West-Berlin, 25. Oktober 1968: In einer Laube wird eine junge Frau umgebracht, im Auto zum Wannsee gekarrt und drei Tage später im Strandbad angeschwemmt. Kriminalkommissar Heller, im Einsatz bei «Ho-Ho-Ho-Chi-Minh» skandierenden Studenten, wird von seinem Chef hingeschickt.
Das Opfer, Heidi Gent, hat für einen linken Anwalt gearbeitet. Der vermeintliche Täter, ihr Mann, stirbt in Untersuchungshaft. Heller wird vom Fall zurückgepfiffen. Offenbar hängt da die Stasi mit drin. Schönes Schlamassel. Aber Heller ist kein Muckefuck-Trinker. Vor Nazi-Seilschaften und Stasi-Agenten in der Chefetage hat er keine Angst. Die Karriere bei der Kripo ist ihm schnurzpiepegal. Er will den wahren Mörder überführen.
Daumen rauf
- Spassfaktor garantiert. Dieser Mix aus History, Kalter Krieg, Action, Crime, Spionage- und Liebesgeschichte ist voll mein Ding. Das Autorentrio Lutz Wilhelm Kellerhoff kann recherchieren und schreiben!
- Intensive Zeitreise. Ich tauche ein in die komplexe Situation in Berlin 1968. Nur zwei Jahrzehnte liegt der 2. Weltkrieg zurück. Die Berliner Mauer ist noch ganz frisch. Die junge Generation will sich von der Last der Geschichte, vom Staat und Establishment, vom Kleinbürgertum und Elternhaus befreien. Und die Frauen suchen einen eigenen Weg und Unabhängigkeit. Wie zum Beispiel Louise: Sie ist Amerikanerin lebt in der Wielandkommune. Sie schwärmt für den politischen Kampf. Kann aber mit der «intellektuellen Wichserei», den geschraubten, ideologischen Reden ihrer Kommilitone nichts anfangen. Besonders dann nicht, wenn in der WG noch immer die Devise gilt: Frauen machen das Nest und Männer verändern die Welt. Alles «Chauvis», findet Louise. Egal ob da, «hinter einer riesigen Stirn, die gesammelten Werke des Marxismus-Leninismus abgespeichert sind».
- Interessante und lebensechte Figuren. Besonders von Wolf Heller bin ich angetan. Ein Einsiedlerwolf, 32 Jahre alt. Hart und einfühlsam. Die Frauen stehen auf ihn. Die Linksradikalen weniger. Die sehen ihn als Faschist, weil er Polizist ist. Solche Vorurteile machen ihn kritisch. Besonders gegenüber dem, was auf der Strasse abgeht. Und dann ist da auch Hellers Vater: ein Alt-Nazi. Einer, der mit unbändiger Verachtung über Juden, Prostituierte, Engländer, Franzosen und Schwarze herzieht. «Verschlossen, selbstgerecht, mit bitterem Spott als Rüstung.»
Daumen runter
Ick hab nüscht auszusetzen. Einzig noch etwas mehr Berliner Schnauze und etwas mehr blutiger Hackepeter hätte sein dürfen.
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Die Autoren
Lutz Wilhelm Kellerhoff ist ein Autorenkollektiv. Martin Lutz (1969) und Sven Felix Kellerhoff (1971) arbeiten als Journalisten. Uwe Wilhelm (1957) ist Drehbuchautor und Schrifsteller. Kriminalität, Geschichte und Geschichten sind schon seit Jahren ihre Passion. Alle drei leben in Berlin.
Das Buch: Lutz Wilhelm Kellerhoff: «Die Tote im Wannsee» (2018, Ullstein)
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