Georgia, April 1861. Scarlett O'Hara, 16, charmant, selbstverliebt, sitzt auf der Veranda von Tara, der Baumwollplantage ihres Vaters. Die Tarleton-Zwillinge sind bei ihr zu Besuch. Die beiden jungen Männer sind flirty drauf. Kein Wunder. Scarlett ist bezaubernd. In ihrem bauschenden Musselinkleid mit dem enggeschnürten Mieder. Die Taille schmal, die Augen blassgrün funkelnd.
Doch als die beiden ihr den neusten Klatsch über Ashley Wilkes Heiratspläne erzählen, zerreisst es ihr das Herz. Sie, die sonst alles kriegt, soll auf ihre heimliche Liebe verzichten müssen?! Niemals!
Siegesgewiss kommt Scarlett zur Verlobungsparty angerauscht und konfrontiert Ashley mit ihren Gefühlen. Doch die Aussprache endet unschön. Und ein zweifelhafter Gast im Hause Wilkes wird davon Zeuge: Rhett Butler!
Dann überstürzen sich die Ereignisse. Der Bürgerkrieg bricht aus. Die Männer werden eingezogen. Ashley heiratet überstürzt Melanie, Scarlett trotzig Melanies Bruder. Der stirbt im Feldbett. Scarlett, noch immer 16, ist Witwe und wenige Monate später Mutter. Sie zieht von Tara ins umkämpfte Atlanta. Dort kommt es zu einem Wiedersehen mit Rhett Butler.
Daumen rauf
- Bin ganz durch den Wind. Wie widerstandsfähig und widersprüchlich diese Scarlett O'Hara ist! Selbst wenn alles verloren scheint, stolziert sie voran. Eine junge Frau, scheinbar süss, bezaubernd, unbekümmert, in Wirklichkeit aber eitel, skrupellos, eigensinnig. Ein Raubtiernaturell ohne den geringsten Mutterinstinkt. Unsympathisch. Doch genau das fasziniert mich an ihr. Ich bewundere ihre Kämpfernatur. Sie lässt sich vom Krieg nicht unterkriegen und foutiert sich um gesellschaftliche Konventionen. Und ganz unladylike tut sie alles für die väterliche Baumwollplantage. Sie schuftet, hungert, tötet, um Tara zu halten. Das hat sie von ihrem Vater gelernt: «Land ist das einzige, was in der Welt überhaupt etwas bedeutet.»
- Bin ganz durch den Wind. Wie hintergründig dieser Roman ist! Wie da amerikanische Geschichte - Sezessionskrieg und die Ära der Rekonstruktion - mit der Entwicklung einer jungen Frau einhergeht. Und wie geschickt die Autorin in der Figur von Rhett Butler Kritik am Krieg übt. Dieser vertritt die Meinung: die Kriegseuphorie der Südstaaten ist falsch. Mit Baumwolle, Sklaven und Arroganz lässt sich kein Krieg gewinnen. Dafür aber als Blockadebrecher und Yankee-Freund ein Vermögen verdienen...
- Bin ganz durch den Wind. Wie bestechend diese Liebesgeschichte ist! Zum einen Scarletts Schwärmerei für Ashley. Zum andern ihre kratzbürstige Liebe zu Rhett. Köstlich! Wie mich ihre zynischen Dialoge amüsieren. Scarlett, die Rhetts Werben nicht kapiert. Und Rhett, der sie zähmt wie ein wildes Kätzchen. Erst reizt er sie aufs Blut, um sie aus der Reserve zu locken. Dann gibt er ihr zu fressen, bis sie ihm vertraut, um sie dann spielerisch nach seinem Gutdünken zu formen. Erinnert irgendwie an Pygmalion. Ein Bildhauer in der griechischen Mythologie, der sich seine Traumfrau als Statue schuf, die dann von den Göttern belebt wurde.
- Bin ganz durch den Wind. Wie herausragend Andreas Nohl & Liat Himmelheber diesen Klassiker übersetzt haben! Um Meilen näher am englischen Original als die Übersetzung aus dem Jahre 1937. Das signalisiert auch das poetische «e», das im Titel weggefallen ist. Habe den Test gemacht. Der Tonfall ist jetzt viel näher dem Englischen: Gone with the Wind.
Daumen runter
- Bin ganz durch den Wind. Warum muss ein Text in der Neuübersetzung politisch korrekt daherkommen? Gewisse rassistische Formulierungen haben Andreas Nohl & Liat Himmelheber neutralisiert. Das kapiere ich nicht! Ein Text istdoch immer im Kontext seiner Zeit zu lesen. Oder nicht?
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Die Autorin
Margaret Mitchell, geboren 1900 in Atlanta, hat in «Vom Wind verweht» aus den Erinnerungen ihrer Familie geschöpft, deren Schicksal eng mit dem des Staates Georgia verknüpft war. Der Roman erschien 1936. Mitchell erhielt dafür ein Jahr später den Pulitzerpreis. Der Roman wurde in viele Sprachen übersetzt und erschien in 37 Ländern. Margaret Mitchell kam am 16. August 1949 durch einen tragischen Autounfall ums Leben.
Das Buch: Margaret Mitchell: «Vom Wind verweht». Neuübersetzt von Andreas Nohl & Liat Himmelheber (Kunstmann, 2020)
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