«Tage ohne Ende» von Sebastian Barry
Missouri 1851. Thomas Mc Nulty, 17, meldet sich freiwillig zur Armee. Sein bester Freund John Cole ist mit von der Partie. Kennengelernt haben sich die beiden vor zwei Jahren. Da waren sie noch Kinder, die überleben mussten. In einem Saloon für hart arbeitende Bergleute sind sie in Frauenkleidern als tanzende Mädchen aufgetreten. «Nur tanzen, nicht küssen, nicht schmusen, nicht fummeln oder knutschen» war erlaubt.
Als dann die Kleider zu knapp und die Jungs junge Männer wurden, gings ab zum Militär. «Denn wenn du in Amerika nicht arbeitest für deine paar Dollar, dann musst du hungern, diese Lektion hatte ich gelernt.»
Thomas' Lebensbericht raubt mir den Atem. Fassungslos lese ich, wie die Freunde in den Strudel von Gewalt und Zerstörung geraten und im Krieg gegen die Indianer und gegen die Südstaatler zu mordenden Gespenstern werden.
Dieser Western ist rau, kraftvoll, episch. Er wirft ein Schlaglicht auf Amerikas Entstehungsgeschichte. Und auch wenn sich der «American Dream» der Pionierzeit als schrecklicher Albtraum entpuppt, gibt es für Barrys schwule Helden gleichwohl einen Schimmer Hoffnung am Horizont.
«Butcher’s Crossing» von John Williams
Butcher’s Crossing 1870. William Andrews, 20, Studienabbrecher, will in der Wildheit von Kansas zu sich selbst finden. «Es ging ihm um Freiheit und das Gute, um Hoffnung und eine Lebenskraft, die allem Altbekannten in seinem Leben zu unterliegen schien, das weder frei noch gut oder lebendig war.»
Zusammen mit einem Büffeljäger, einem Häuter und einem Mann fürs Lager macht sich William Andrews auf in die Berge Colorados. In den Rocky Mountains stösst die Truppe auf eine riesige Herde. Der Büffeljäger macht in seiner Zerstörungswut fast alle Tiere kalt. Tagelang schiesst er Tier um Tier, bis er Blasen an den Händen hat.
Als vorzeitig der Winter einbricht und sie eingeschneit werden, ist das idyllische Hochtal mit 5000 stinkenden Büffel-Kadavern übersät. Die Jagd ist nun zu Ende, doch die grösste Herausforderung steht noch bevor. Bis die Felle nach Butcher’s Crossing gebracht werden können, müssen Thomas und seine Leute erst den Winter in den Bergen überstehen.
Dieser Western ist (natur-)gewaltig. Herb, tragisch, schön. Er relativiert vieles und führt einem die eigene Bedeutungslosigkeit vor Augen. Ein erbarmungsloses Lehrstück über Eitelkeit und Gier, die Menschenwürde zerstört und die Romanfiguren zum Scheitern verurteilt. Eindringliches Beispiel dafür ist die blinde Vernichtungswut des Büffeljägers. Ob es wenigstens für Williams' jungen Helden einen Hauch von Hoffnung gibt?
«Die Sisters Brothers» von Patrick deWitt
Oregon City 1851. Charlie und Eli sind Brüder. Sie arbeiten als Auftragskiller für den Kommodore. In der Gegend sind sie berüchtigt. Wo sie auftauchen knallts, und das Blut spritzt wie in einem Tarantino-Film.
Eines Tages erhalten sie den Auftrag, sich nach Kalifornien aufzumachen. Dort sollen sie Hermann Kermit Warm aufspüren. Er ist Chemiker und hat ein geheimnisvolles Verfahren entwickelt, mit dem sich kinderleicht Gold aus dem Fluss waschen lässt. Charlie und Eli reisen durch ein vom Goldrausch geprägtes Land.
Auf ihrem Trip gen Westen lernen sich die Brüder besser kennen. Charlie ist ein Draufgänger und Revolverheld. Eli ein Grübler mit weichem Kern. Als sich dann die Ereignisse in San Francisco überraschend überstürzen, beginnen die beiden an ihrem Beruf zu zweifeln.
Dieser Western nimmt sich gleich selbst auf die Schippe. Hier wird mit Western-Klischees gespielt. Das ist witzig. Und wenn einem zwei solche Maniacs ans Herz wachsen, die am Ende geläutert Zuflucht im Schosse ihrer Mutter suchen, dann will das was heissen...
«Herzland» von Téa Obreht
Arizona-Territorium 1893. Nora, 37, lebt auf einer abgelegenen Ranch. Seit Monaten Dürre. Ihr Mann Emmett ist vor Tagen aufgebrochen, um Wasser zu holen, und noch immer nicht zurück. Und auch ihre Söhne sind weg.
Nora denkt an gestern Abend, an den grossen Streit. Die Jungs haben ihr Vorwürfe gemacht, weil sie vermuten, dass Emmett etwas passiert sein könnte wegen ihrem Leserbrief in der Zeitung. Darin tritt sie dem lokalen Rinderkönig kräftig ans Bein. Ob Emmett, der Zeitungsverleger ist, deswegen etwas zugestossen sein könnte? Nora beginnt, um die Leben ihrer Liebsten zu fürchten.
Dieser Western liest sich wie 15 Stunden im Sattel, ohne Wasser. Glutheiss, staubtrocken, beinhart. Ich fühle mich wie eine echte Pionierin und weiss nun, was es heisst, eine Frau im Wilden Westen zu sein.
Welche Western findet ihr sonst noch gut? Diskutiert mit auf Facebook und Instagram Die BuchKönig bloggt.
Die Bücherliste
- Sebastian Barry: «Tage ohne Ende» (Steidl Pocket, 2020)
- John Williams: «Butcher’s Crossing» (dtv, 2017)
- Patrick deWitt: «Die Sisters Brothers» (Goldmann, 2013)
- Téa Obreht: «Herzland» (Rowohlt, 2020)