Not machte am Ende des Zweiten Weltkrieges richtig erfinderisch. Viele Schweizer Schokolade-Fabriken hatten viel zu wenig Kakao. Man streckte diesen darum mit Nüssen, die man aus Italien endlich wieder importieren konnte. So entstand unter anderem das beliebte «Ragusa» der Firma Camille Bloch. Noch heute hat diese Schokolade das gleiche Rezept.
Die Nachkriegszeit veränderte unser Essverhalten massiv
Nicht nur Schokolade wurde nach dem Krieg für fast jedermann erschwinglich, der wirtschaftliche Aufschwung des Landes brachte auch viel Fortschritt in die Schweizer Küche. Bald war es nämlich auch möglich, Lebensmittel länger haltbar zu machen.
Der Kühlschrank und das Gefrierfach hielten Einzug in Schweizer Küchen. Firmen wie beispielsweise Hero oder Roco konservierten Nahrungsmittel wie Spargeln, Ravioli, Thunfisch, Erbsen und Karotten in Blechbüchsen, und sogar die Fertigpizza kam auf den Markt. Eine Revolution, so Dominik Flammer. Der Essensforscher beschäftigt sich seit Jahren mit dieser Zeit.
Frauen, die dazumal wieder ihre Arbeit aufgenommen haben, waren sehr glücklich über diese Fertigprodukte.
Die Schweizer Küche in der Nachkriegszeit
Der Start in diese neue Ära war alles andere als einfach. Weil wir von unseren Nachbarländern, welche im Krieg sehr gelitten hatten, abhängig waren, dauerte es noch zwei bis drei Jahre, bis wir wieder alle Lebensmittel kaufen konnten.
Auch die gestaffelte Aufhebung von Lebensmittel-Rationierungen und Reservelagern in der Schweiz verzögerte die Normalität. Ab Mitte 1948 war es wieder möglich, bei uns uneingeschränkt Lebensmittel einzukaufen. Es gab wieder genug Butter, Rahm, Öl, Kaffee, Zucker, Nüsse und eben auch Schokolade, so Dominik Flammer.
Die Schweiz war damals das einzige Land, welches in Westeuropa weder Kartoffeln, Gemüse noch Äpfel rationieren musste.
Mit dem Gemüse und den Kartoffeln kochte man zu dieser Zeit viele Suppen. Auch Eintöpfe waren sehr beliebt, die man oft mit einem kleinen Stückchen Fleisch streckte.
Das alte Brot legte man in eine Gratinform und machte mit verquirltem Ei einen Brotauflauf. Äusserst beliebt war das Hafermüesli, mit wenig Milch aufgekocht. Noch heute ist das Müesli, besser bekannt als Porridge, der perfekte Start in den Tag. Der Kaffee wurde mangels Angebot bis weit in die 60er- und 70er-Jahre gestreckt.
Kochen musste neu gelernt werden
Für viele junge Frauen wurde das immer grösser werdende Angebot an Lebensmitteln und technischen Möglichkeiten zu einer Herausforderung. So kam beispielsweise der Gasherd auf den Markt. Viele Frauen bekamen Hilfe vom Bund, so Dominik Flammer.
In der Propaganda-Zentrale für die Erzeugnisse der Schweizerischen Landwirtschaft gab es eine Gruppe von hauswirtschaftlichen Expertinnen des eidgenössischen Kriegsernährungsamtes. Diese Frauen entwickelten Rezepte und Kochtipps, wie man energieeffizient kochen kann.
Nach dem Krieg kam es aber auch immer wieder zu Hamstereien. Wohlhabende Haushaltungen kauften in Massen Lebensmittel ein und horteten sie, so Flammer. Das ging so weit, bis es zu gerichtlichen Verfahren kam, die man später einstellte.
Überkompensation der Lebensmittel
Die vielen Lebensmittel in den Verkaufsregalen und der Aufschwung der Wirtschaft hatten nach dem Krieg aber auch seine Schattenseiten. Was man während dem Krieg nicht mehr hatte, versuchte man laut Essensforscher Dominik Flammer aufzuholen, ja gar zu kompensieren.
Man fing an, Seelennahrung zu sich zu nehmen, ass wieder viel fettiger und hatte Lust auf die ersten Convenience-Produkte, die es beim Metzger gab; Cordon Bleu und Fleischvögel.
Von 1948 bis 1950 stieg der Schlagrahm- und Butterkonsum um 50% an. Auch Wurstwaren und Zucker standen ganz oben auf dem Einkaufszettel.