Gendergerechte Sprache: Was bisher geschah
Erst kürzlich hat der Duden das generische Maskulinum abgeschafft. «Die Leser dieses Textes» meint nur noch Männer. Sind auch Frauen angesprochen, werden sie explizit als «Leserinnen» genannt. Gegen das Aufblähen der Texte durch solche Paarformen hilft die neutrale Formulierung «Lesende» oder eine Sparform wie das Binnen-I («LeserInnen») oder der Schrägstrich («Leser/innen»). Neuerdings kann man diesen «Gender-Gap» auch hören, dank dem sogenannten Glottisschlag, einer kleinen Pause mitten im Wort.
Gendersternchen: Der Newcomer
Aber mittlerweile geht es um mehr als nur darum, Frauen sprachlich sichtbar zu machen. Die Begrenzung auf das binäre Frau-Mann-Schema schliesse viele Menschen mit anderer sexueller Identität aus, moniert eine wachsende, junge und lautstarke Community. Es geht um LGBTQIA*-Menschen, oft kurz als «queere Personen» zusammengefasst (vgl. Wörterbox). Sie alle werden inkludiert durch das Gendersternchen, also durch die Schreibung Leser*innen, immer mehr auch durch den Gender-Doppelpunkt: Leser:innen.
Genderfreie Sprache
Aber wäre es bei dieser Vielfalt an sexuellen Orientierungen nicht besser, man würde die Sprache gänzlich entsexualisieren? Den Queer-Personen jedenfalls tut es Not, eine Ausdrucksform zu finden, die sie passend kategorisiert. Und wenn man nicht mehr merkt, ob «er», «sie» oder etwas jenseits davon angesprochen ist, dann werden gesellschaftliche Diskriminierungen wenigstens sprachlich neutralisiert.
Duden Kurzanleitung richtig gendern
«Ens Lehrens»
Das Wort «Mensch» bezeichnet geschlechtslos jedes Wesen unserer Gattung. Entnehmen wir «Mensch» eine Rippe, nämlich die Buchstabenfolge «ens», gewinnen wir einen neuen, genderfreien Wortbestandteil, der sich überall einsetzen lässt, wo sonst männliches oder weibliches Geschlecht markiert würde. Die Leserinnen und Leser dieses Artikels werden damit zu «ens Lesens dieses Artikels». Praktisch und handlich, für Einzahl und Mehrzahl und in jedem grammatischen Fall immer gleich. Was meinen ens als Lesens zu dieser Idee?
«Das Lesy»
Eine andere Möglichkeit ist das «Entgendern nach Phettberg». Gemeint ist der Wiener Kolumnist Hermes Phettberg, der seit 30 Jahren auf einfachste Weise seine Sprache entgendert. Man nehme bei einer Personenbezeichnung den Wortstamm, hänge ein -y an und mache es zum Neutrum: «Der Leser» und «die Leserin» werden zu «das Lesy», die «Leserinnen» zu «die Lesys». Und wenn Ihnen die Idee nicht gefällt, dann sind Sie «Kritikys»!
Vornamen statt Pronomen
Die Schweizer LGBTQIA*-Aktivistin Anna Rosenwasser berichtet im Gespräch, dass die Queer-Community noch anderes ausprobiert. Zum Beispiel wählen sie sich einen einsilbigen, genderneutralen Vornamen wie Lou oder Pat, der anstelle eines Pronomens genannt wird: «Lou hat eine megacoole Wohnung. Warst du schon bei Lou?»
Vom Gender-Gap zur Gesellschaftskluft?
Während eine grosse Mehrheit noch ratlos das Gendersternchen fixiert, greifen andere also schon viel härter ins Gewohnheitsrecht unserer Sprache ein. Auf dass künftig niemensch (sic!) mehr diskriminiert werde.
Diese Kluft macht tendenziell beide Seiten hässig – Revolutionär*innen ebenso wie Traditionalisten. Die Zeit wird zeigen, was davon bleibt.