Anna Mühlemann (98) über den Krieg und die Jahre danach
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Bild 1 von 3. Anna Mühlemann (98). «Ich habe immer gearbeitet, während und nach dem Krieg. Ich musste nie stempeln gehen. Als die Kinder da waren, arbeitete ich von zu Hause aus. Kitas waren nur etwas für arme Leute, so sah man das damals. Ferien gab es nicht, wenn ich frei hatte, besuchte ich meine Eltern und wusch ihnen die Stube.». Bildquelle: Reto Schlatter.
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Bild 2 von 3. Anna Mühlemann (98). «Just bei Kriegsausbruch erhielt ich meine erste richtige Stelle in einem Pelzhandel. Der Bekannte, der dort arbeitete und mich holte, musste dann leider gleich ausrücken. Ich blieb zurück mit einem älteren Chef, der mir nicht so passte.». Bildquelle: Reto Schlatter.
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Bild 3 von 3. Anna Mühlemann (98). «Glücklich wäre übertrieben - aber wir waren zufrieden. Zufrieden, dass der Krieg vorbei war. Man freute sich vielleicht über eine Waschmaschine oder über ein Bügeleisen mit Dampf. Es war eine andere Schweiz, eine andere Welt.». Bildquelle: Reto Schlatter.
SRF: Was war die Rolle der Frau im und nach dem Zweiten Weltkrieg?
Franziska Rogger: Während dem Krieg füllten die Frauen die Lücken, welche die Männer hinterlassen hatten, nachdem sie eingerückt waren. Sie übernahmen den Bauernhof, besetzten teilweise auch wichtige Posten. Sie haben es einfach gemacht, irgendwer musste es machen.
Nach dem Krieg kamen die Schweizer Männer unversehrt nach Hause und viele Frauen verloren ihre Stellen wieder.
Nach dem Krieg kamen die Schweizer Männer unversehrt nach Hause und viele Frauen verloren ihre Stellen wieder.
Wie muss man sich die Schweiz nach dem Zweiten Weltkrieg vorstellen?
Es war noch keine Aufbruchsstimmung. Die Schweiz war quasi in einer Art Schockstarre, auch wenn es ihr im Vergleich zu anderen Ländern wirtschaftlich viel besser ging. Man sehnte sich nach Stabilität und Sicherheit.
So erlebte Anna Schär (95) die Nachkriegsjahre
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Bild 1 von 2. Anna Schär (95). «Nach dem Krieg war nichts mehr geregelt. Meine Heimat in Österreich war besetzt. Meine Schwester und ich wuschen einem Soldaten die Hemden, er gab uns dafür Kernseife. Es gab auch Frauen, die sich mit Soldaten einliessen und Kinder von ihnen bekamen.» . Bildquelle: SRF.
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Bild 2 von 2. Anna Schär (95) . «Während des Krieges musste ich die ganze Zeit melken, weil die Männer nicht da waren. Eine Lehre lag nicht drin - obwohl ich eine Lehrstelle bei einer Bank bekommen hätte. Aber mein Vater wollte das nicht. Nach dem Krieg reiste ich meiner Schwester in die Schweiz nach, um Geld zu verdienen.» . Bildquelle: Céline Raval, SRF.
Die Nachkriegsjahre erscheinen konservativ. Die Frauen kümmern sich zu Hause um den Nachwuchs, die Männer arbeiten auswärts und sorgen für finanzielle Sicherheit.
Das ist unsere heutige Perspektive. Damals dachte man nicht so individualistisch wie heute. Alles war auf den Clan, auf die Familie abgestimmt. Der Haushalt war zudem viel aufwändiger als heute, Fertigmahlzeiten gab es noch nicht. Man ging nicht als Frau ins Leben, sondern als Tochter oder Ehegattin. Alleinerziehende oder ledige, kinderlose Frauen wurden diskriminiert.
Die Frauen haben die Wirtschaft durchgeschleppt im Zweiten Weltkrieg.
Warum finden Sie Berichte von Zeitzeuginnen aus der Kriegs- und Nachkriegszeit wichtig?
Oft schauen wir auf die Heldentaten von Männern zurück. Wenn eine Frau 13 Kinder aufzieht und sich jeden Tag «abhundet», ist das weniger wert, als wenn ein Winkelried mal eine gute Minute hatte. Nichts gegen Helden! Aber ich finde, man müsste auch die HeldINNEN und das oft belächelte Hausfrauendasein von damals mehr wertschätzen und würdigen. Die Frauen haben die Wirtschaft durchgeschleppt im Zweiten Weltkrieg.