«Folgendes ist eine nach bestem Wissen und Gewissen verfasste, wahrheitsgetreue Darstellung meiner Rolle in der britischen Operation mit dem Codenamen WINDFALL, die Ende der fünfziger, Anfang der sechziger Jahre gegen das ostdeutsche Ministerium für Staatssicherheit (STASI) geführt wurde und mit dem Tod des besten britischen Geheimagenten und der unschuldigen Frau endete, für die er sein Leben liess.»
So beginnt «Das Vermächtnis der Spione». Ring, Ring: Klingelt da nicht was? Operation Windfall, STASI, Tod des besten britischen Agenten? Na klar. John le Carré knüpft in seinem neuen Buch an die Ereignisse aus seinem Weltbestseller «Der Spion, der aus der Kälte kam» an. Es ist die direkte Fortsetzung davon, fünfzig Jahre später geschrieben. Ich-Erzähler ist der ehemalige Geheimagent Peter Guillam. Er hat den Geheimdienst satt. Ist pensioniert und lebt zurückgezogen auf einem Bauernhof in der Bretagne. Bis zu dem Tag, als der Secret Service ihn wieder nach London beordert. Offenbar hat der Sohn von Alec Leamas eine Anklage gegen den britischen Geheimdienst erhoben, weil dieser damals seinen Vater umgebracht haben soll.
Daumen rauf
- «Das Vermächtnis der Spione» liest sich packend. Ich habe das Gefühl: Jetzt endlich erfahre ich, was damals in «Der Spion, der aus der Kälte kam» passiert ist. Als Leamas im Auftrag von Smiley nach Ost-Deutschland gegangen ist, um einen Doppelagenten zu enttarnen. Und dann zusammen mit seiner Geliebten an der Berliner Mauer umgekommen ist. Doch diese Wahrheit entpuppt sich als Täuschung. Wie das John le Carré macht ist meisterhaft. Hut ab!
- Man könnte meinen, Agententhriller lutschten sich mal ab. Und Fortsetzungen erst recht. Nicht hier. John le Carré spinnt die Geschichte originell weiter. Da gibt's keine Reprisen, nur überraschende Momente.
- John le Carré erzählt authentisch. Er führt mir vor Augen, was es bedeutet, ein Leben als Spion unter falscher Identität zu führen: Man ist nie echt. Man lügt, betrügt, bringt um. Da gibt’s keine «glory» wie in den James-Bond-Filmen. Seine Figuren sind verbitterte und einsame Anti-Helden. Schluchz.
- Interessant, wie hier le Carré Parallelen zu seinem Leben zieht. Ich kenne seine Biografie «Der Taubentunnel» und seinen autobiografischsten Roman «Ein blendender Spion. Und da sieht man, dass Carrés Spione immer auch sein Alter Ego sind. Das gilt auch für «Das Vermächtnis der Spione». Am Ende des Romans gibt’s eine Stelle an der George Smiley in rotem Pullover und gelben Cordhosen auftritt. Da wird klar: George Smiley ist John le Carré. Aha.
- «Das Vermächtnis der Spione» ist ein Abschiedsroman. Der Autor beweist darin vielleicht ein letztes Mal, dass er ein Meister des Spionage-Genres ist. Grossartig, wie er dabei an den «Spion, der aus der Kälte kam» anknüpft. Damit schliesst er den Kreis. Toller Abgang, stimmt mich traurig. Schnief.
Daumen runter
Um dieses Buch zu lesen, muss man den ersten Teil von 1963 nicht zwingend gelesen haben. Aber es macht einfach mehr Spass, weil die Geschichte durch dieses Vorwissen mehr Tiefe kriegt.
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Der Autor
John le Carré, 1931 geboren, studierte in Bern und Oxford. Er war Lehrer in Eton und arbeitete während des Kalten Kriegs kurze Zeit für den britischen Geheimdienst. Seit nunmehr über fünfzig Jahren ist das Schreiben sein Beruf. Er lebt in London und Cornwall.
Das Buch: John le Carré: «Das Vermächtnis der Spione» (2017, Ullstein)
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