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«Mundart»: Sportinterviews
Aus Dini Mundart vom 13.06.2024.
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«Wie gseit, ääh...» Warum Fussballer gerne auf Floskeln ausweichen

Fussballspieler würden in Interviews nur Phrasen dreschen, heisst es oft. Und schuld daran sei das Medientraining der Clubs. Diese Kritik ist nur teilweise berechtigt.

Wer regelmässig Fussball-Übertragungen schaut, hört von Spielern immer wieder dieselben Sätze:

Wir müssen geduldig sein. – Das Team ist wichtig, nicht ich als Einzelspieler. – Wir schauen von Spiel zu Spiel.

Bei solchen Phrasen kommt regelmässig der Vorwurf auf, die Spieler bekämen halt Medientraining und würden Phrasen und Floskeln gezielt einsetzen, um den kritischen Fragen der Sportreporterinnen und -reporter auszuweichen.

Medientrainings in den Clubs

Tatsächlich schulen viele Fussballclubs ihre Profis im Hinblick auf Interviews, so auch der FC Luzern. Dessen Medienchef Markus Krienbühl findet es komisch, dass ihnen das zum Vorwurf gemacht wird: «Es ist doch normal, dass Personen, die oft mit Medien reden, ein entsprechendes Training erhalten. Das ist bei jedem CEO dasselbe.»

Oberkörperfoto von Markus Krienbühl mit Brille, vor Werbewand
Legende: Markus Krienbühl betreut die Profis des FC Luzern in Medienfragen Keystone/Urs Flüeler

Ausserdem sind die Profis eine Visitenkarte für ihren Club. Diese sind daher bemüht, ihre Spielerinnen und Spieler (und damit auch sich selbst) vor Skandalen zu schützen – auf Social Media und eben auch in den klassischen Medien. Aber das bedeute nicht, dass den Profis vorgegeben wird, was sie im Interview sagen sollen, so Krienbühl.

Jungprofis über Medien aufklären

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Vor allem die jungen, noch unerfahrenen Spielerinnen und Spieler werden von den Clubs darauf sensibilisiert, welches Interview-Verhalten welche Auswirkungen haben könne – und welche Absichten die Sportreporter möglicherweise verfolgen könnten, erklärt Markus Krienbühl vom FC Luzern: «Die Spieler sollen begreifen, warum die Journalisten welche Fragen stellen.»

Diese allgemeine Medienaufklärung erhalten die Jungprofis oft vor Saisonbeginn, gruppenweise im Trainingslager, etwa beim FC Basel. Dabei werden laut dem Basler Medienchef Remo Meister auch rechtliche Aspekte angesprochen und Neuzugängen die Gepflogenheiten der Schweizer Medienlandschaft nähergebracht.

Gute Beziehung zu den Medien

Ein gutes Verhältnis zu den Medien ist den Clubs wichtig, da sie auch auf deren (positive) Berichterstattung angewiesen sind, etwa um potenzielle Sponsoren oder Zuschauerinnen auf sich aufmerksam zu machen.

Die Spieler sind darum angehalten, dem Sportreporter gut zuzuhören und die Fragen nach Möglichkeit zu beantworten. Zudem sollen die Spieler jederzeit den Anstand gegenüber dem Gegner wahren und sich in erster Linie zu sportlichen Themen äussern. «Aber», sagt der Luzerner Medienchef Krienbühl, «Maulkörbe gibt es bei uns nicht.»

Spieler sind selber vorsichtig

Bei manchen Clubs werden gar konkrete Interviewsituationen geübt. Dabei wird nicht nur auf die Sprache geachtet, sondern auch darauf, dass die Spieler Augenkontakt halten oder gerade dastehen. «Der Auftritt der Spieler ist nicht nur wichtig für das Club-Image, sondern auch für deren eigene Zukunft», betont YB-Medienchef Albert Staudenmann.

Kurze Rücksprache vor Interviews

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Die Kommunikationsabteilungen der Clubs betreuen ihre Profis auch ganz individuell auf dem Platz. Bevor ein Spieler zum Pausen- oder Spielschluss-Interview geht, konsultiert er oft noch kurz den Medienchef.

Dieser sagt ihm in aller Kürze, welche Spielszenen im Interview thematisiert werden könnten oder auf welche Fragen er sich gefasst machen muss.

Das Medienteam des FC Basel gibt einem Spieler auch mal einen Ratschlag mit, sagt Remo Meister: «Das kann zum Beispiel sein: 'Greif den Schiri nicht an wegen dem Penalty – er hat korrekt entschieden!'»

Dass ihr öffentliches Verhalten Konsequenzen haben kann, wissen die Profis auch selbst. «Sie haben schon x-fach gesehen, wie ein Spieler wegen einer deutlichen oder einer unüberlegten Aussage in den Medien durch den Kakao gezogen wurde», sagt Markus Krienbühl vom FC Luzern. «Das wollen sie natürlich möglichst verhindern.» Und Remo Meister, Medienchef des FC Basel meint: «Prognosen sind gefährlich. Sollten sie nicht eintreffen, können sie dir um die Ohren gehauen werden.»

Der Oberkörper von Fabian Frei vor einer Werbewand. Vor Freis Brust ein Mikrofon der vier SRG-Sender.
Legende: FC Basel-Captain Fabian Frei wird regelmässig interviewt Screenshot SRF

Floskeln bieten Sicherheit

Und was tut man, wenn man im Interview auf heikle Spielszenen oder kontroverse Themen angesprochen wird, sich aber nicht in die Nesseln setzen möchte? Man flüchtet sich in Allgemeinplätze:

Das müssen wir jetzt zuerst einmal analysieren. – Ich spiele auf der Position, die der Trainer für mich vorsieht. – Die Saison dauert noch lange!

Es sei überhaupt nicht so, dass die Clubs mit den Spielern solche Allgemeinplätze und Floskeln einüben würden, sagt Remo Meister, Medienchef beim FC Basel: «Wir haben selber ein Interesse an einer authentischen, klaren Sprache.» Und in vielen Fällen sei das auch so: «Das Bild der geschliffenen, floskelhaften, ausweichenden Antworten trifft auf unsere Fussballprofis kaum zu.»

Was das FCB-Medienteam den Spielern aber durchaus mitgebe, sei, dass sie auch Grenzen setzen dürften. Zum Beispiel, wenn der Sportreporter nach dem Privatleben oder nach der Clubpolitik frage: «Da dürfen sie natürlich hinstehen und sagen: 'Darüber möchte ich nicht reden.' oder 'Das ist nicht mein Thema.'»

Die Interview-Hacks von Jeff Baltermia

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Legende: Jeff Baltermia fühlt den Nati-Spielern auf den Zahn. SRF/Gian Vaitl

Seit 2018 interviewt Jeff Baltermia für SRF Sport die Spieler der Schweizer Fussball-Nati jeweils direkt nach dem Spiel. Wie geht er an die Interviews heran? Und wie knackt er einen Spieler, der ausweicht?

SRF: Jeff, wie bereitest du dich auf deine Interviews vor?

Baltermia: Ich setze mich laufend mit den Spielern und den Mannschaften auseinander – lese alles, was mir in die Finger kommt. Dann weiss ich, was ein Spieler meint, wenn er etwas nur andeutet, und kann auch spontan reagieren.

Das heisst, du gehst nicht mit einem Fragenkatalog ins Interview?

Nein, so wäre ich nicht flexibel genug und würde dem Spieler nicht mehr zuhören. Natürlich gibt es immer Themen, die ich ansprechen muss. Aber die besten Fragen ergeben sich, wenn man auf das Gegenüber eingeht.

Aber irgendeinen Einstieg musst du ja haben?

Ja, den überlege ich mir kurz vor dem Interview. Das kann eine Spielszene sein oder auch eine Stimmung – etwas, das ich beobachtet habe. Aber ich bleibe flexibel, um spontan auf etwas reagieren zu können.

Was machst du, wenn ein Spieler deinen Fragen ausweicht?

Dann mache ich es transparent. Zum Beispiel: «Ok, ich habe verstanden, dass das Team an erster Stelle kommt. Aber Ihr Tor hat Sie schon auch für Sie selbst gefreut, oder?» Dann reagieren die Spieler meist mit einem Schmunzeln und meinen: «Ja, stimmt, du hast recht.»

Das A und O in solchen Interviews ist, dem Spieler auch bei kritischen Themen Respekt und Wertschätzung entgegenzubringen, auf ihn und seine aktuelle Lage einzugehen.

Was ist aus deiner Sicht ein richtig gutes Interview?

Solche Gespräche können Unterschiedliches bieten: Analyse, Emotionen und Unterhaltung. Wenn ich zwei davon erreiche, bin ich schon sehr zufrieden. Am schönsten ist es, wenn aus dem Moment heraus «etwas entsteht».

Ein Beispiel?

Grosse Freude hatte ich am spontan entstandenen Doppelinterview mit Ricardo Rodríguez und Granit Xhaka 2022 nach dem Sieg gegen Tschechien, mit der Ansage der beiden, dass sie bis 2026 für die Nati spielen wollen.

Radio SRF 1, «Dini Mundart», 14.6.2024, 09:40 Uhr

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