Tom sitzt im Pub vor seinem Bier. Er löst ein Kreuzworträtsel im «Guardian». Louise kommt rein. «Hey», sagt sie. «Oh. Hi», sagt er. Sie setzt sich zu ihm an den Tisch. Er hat für sie schon ein Glas Wein geholt. Die beiden sind nervös. In wenigen Minuten gehts zum ersten Mal in die Paartherapie, im Reihenhaus gegenüber. Louise hat das eingefädelt. Sie will ihre Ehe retten.
Die Affäre mit Matthew war ein Fehler gewesen. Der eigentliche Fehltritt, drei Mal wiederholt. Tom ist verletzt und gibt ihr die Schuld. Dabei hat er, Tom, nicht mehr mit ihr geschlafen, deshalb hat sie mit jemand anderem geschlafen. Das ist Louises Version.
Was?! Eine Therapeutin? Als Tom das von Lousie erfährt, kriegt er das Muffensausen. Bei einem Mann hätte er zwar nicht über Intimes sprechen können. Aber bei einer Frau! Da wird er geschlachtet. Wegen Feminismus: «Ich weiss, du hattest die Affäre. Aber es wird sich zeigen, dass es meine Schuld ist. Wegen mildernden Umständen. Nicht bloss mein … unser … du weisst schon, die Sache mit dem Sex. Nein, sie wird herausfinden, dass du das ganze Geld verdienst und auch noch meistens kochst, obwohl du zur Arbeit gehst und ich nicht, und dass du den ganzen Organisationskram machst, und … sie wird dir einfach einen Blankoscheck ausstellen. Na los, Louise. Gönn dir was.»
Tom spurtet los. Rennt so schnell, als müsste er einen Bus kriegen, und verschwindet um die Ecke. Ob er den Mut aufbringt, doch noch bei Therapeutin Kenyon Long aufzutauchen?
Daumen rauf
- Cool. Nick Hornby verhandelt die Ehekrise von Tom und Louise an einem genialen Ort: im Pub. Die beiden treffen sich dort vor jeder Sitzung, zehn Wochen lang. Unter der Woche kommunizieren sie nur via SMS. Dafür knistert es umso mehr bei ihren wöchentlichen Treffen bei Wein und Bier.
- Funny. Im Pub ziehen die beiden so richtig übereinander her. Hier gilt kein Subtext mehr. In schlagfertigem Frage-Antwort-Spiel, mit kleineren Handgreiflichkeiten und viel Situationskomik wird zur Sprache gebracht, was in der Therapie nur angedeutet oder unter den Teppich gekehrt wird. Hornby beschreibt diese Szenen mit unvergleichlichem Humor. Zum Krummlachen. Gerade weil einem so viel vertraut vorkommt.
- Crazy. Mit was allem Nick Hornby die Ehe von Tom und Louise vergleicht: mit Krebsgeschwür, Ebola, Brexit, Spitzensport, Marathon, Usain Bolt mit Leistenzerrung. Hahaha.
- Loving. Nick Hornby zeichnet seine Figuren mit Liebe und Respekt. Ich nehme für keine Partei, erkenne mich sowohl in Tom als auch Louise wieder. Tom, 44, ist Musikkritiker. Eigentlich sollte er schon längst an seiner nächsten Bio schreiben, doch der Antrieb fehlt. Den ganzen Tag sitzt er im Pyjama zu Hause, während Louise, 40, beruflich auf Zack, sich um alte Menschen kümmert. Irgendwie sind beide unterschiedlich gealtert. Für Louise ist vierzig wie dreissig, nur dass man häufiger ins Fitnessstudio gehen muss. Und für Tom sind seine 44 wie 65, bloss dass er junge Kinder und keine Zukunftsvisionen mehr hat. Don't give up, Tommy!
- Smart. Man möchte meinen, Nick Hornby sei Paartherapeut. Was er schreibt, hat Hand und Fuss. Liebe, Respekt, Verständnis und Humor, das macht eine gute Beziehung aus. Und sollte sich mal wieder ein sarkastischer Spruch bei mir anbahnen und ich meine Klappe nicht halten können, ja dann… Ich arbeite daran!
Daumen runter
- Eine Ehe in nur zehn Sitzungen. Etwas mager. Besonders überstürzt auch der Schluss. Man merkt, dass der Autor den Text als Drehbuch für eine zehnteilige Mini-Serie auf BBC geschrieben hat. Sie soll diesen Herbst ausgestrahlt werden.
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Der Autor
Nick Hornby ist 1957 geboren. Er studierte in Cambridge und arbeitete zunächst als Lehrer. Er ist Autor zahlreicher Bestseller: «High Fidelity», verfilmt mit John Cusack, «About a Boy», verfilmt mit Hugh Grant, «A Long Way Down», verfilmt mit Pierce Brosnan, «How to be good», «Slam» und «Juliet, Naked» sowie weitere Bücher über Literatur und Musik. Nick Hornby lebt in London.
Das Buch: Nick Hornby: «Keiner hat gesagt, dass du ausziehen sollst» (Kiepenheuer & Witsch, 2020)
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