Noëmi Lerch lebt in einem kleinen Tessiner Dorf Aquila auf einem Bauernhof. Nicht erstaunlich also, dass auch ihr zweiter Roman «Grit» vom Leben einer Bäuerin handelt. Sie heisst Wanda. Und lebt mit ihrer Mutter Grit in einer düsteren, abgelegenen Hütte. Zwei starke Frauen, die aber eine schwierige Beziehung zueinander haben. Früher war die Mutter erfolgreich. Hat Karriere gemacht und den Hof verlassen. Dann: plötzlich das Burnout. Die Rückkehr.
«Grit. Wann hatte sie angefangen, so klein zu werden. Es gab Zeiten, da war sie so klein, dass Wanda fürchtete, ihre Mutter würde plötzlich verschwinden und all die Rätsel, die ihr Leben mit dem ihrigen verbanden, ungelöst und unwiederbringlich mit sich nehmen.»
Tochter Wanda managt den Hof. Sorgt für Kinder und Mutter. Ihr Mann ist Schafhirte. Monatelang unterwegs und keine Hilfe.
Ist das Empanzipation? Sehen Frauen von heute so ihre Rolle? Lerch will kein politisches Statement mit ihrem Buch machen. Aber ja, die heutige Zeit verlangt sehr viel ab von den Frauen.
Daumen rauf
- Das ist Futter für Sprachjunkies. «Grit zieht Pfeife und Tabakbeutel aus ihrem Mantel. Stopft die Pfeife. Zündet sie an. Ihr Gesicht im Rauch. Sie schliesst die Augen, sagt, schau. Ich sehe was, was du nicht siehst und das ist blau.» Supersprache - rhythmisch und reduziert.
- «Grit» ist keine verklärte Heimatliteratur. «Grit» hat Bodenhaftung. Es geht um die Frage, was Frauen heute alles leisten. Wanda, die Selfmade Woman, die alles auf die Reihe kriegt. Die Frage ist nur wie lange.
- Noëmi Lerch ist die Bibi Blocksberg unter den Jungautorinnen. Bitte mit der Sprache weiterzaubern!
Daumen runter
- Sprache kommt hier vor der Handlung. Das bremst die Geschichte aus.
- Grit und Wanda sind unscharf gezeichnet. Error. Identifikation schwierig.
- Bei dieser Story verliere ich die zeitliche Orientierung. Sie spielt während zweier Tage und Nächte, in denen Grit und Wanda entweder zu sich oder zueinander sprechen. Aber ich muss mir das beim Lesen zusammenreimen.
- Der Text hat einen mythischen Unterton. Und lässt vieles in der Schwebe. Erinnert mich das nicht an Texte von SchülerInnen des Schweizerischen Literaturinstituts? Da ist oft die Sprache stark. Aber der Inhalt schwach. Ich will mehr Fleisch am Knochen. Sprache und ein schöner Klang reichen nicht für eine gute Geschichte.
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Die Autorin
Noëmi Lerch ist 1987 geboren und in der Region Baden aufgewachsen. Sie hat am Literaturinstitut in Biel und an der Universität Lausanne studiert. Heute lebt sie in Aquila im Tessin. «Grit» ist ihr zweiter Roman. Ihr Debüt «Die Pürin» ist 2015 erschienen und wurde mit dem Terra-Nova-Schillerpreis für Literatur ausgezeichnet.