Wäre die Zuschreibung «er ist mit Leib und Seele Bäcker» nicht gar so ausgelutscht, zu Bio-Holzofenbäcker Werner Kast aus der 700-Seelen-Gemeinde Reute im Kanton Appenzell Ausserrhoden würde sie auf jeden Fall perfekt passen.
Die warme Backstube, das Knistern des Feuers im Holzofen, die blubbernden Teige, die Mehlsäcke, die Gestelle voller Brot, der feine Duft nach Frischgebackenem, das alles scheint so gut zu diesem Menschen zu passen, dass man ihn sich nur schwer in einem anderen Setting vorstellen kann.
Dabei war es gar nicht von Anfang an klar, dass Werner Kast einmal Bäcker werden würde. Die Eltern wollten den Buben nämlich unbedingt noch länger zur Schule schicken. Aber genau das wollte Kast nicht: «Ich wollte etwas Gescheites machen» und sowieso, erinnert er sich, «habe ich damals als ‹Goof› davon geträumt, Bauer zu werden oder Kapitän, wie viele andere Buben auch.»
Mit Crèmeschnitten gefüttert
Vielleicht, sagt Werner Kast, seien es dann halt ganz simpel die Ferien gewesen, die bei der Berufswahl den Ausschlag gegeben hätten. Diese habe er nämlich jeweils bei einem Bäcker im Baselbiet verbracht und da sei er von den Bäckersleuten immer sehr verwöhnt geworden: «Sie haben mich mit zahllosen Crèmeschnitten gefüttert, das hat mir natürlich sehr gefallen.»
Wie auch immer, ob es die Crèmeschnitten gewesen sind oder nicht, Werner Kast hat auf jeden Fall Bäcker gelernt und hat dann kurz nach der Lehre mit gerade mal 22 Jahren eine Bäckerei in Reute übernommen.
Ich habe bis heute das perfekte Brot gar noch nicht gebacken.
Eine gute Wahl. Auf jeden Fall steht Werner Kast dort seit nunmehr 33 Jahren in der Backstube. Steht jeweils mitten in der Nacht auf, feuert den Holzofen ein und bäckt dann: Kartoffelbrot, Gewürzbrot, Randenbrot, Süsses und vieles mehr.
Und natürlich immer auch den St. Galler-Pfünder. 400 bis 500 Brote insgesamt backen Werner Kast und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter pro Tag.
Und nein, langweilig ist es Werner Kast dabei noch nie geworden. Selbst wenn er nur eine einzige Sorte Brot backen dürfte, sagt Kast, zum Beispiel eben nur den St. Galler-Pfünder, die Arbeit bliebe für ihn spannend.
«Es ist nämlich eine Herausforderung, jeden Tag dasselbe gute Brot zu machen», sagt Werner Kast, «kommt hinzu, dass ich bis heute das perfekte Brot gar noch nicht gebacken habe. Ich habe da immer noch Luft nach oben.»
Dies sagt übrigens ausgerechnet der Bäcker, der zu den besten unseres Landes gehören soll und mit seinen Broten nicht nur Privatkunden, sondern auch die Spitzengastronomie begeistert.
Die Stunden zwischen halb eins und halb fünf, das ist meine schönste Zeit am Tag. (...) Da kann ich ganz in Ruhe meine ‹Teigli› machen und meine ‹Brötli› backen.
Die Arbeitszeiten des Bäckers, das frühe Aufstehen, das Schlafen, wenn andere wach sind, habe er mit den Jahren richtig liebgewonnen: «Die Stunden zwischen halb eins und halb fünf, bis dann meine Leute kommen, das ist meine schönste Zeit am Tag. Da bin ich allein in der Backstube, kein Telefon, keine störenden äusseren Einflüsse und ich kann ganz in Ruhe meine ‹Teigli› machen und meine ‹Brötli› backen.»
Und ganz abgesehen davon habe er dafür dann auch um neun oder zehn Uhr morgens bereits Feierabend und könne sich mit Fug und Recht am Vormittag auch schon mal ein Bierchen gönnen.
«Teigli» statt Teig
Ja, Sie haben eben gerade richtig gelesen: Bäcker Werner Kast redet liebevoll und schon fast zärtlich von «Teigli» und «Brötli». Der Bäcker liebt eben, was er macht, er liebt Teig und Brot.
Teig, sagt Kast, sei zum Berühren etwas Angenehmes, Feines, beinahe wie Haut, formbar und habe eine angenehme Temperatur. Teig sei ein Lebewesen, das er über Stunden pflege und führe, um dann daraus ein Brot oder eben besser gesagt, ein «Brötli» zu backen.
Man kann die Abläufe beim Backen nicht einfach mit einem Pülverli verkürzen.
Dem Teig mit Backhilfsmitteln Dampf zu machen, damit der Bäcker später aufstehen und weniger lange arbeiten muss, das ist für Kast selbstredend tabu. «So etwas habe ich hier in meiner Backstube noch nie gemacht», sagt er. «Man kann die Abläufe beim Backen nicht einfach mit einem Pülverli verkürzen.
Das ist auch beim Suppe Kochen so. Klar kann man eine Instant-Suppe machen, aber das ist nie und nimmer das Gleiche, wie wenn man eine Suppe lange köcheln lässt. Und so ist es auch beim Brot».
Ein Beruf, den alle verstehen
Ja, dieser Mann, so scheint es, hat seinen Traumberuf gefunden. Traumberuf? Vielleicht könne man das so nennen, sagt Werner Kast. Er fühle sich in der Tat wohl hier in seiner Backstube und auch mit seiner Stellung als Bäcker innerhalb der Gesellschaft.
Sein Beruf sei für alle Menschen einfach zu verstehen. Er habe zudem mit feinen Zutaten und Aromen zu tun, könne mit den Händen arbeiten, aber auch mit dem Kopf. Er habe als Arbeitgeber mit Menschen zu tun, auch mit Kunden und all das gefalle ihm sehr.
Konzentration bringt Erfüllung im Beruf
Er hätte aber, vermutet Werner Kast, möglicherweise auch in anderen Beruf Erfüllung gefunden. In einem Beruf aufzugehen, ist sich Kast sicher, sei auch Einstellungssache und habe mit Konzentration zu tun.
«Je mehr man sich in eine Sache vertieft», sagt er, «je ernsthafter man dabei ist, je tiefer man geht, desto mehr kann und weiss man und desto interessanter bleibt, was man macht. Egal bei welcher Arbeit.»
Ferien sind heutzutage total überbewertet. Wir müssen unseren Alltag schön gestalten. Wenn der stimmt, brauchen wir gar keine Ferien mehr.
Ein interessanter Gedanke, den wir hier gerne mal so stehen lassen. Und ob Traumberuf oder eben «nur» Einstellungssache, Werner Kast hat auf jeden Fall den Beruf gewählt, der im Freude macht, oder in Dating-Sprache übersetzt: Beruf und Mensch haben hier zweifelslos «gematcht».
Der Garten als Ort der Freiheit
Ja, Werner Kast ist dermassen gerne Bäcker, dass er seit vielen Jahren nicht mal mehr in die Ferien fährt. «Ferien, sagt er, sind heutzutage total überbewertet. Wir müssen unseren Alltag schön gestalten. Wenn der stimmt, brauchen wir gar keine Ferien mehr».
Und à propos Alltag: Zu diesem gehört im Falle von Werner Kast auch ein wunderschöner wildverwunschener Garten mit Blumen, Büschen, Sträuchern, Bäumen und selbstentworfenen Installationen aus krummen Metallrohren.
Der Garten als wilder Gegensatz zur Bachstube, wo es zuweilen auch um Gramm und Milliliter geht und um Genauigkeit, um das präzise Einhalten von Back – und Ruhezeiten?
«Ja», sagt Werner Kast, «hier kann ich nicht nur draussen an der frischen Luft sein, hier kann ich es einfach geschehen lassen, auch mal was liegen lassen, hier muss nichts rentieren, hier schwatzt niemand rein, hier gibt es keine Vorschriften, hier kann ich ganz frei sein». Sagt es und erklimmt über eine Art Hängebrücke eine seiner Metallinstallationen, ein Hochsitz mit Bänkli und einem Windrad und einer wunderschönen Aussicht auf die Hügel des Appenzellerlandes.
«Hier», sagt Werner Kast, «sitze ich jeweils, wenn ich am Morgen schon Feierabend habe und schaue übers Land». Und sogleich wird klar: Ja, dieser Mann muss in der Tat nicht zwingend in die Ferien fahren.
In der Sendung «À point – Wissen aus der Küche auf den Punkt gebracht» tischen wir Ihnen Wissenswertes rund um die Küche und das Kochen auf.
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