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Mangel an Fachkräften Braucht es einen Steuerbonus für Vollzeitarbeit?

Dank einem neuen Steuerbonus soll sich Vollzeit mehr lohnen. Das soll den Fachkräftemangel entschärfen. Gute Idee? Oder schafft das Vorteile für die Falschen? Wir wollen Ihre Meinung hören!

Der Mangel an Fachkräften ist besorgniserregend: In der Pflege, der Schule, im Handwerk – überall fehlt es an Personal. Der Grund ist bekannt: Es werden mehr Menschen pensioniert, als junge Leute auf dem Arbeitsmarkt nachrücken. Die Gesundheitsbranche rechnet mit 40'000 unbesetzten Stellen in der Pflege. Expertinnen und Experten gehen davon aus, dass bis im Jahr 2030 branchenübergreifend schlimmstenfalls bis zu 800'000 Stellen offen sein könnten.

«Es tickt eine demografische Zeitbombe»

Um das Problem zu bekämpfen, möchte der Luzerner FDP-Ständerat Damian Müller  Vollzeitarbeit wieder attraktiver machen. Immer mehr Menschen entscheiden sich gegen einen Vollzeitjob, zugunsten von Freizeit oder Familie. Der FDP-Ständerat fordert deshalb einen Steuerbonus für alle, die 100 Prozent arbeiten. Er will damit den Fachkräftemangel angehen und gleichzeitig eine 10-Millionen-Schweiz durch Zuwanderung verhindern. Seine Motion kommt am Donnerstag in den Ständerat.

Wie soll der Steuerabzug funktionieren?

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Konkret sollen Vollzeitarbeitende einen fixen Betrag von ihrem steuerbaren Einkommen abziehen dürfen. Vorgesehen ist eine Kopplung an die Höhe der maximalen Einzahlung in die Säule 3a. Für 2023 wären das 7056 Franken.

«Vollzeitjobs sollen sich wieder mehr lohnen»

Heute arbeiten vier von zehn Personen in der Schweiz Teilzeit. Tatsächlich ist die gesamthaft geleistete Arbeitszeit seit 1991 insgesamt leicht zurückgegangen, bestätigt das Bundesamt für Statistik BfS auf Anfrage der SRF-Diskussionssendung «Forum». Dies vor allem wegen mehr Teilzeitarbeit und mehr Ferien. FDP-Ständerat Damian Müller meint: «Wenn wir nicht jetzt beginnen, die eigenen Arbeitskräfte besser zu mobilisieren, dann bringt uns die Zukunft entweder mehr Zuwanderung oder aber weniger Wohlstand.»

«Das ist Teilzeit-Bashing»

Liegen Menschen, die Teilzeit arbeiten, auf Kosten der Allgemeinheit auf der faulen Haut? Gegner der Motion sind empört. Dieser Vorstoss signalisiere, dass von der Gesellschaft ausschliesslich 100-Prozent-Pensen erwünscht seien. Zudem seien die Mehrheit der Teilzeitarbeitenden Eltern, die ihre Kinder nicht bekommen hätten, um sie möglichst viel extern betreuen zu lassen. Ausserdem begünstige ein Steuerbonus für 100-Prozent Jobs das traditionelle Familienmodell, so die Kritik.

Gewerkschaftsbund will bei Löhnen ansetzen

Auch Daniel Lampart, Chefökonom beim Schweizerischen Gewerkschaftsbund, hält nichts von dieser Idee. Ein Steuerbonus für Vollzeitarbeitende führe zu Steuerausfällen.

Stattdessen sollten Wirtschaft und Arbeitgeber für attraktivere Löhne und weniger Leerlauf im Betrieb sorgen. Niemand denke zudem an das brachliegende Potenzial von Personen, die im Familiennachzug in die Schweiz kämen, so Lampart. «Das sind hunderttausende von Menschen, in deren Ausbildung wir investieren sollten, damit sie Jobs in Kitas, in der Pflege etc. übernehmen könnten.»

Sollen mehr Menschen Vollzeit arbeiten, wegen Fachkräftemangel und Zuwanderung? Braucht es gar einen Steuerbonus für jene, die 100 Prozent arbeiten? Oder schafft das Vorteile für die Falschen und hilft nichts gegen den Mangel an Fachkräften?  Diskutieren Sie mit!

Gäste im «Forum»:

Daniel Lampart, Chefökonom des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes, ist gegen einen Steuerbonus für Vollzeitarbeitende.

Damian Müller, FDP-Ständerat und Urheber der Motion, ist für mehr Vollzeitarbeit und für einen Steuerbonus.

Tagesschau zur Wintersession, 11.12.23

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