Paul, 70, denkt an seine erste und einzige Liebe zurück. Versucht die Gründe zu entwirren, warum diese so katastrophal gescheitert ist.
Vor über fünfzig Jahren in einer Kleinstadt südlich von London: Paul lernt seine Susan auf dem Tennisplatz kennen. Per Los wird sie ihm als Partnerin für ein Doppelspiel zugeteilt. Mrs Susan Macleod – in ihrem weissen Tennisdress mit grüner Borte und einer Reihe grüner Knöpfe. Wie sie souverän den Ball zurückschlägt, mit ruhiger Hand. Ihre Fröhlichkeit, ihr Lachen, ihr subversiver Witz. Paul verliebt sich sofort. Es ist bei beiden love at first sight. Wie berauschend ihre Liebe ist, wie absolut. Er jung und Student, sie reif und Ehebrecherin. Susan und Paul ist es egal, ob die Gesellschaft, diese «engstirnige, spiessige Obrigkeit», etwas gegen ihre unkonventionelle Liebe hat.
Sie brennen durch. Ziehen nach London in ein günstiges Reihen-Einfamilienhaus . Doch «ein Haus oder eine Wohnung kann Menschen so sicher in die Falle locken wie eine Heiratsurkunde; manchmal sogar noch sicherer.» Paul fühlt sich für Susans Glück verantwortlich. Er will sie von allem Unbill des Lebens beschützen. Doch Susan ist ein freier, aber beschädigter Geist. Der Druck, der auf ihr lastet, wird für sie zu gross. Um sich vor den Vorurteilen der Zeit gegenüber ihrer Liebe zu Paul zu retten, flüchtet sie sich in den Alkohol. Und Paul? Er ist auf so was nicht vorbereitet...
Daumen rauf
- very sophisticated. Eine kluge Abhandlung über die Liebe. Julian Barnes fordert mich mit seinem liebesversehrten Ich-Erzähler heraus. Paul will aus Angst vor Herzschmerz nicht mehr lieben und konfrontiert mich mit der Frage: «Würden Sie lieber mehr lieben und dafür mehr leiden oder weniger lieben und weniger leiden? Das ist, glaube ich, am Ende die einzige wahre Frage.» Meine erste Reaktion darauf: so ein Quatsch! Doch kaum gedacht, beginnt mein Hirn zu rattern. Wie war das noch gleich mit der ersten Liebe? Okay, das ist zu privat. Aber etwas an Pauls Fragestellung ist doch nicht so falsch, wie es auf den ersten Blick vielleicht den Anschein hat.
- very melodramatic. Eine mutige und hoffnungsvolle Liebesgeschichte, die ein tragisches Ende nimmt: wegen gesellschaftlicher Konventionen, wegen dunkler Geheimnisse, wegen menschlicher Abgründe. Das geht ans Herz.
- very true. Was Julian Barnes über Alkoholismus schreibt. Wie diese Sucht langsam Susans und Pauls Liebe zersetzt. Das beschreibt Barnes mit grossem psychologischem Einfühlungsvermögen.
- very british. Julian Barnes schreibt zurückhaltend, distanziert. Die Gefühle seiner Figuren zueinander werden in knappen, schlagfertigen Wortwechseln sichtbar. So wie gut geschlagene Tennisbälle, die vom einen zum anderen fliegen. Blop. Blop. Doch je länger das Spiel dauert, desto häufiger kommt es zu Doppelfehlern, Schmetterbällen und dem letzten Matchball.
Daumen runter
- very sad. Alle meine Fröhlichkeit geht bei dieser Lektüre das Rohr ab wie Badewasser.
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Der Autor
Julian Barnes wurde 1946 in Leicester geboren und lebt heute in London. Er studierte moderne Sprachen und arbeitete nach dem Studium als Lexikograph, dann als Journalist. Barnes hat zahlreiche internationale Literaturpreise erhalten. Für seinen Roman «Vom Ende einer Geschichte» wurde er mit dem Man Booker Prize ausgezeichnet.
Das Buch: Julian Barnes: «Die einzige Geschichte» (2019, Kiepenheuer & Witsch)
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