublikum. Dazu gehören Romane, Drehbücher, Theaterstücke. Seine erfolgreichste Romanfigur ist der sizilianische Commissario Montalbano, den er nach dem spanischen Schriftsteller Manuel Vázquez Montalbán benannte. Die Kriminalromane mit Commissario Montalbano haben Camilleri international bekannt gemacht.
Das Buch: Andrea Camilleri: «Eine Stimme in der Nacht» (2018, Lübbe).
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