Die Richtung ist klar: Der Bundesrat will Treibhausgas-Emissionen bis 2050 sukzessive auf Netto-Null senken. Der Ausbau erneuerbarer Energien aus Sonne-, Wind- und Wasserkraft steht dabei im Zentrum. Bei der Speicherung grüner Energie hingegen ist noch viel Luft nach oben. Renate Schubert, Verhaltensökonomin an der ETH Zürich, sieht das Problem nicht nur in der technologischen Entwicklung, sondern auch im Verhalten von uns Konsumentinnen und Konsumenten.
SRF1: Der Ausbau erneuerbarer Energie schreitet voran, wo hapert es Ihrer Meinung nach derzeit?
Renate Schubert: Wir stehen jetzt an der Stelle, wo wir alle einen Beitrag leisten müssten, um die Probleme der Klimakrise nicht weiter zu verschärfen. Im technischen und technologischen Bereich gibt es gute Ansätze und Lösungsmöglichkeiten, da sind wir auf Kurs. Allerdings harzt die Umsetzung in der Gesellschaft. Wir haben immer noch den Eindruck, das Netto-Null-Ziel könne gratis erreicht werden und wir müssten eigentlich kaum etwas in unserem Verhalten ändern. Es fehlen die Rahmenbedingungen und der Wille dafür, die Technologien, die wir jetzt schon haben, besser zu nutzen – und dafür gegebenenfalls auch gewisse Kosten zu tragen.
Sie sprechen beispielsweise den flächendeckenden Solarausbau an, aber auch die dezentrale Energieproduktion in Privathaushalten und entsprechende Speicherlösungen …
Genau. Was Privathaushalte betrifft, sieht man immer mehr Solardächer. Diese Panels produzieren am Tag einiges an Strom, in der Nacht hingegen nicht. Das bedeutet: Wir müssen den Strom, den wir produzieren, unbedingt speichern, damit wir ihn zeitverzögert brauchen können. Darüber hinaus erzeugen wir in der Schweiz bereits einiges an Strom aus erneuerbaren Energieträgern und die Produktion soll weiter gesteigert werden. Allerdings fluktuiert diese Produktion. Auch hier gilt: Es braucht Speicherlösungen, beispielsweise in Form von zusätzlichen Speicherseen in den Bergen, sonst sitzen wir am Abend oder auch im Winter im Dunklen – im wahrsten Sinne des Wortes. Mehr Speicherseen stehen aber im Widerspruch zu Landschaftsschutz – hier sind gesellschaftliche Wertentscheidungen notwendig.
Vielleicht täte es uns gut, die Erfahrung eines richtig unangenehmen Winters zu machen.
Welche konkreten Tipps haben Sie an private PV-Produzenten?
Wir sollten uns alle an der Nase nehmen und ein bisschen mehr in die Zukunft schauen. Wir sollten nicht nur die aktuellen Investitionskosten sehen für einen Stromspeicher im Keller. So ein Ding kostet durchaus 10'000 Franken, aber dafür hält der Speicher mindestens 20 Jahre und wir profitieren in all den Jahren davon. Das müssten wir auch einrechnen. Wenn wir etwas weniger kurzsichtig wären, wäre das super.
Wie zuversichtlich sind Sie, dass wir als Gesellschaft in absehbarer Zeit einen Schritt vorwärtskommen?
Ja, ich würde mal sagen so mittel zuversichtlich. Ich frage mich manchmal, ob es so einen richtig unangenehmen Winter braucht, bis wir wirklich realisieren, wie wichtig uns doch eine sichere Energieversorgung ist. Wenn man sich überlegt, dass das EU-Stromabkommen in Gefahr ist und wir im Winter unter gewissen Umständen bis zu 40 % Strom aus anderen Ländern importieren müssen, dann könnte dieses Szenario möglicherweise bald real werden. Aber vielleicht täte es uns gut, mal diese Erfahrung zu machen.
Das Gespräch führte Sven Epiney.