Katholikinnen und Katholiken sollen mindestens einmal im Jahr beichten. Heute ist das Befolgen dieser Pflicht jedem und jeder Gläubigen selbst überlassen. Aber bis ins 20. Jahrhundert kontrollierte die katholische Kirche das Einhalten der Beichtpflicht streng – mittels sogenannter «Beichtzettel», auch «Osterzettel» oder «Buesszedel» genannt.
So etwa im tief katholischen Freiburger Sensebezirk. Der Autor Alfons Jungo beschrieb es so:
[Nach der Beichte] het de Giischtlicha jedum als Quittung a sogenannta truckta Oschterbiichtzedel ggä. Dä Zedel isch na der Oschterzit ummi iigsammleta cho. Aso het a jeda Pfarer gwüsst, wär gooschteret het.
Wer beichtete, erhielt also vom Beichtvater zu Bestätigung einen Zettel, der nach Ostern wieder eingesammelt wurde. Wer keinen Beichtzettel vorweisen konnte, dem oder der konnten die heiligen Sakramente wie die Kommunion oder die letzte Ölung verweigert werden – gerade in früheren Jahrhunderten für viele eine schlimme Strafe.
Religiös-soziale Kontrolle
Um die Einhaltung der Beichtpflicht kontrollieren zu können, wurden im 16. Jahrhundert Beichtregister angelegt, in denen festgehalten wurde, wer die Beichte abgelegt hatte. Diese Register wurden bald von den Beichtzetteln abgelöst. Sie wurden in vielen katholischen Gebieten Europas verwendet – von Spanien über Frankreich und den deutschsprachigen Raum bis nach Böhmen und Polen.
Flächendeckend eingeführt wurden die Beichtzettel vielerorts im 19. Jahrhundert. Der Grund: Anders als zuvor durften Gläubige nun Kirche und Pfarrer für die Beichte selber wählen. Der Beichtzettel bescheinigte dem Pfarrer des Wohnorts, dass man die Beichtpflicht erfüllt hatte.
Handel mit Beichtzetteln
Dies brachte findige Leute auf eine Idee: Man könnte doch an mehreren Orten beichten gehen und die erhaltenen Beichtzettel an beichtfaule Mitmenschen verkaufen. Der Handel mit Beichtzetteln florierte europaweit in vielen katholischen Gebieten. Spöttisch dichtete der Protestant Wilhelm Busch 1864 über den Beichtzettel-Handel:
In allen Kirchen, nah und fern, Ging er zur Beichte oft und gern, Und gab der Beichte Zettel willig An andere Knaben – aber billig.
Wie es Anfang des 20. Jahrhunderts im Freiburger Sensebezirk zu und herging, schilderte Autor Peter Boschung: Einer habe ein paar Mal einen Beichtzettel nach Hause gebracht, «wa mu nit der Pfarrer ggä het. Er het drum denn iina bchennt [der mehrmals beichtete] u nai het er siner fürige Oeschterzedle dene vergremplet, wa mu eppis z suuffe zalt hii».
Das Aus im 20. Jahrhundert
Ende des 19. Jahrhunderts nahm die Bedeutung der Beichtzettel ab, vor allem in den Städten. In Pfarreien mit vielen Gläubigen war es wohl kaum mehr möglich, die Übersicht zu behalten. Ausserdem weichten sich die strengen sozialen und religiösen Normen langsam auf.
In ländlichen, konservativen Regionen, besonders in Österreich, aber auch in sehr katholischen Gebieten der Schweiz, hielten sich die Beichtzettel bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts – zuletzt hauptsächlich noch zur religiös-sozialen Kontrolle der Schulkinder.
In einigen Regionen werden allerdings bis heute «Beichtbildchen» oder «Osterbildchen» abgegeben, die sich aus den Beichtzetteln entwickelt haben. Nicht mehr zur Kontrolle, sondern als Andenken – aber immer noch hauptsächlich in der Osterzeit.