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Die BuchKönig bloggt Wegen «Marlène» bleibt Philippe Djian Kult für mich!

Alle Bücher vom französischen Kultautor Philippe Djian habe ich gelesen, aber keines so geliebt wie «Betty Blue». Diese berauschend triste Liebesgeschichte. Entdeckt habe ich sie vor zwanzig Jahren. Seit dann warte ich auf eine gebührende Betty-Blue-Nachfolgerin. Nun ist «Marlène» da. Enfin!

Dan und Richard sind beste Freunde und Kriegsveteranen. Sie waren zusammen in Afghanistan. Doch nach ihrer Rückkehr aus dem Krieg haben die beiden Mühe sich wieder in den zivilen Alltag einzugliedern. Richard ist mit einer «scheiss posttraumatischen Störung, einer winzigen Rente und dem ganzen Dreck, den er nahm» unterwegs. Er ist arbeitslos, säuft, vögelt und schlägt herum, macht krumme Dinge und seiner Frau Nath und Tochter Mona das Leben schwer.

Bewertung: vier Kronen

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Philippe Djian schreibt so wie Edward Hopper malt: realistisch, kühl und immer darum bemüht, die Einsamkeit des modernen Menschen einzufangen.

Dan dagegen ist eher der ruhige, introvertierte Typ. Innerlich mehr tot als lebendig bemüht er sich, sein Leben auf die Reihe zu kriegen. Tagsüber jobbt er in einer Bowlinghalle. In seinem «Hafen der Ruhe, Niemandsland und Floating-Tank». Nachts suchen ihn Panikattacken, Albträume und Kriegserinnerungen heim. Doch dann taucht die leicht verpeilte Marlène auf, Naths Schwester. Ihre unbekümmerte Art, ihre Beharrlichkeit und Liebe geben seinem Leben wieder einen Sinn. Doch mit der Liebe kommt auch die Eifersucht, die das zarte Glücksgefühl zu zerstören droht. OHAAAHHH!

Grafik mit Beziehungsmuster
Legende: Gefährliche Beziehungen Die Liebe zwischen Dan und Marlène ist ein Stachel im Fleisch der kleinen Clique. SRF

Daumen rauf

  • Treffsicher. Diese Liebesgeschichte trifft nicht nur mitten ins Herz, sondern auch den Nerv der Zeit. Der Autor zeigt eindrücklich auf, wie eine junge, kriegsversehrte Generation in einer heruntergekommenen Kleinstadt nach Überlebensstrategien sucht, um mit ihrer Ausweg- und Hoffnungslosigkeit fertig zu werden. Bien fait!
  • Wichtig. Djian spricht ein heikles Thema an: die Eingliederung von Kriegsveteranen in die Gesellschaft. Von den einen als Helden und Vorbilder gefeiert, von den anderen als «Hitzköpfe, drogenbetäubte, gewalttätige, spinnende Alkis» gefürchtet, müssen sie mit ihren Traumata fertig werden. Difficile!
  • Minimax. Ich liebe Djians saloppe und nüchterne Sprache. Sein Erzählstil transportiert mit einem Minimum, ein Maximum. Hinter einer scheinbar alltäglichen Fassade lauern menschliche Abgründe; ploppen die tragischen Leben und Seelenzustände von Marlène, Dan und Richard auf; ihre Beziehungsmuster, die sie zu Schicksalsgenossen machen - im Guten wie im Bösen. Fantastique!
  • Stark und verletzlich, abgedreht und leidenschaftlich. Djians Frauenfiguren mag ich. Marlène, die nach Liebe giert, aber immer vom Pech verfolgt ist, einfach so wegsackt, auf der Toilette, hinter dem Steuerrad. Gleichwohl ist sie ungemein stark, eine wahre Krisenmanagerin, wenn es darauf ankommt. Oder ihre Schwester Nath, die mit Richard verheiratet ist, muss ihre rebellische Tochter mehrheitlich alleine gross ziehen. Und arbeitet nebenbei von morgens früh bis abends spät in ihrem Hundesalon. Einziger Lichtblick ist da ihr regelmässiges Stelldichein mit ihrem Lover. Davon weiss die halbe Stadt nur Richard nicht. Bon sang!

Daumen runter

  • «Marlène» hat eindeutig weniger Drive als «Betty Blue». Es kommt zwar auch hier zu überraschenden Wendungen, aber die scheinen mir nicht so natürlich wie bei Betty, sondern konstruiert. Das kostet eine Krone. Dommage!

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Die Romane «Betty Blue» und «Marlène» stehen auf einem weissen Teller.
Legende: Annette König hat «Marlène» wie ein besonders zartes Filet de bœuf genossen! SRF

Der Autor

Philippe Djian ist 1949 in Paris geboren. Er ist viel herumgekommen. Lebte in New York, Florenz, Bordeaux und Lausanne und wohnt heute in Biarritz und Paris. Auf einer Autobahn-Mautstelle, bei einem seiner Gelegenheitsjobs, tippte Philippe Djian sein erstes Manuskript. Sein dritter Roman «Betty Blue» wurde zum Kultbuch wie auch dessen Verfilmung von Jean-Jacques Beineix.

Das Buch: Philippe Djian: «Marlène». Aus dem Französischen von Norma Cassau (2018, Diogenes)

Sämtliche Blogs von der «BuchKönig» könnt ihr hier nachlesen. Und die «BuchBar» hier nachhören:

Audio
BuchBar Djian
aus BuchZeichen vom 25.09.2018. Bild: Keystone
abspielen. Laufzeit 4 Minuten 21 Sekunden.

Annette König

SRF Literatur Redaktorin & Bloggerin

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Die Germanistin teilt in ihrem Blog «Die BuchKönig» ihre Lese-Leidenschaft mit allen, die Bücher lieben. Nebenwirkungen wie Herzklopfen, Melancholie, Heiterkeit, Verzauberung, Unbehagen und Anzeichen schwerer (Sprach)Verliebtheit sind nicht ausgeschlossen.

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