Virginia in den 60er Jahren. Peggy, 17, lesbisch, träumt davon Theaterautorin zu werden. Um ihrem Traum näher zu kommen und sich sexuell endlich freizufühlen, geht sie auf das Stillwater Frauencollege. Ein Mekka für Lesben. Dort trifft sie auf den schwulen Dichter und Englischprofessor Lee Fleming. Die beiden verlieben sich. Eine Lesbe und ein Schwuler? Ja, das kann passieren. Peggy wird schwanger, fliegt von der Schule. Weil sie sich mit dem Lehrer eingelassen hat. So viel zu den Machtstrukturen.
Aber Lee ist ein Gentleman. Er zeigt sich verantwortungsvoll: «Als Mann ging er nicht davon aus, dass unangenehme Pflichten auf ihn zukämen.» Er heiratet Peggy. Sie kriegen einen Sohn, später dann noch eine Tochter. Zehn Jahre fristet die junge Frau ein Schattendasein. «Für eine Lesbe bedeutete Lees Haus einen kalten Entzug. Es konnten Monate vergehen, ohne dass man eine Frau zu Gesicht bekam.» Als ihr Göttergatte vor ihren Augen mit einem Jungen herumvögelt, hat Peggy genug. Sie verlässt Lee und ihren Sohn. Entführt ihre kleine Tochter und taucht mit ihr im Süden Virginias unter. Wie Peggy das bewerkstelligt ist das reinste Abenteuer! Mit einer ergaunerten Geburtsurkunde eines toten kleinen Mädchens namens Karen Brown gibt Peggy sich und ihre Tochter als Schwarze aus. Wenn das nur gut kommt!
Daumen rauf
- Knusprig & süss. Dieser Roman ist Gesellschaftssatire, Abenteuerroman, Versteckspiel, Emanzipationsgeschichte & Lovestory. Es ist aufregend, Nell Zinks Romanfiguren zuzusehen, wie sie sich durchs Leben kämpfen, wie sie mit ihren Lebenslügen umgehen. Und am Ende – oh süsses Happy End – zueinander und zu sich selbst finden.
- Bissig. Ich liebe Nell Zinks Sarkasmus! In jeden Satz findet man ihn. Beispielsweise wenn die Autorin erklärt, warum Peggy als blonde Schwarze durchgehen kann: «War nur einer deiner Vorfahren schwarz – und sei es irgendwann in den Tiefen der Weltgeschichte, angefangen bei Noahs Sohn Ham –, dann warst du es auch. Megs derbe Locken und die langen Fersen waren für den Kenner ein untrügliches Zeichen.»
- Doppelbödig. Nell Zink nimmt mit scharfer Zunge die Widersprüche der amerikanischen Gesellschaft aufs Korn. Macht klar, dass es mit Toleranz und Gerechtigkeit nicht weit her ist. Eine Szene illustriert das besonders gut. Sie beschreibt, warum die schwarze Peggy bei den Weissen so beliebt ist: «Sie war so charmant und zugänglich! Eine natürliche Botschafterin, der seit kurzem im Aufstieg begriffenen gebildeten schwarzen Mittelklasse. Ein Oreo, aussen schwarz, innen weiss». Oder dann die Szene, in der wir erfahren, wie Lees Vater zur Homosexualität seines Sohnes steht: «Sein Vater legte ihm nahe, an einen entlegenen Ort zu ziehen. Auf vor Zutritt geschütztem Eigentum kann man schwul wie ein Rudel Friseure sein. Lees Vater war Pessimist. Er stellte sich muskelbepackte Hilfsarbeiter vor, die mit Lee schlimme Sachen machten, und er wollte nicht, dass Passanten die Schreie hörten.»
Daumen runter
- Sehr kalorienreich. Ich habe eben die Nährwertangaben auf der Oreo-Packung studiert: 100g haben 480 Kalorien. Eine Packung à 16 Guetzli wiegt 176g. Ich habe während der Lektüre 64 Guetzli vertilgt. Rülps. 3'379.2 Kalorien. Oh my gosssshhhhhhhhh!
Wie viele Oreos schafft ihr aufs Mal? Diskutiert mit auf Instagram oder Facebook «Die BuchKönig bloggt».
Die Autorin
Nell Zink wurde 1964 in Kalifornien geboren. Sie wuchs im ländlichen Virginia auf. Sie studierte Philosophie und promovierte in Medienwissenschaft an der Universität Tübingen. Sie lebt in Bad Belzig, südlich von Berlin. «Virginia» ist ihr zweiter Roman. Er wurde für den renommierten National Book Award nominiert.
Das Buch: Nell Zink: «Virginia» (Rowohlt, 2019)
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