Für rund 400'000 Musliminnen und Muslime in der Schweiz endet der Fastenmonat Ramadan. Die Vorbereitungen aufs grosse Fest am Mittwoch laufen auf Hochtouren.
Zeit für einen Blick zurück auf 30 intensive Tage. Muslimin Blerta Gashi aus der Region Bern spricht im Interview über die Bedeutung, die der Ramadan für ihr Leben hat.
SRF: Sind Sie froh oder wehmütig, dass der Ramadan bald zu Ende ist?
Blerta Gashi: Ich bin schon wehmütig. Klar ist man einerseits froh, weil es anstrengend ist ohne Essen und Trinken. Andererseits ist man aber auch traurig, weil es eine sehr schöne Zeit ist. Es sind spirituelle Tage, die wir Muslime jeweils mit grosser Aufregung erwarten.
Wie muss man sich diese Tage vorstellen?
Wir standen jeweils vor Sonnenaufgang auf. Wir assen etwas Kleines und nahmen so die letzte Energie zu uns. Danach verzichteten wir.
Kommt man körperlich nicht auch an seine Grenzen?
Doch klar, es ist nicht einfach. Aber man ist irgendwie auch viel klarer im Kopf. Man denkt nicht ständig ans Essen oder Trinken. Ich fühle mich aktiver und kann dementsprechend auch mein Verhalten mehr reflektieren.
Es geht also nicht nur ums Fasten?
Nein. Das Spirituelle ist genauso wichtig. Man schaut, dass man seelisch näher zu Gott kommt und überdenkt sein persönliches Verhalten.
Jedes Jahr nimmt man sich als Mensch neue Ziele vor.
Ich fokussiere mich von Anfang an auf gewisse Ziele, die ich erreichen möchte. Diese versuche ich während des Ramadans einzuhalten.
Was sind das für Ziele?
Es sind sehr individuelle Ziele. Ich persönlich wollte versuchen, weniger Vorurteile über andere Personen zu fällen. Aufgrund des Aussehens, aufgrund von Äusserungen oder Tätigkeiten glaubt man im Kopf oft schon zu wissen, wie eine Person ist.
Wichtig ist, dass man auch nach dem Ramadan seine Ziele nicht vergisst.
Mein Ziel war es dieses Jahr, dass ich mir keine stereotypischen Bilder zusammenbastle und versuchen wollte, negative Gedanken zu eliminieren.
Sie haben drei kleine Kinder – eine zusätzliche Herausforderung?
Ich war für meine Kinder als Mutter wohl viel ruhiger, entspannter, aber auch hungriger. Es war nicht einfach, ihnen die Mahlzeiten zuzubereiten oder sie beim Zvieri zu sehen. Aber wenn man mit vollem Elan beim Ramadan dabei ist, dann klappt das wunderbar.
Mitgemacht haben die Kinder also nicht?
Nein, sie sind noch zu jung. Aber sie hätten gerne mitgemacht, wenn sie uns mal frühmorgens aufstehen sahen. Komplett vorenthalten wollten wir es ihnen nicht. Ich sagte ihnen dann: ‹So, jetzt dürft ihr auch zwei Stunden fasten›. Das freute sie schon.
Ist der Ramadan für Sie eigentlich jedes Jahr gleich?
Wenn dem so wäre, würde etwas falsch laufen. Es sollte eine Fortsetzung sein. Jedes Jahr nimmt man sich als Mensch neue Ziele vor. Wichtig ist halt, dass man die guten Vorsätze, die man während des Ramadans dreissig Tage lang praktiziert hat, danach nicht wieder vergisst. Dass man das gute Verhalten zum Beispiel weiterverfolgt und so von Jahr zu Jahr ein besserer Mensch wird.
Und morgen folgt das grosse Familienfest zum Ende des Ramadans. Wie müssen wir uns dieses vorstellen?
Die Familie trifft sich. Die Kinder werden beschenkt. Wir feiern, geniessen die Zeit und, ja, es wird viel gegessen. Das ist gar nicht so einfach, am ersten Tag nach dem Ramadan. Da muss man aufpassen, dass einem nicht schlecht wird.
Das Gespräch führte Sven Epiney.