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Wort des Jahres – Was ist das?
Aus Dini Mundart vom 25.11.2021.
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Wort des Jahres 2021 Covid, Gendersprache oder Klima?

Welches Wort repräsentiert für Sie das vergangene Jahr am besten?

«Das Wort des Jahres soll abbilden, was 2021 bei uns Diskussionen ausgelöst und die Menschen bewegt hat.» Das sagt die Linguistin Marlies Whitehouse. Mit SRF orakelt sie über mögliche und unmögliche Wortkandidaten.

Marlies Whitehouse

Leiterin Projekt «Wort des Jahres» an der ZHAW

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Marlies Whitehouse hat Germanistik, Anglistik und Japanologie studiert und in der Finanzindustrie gearbeitet. Sie erforscht an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) die Produktion und Rezeption von Finanztexten und arbeitet als Schreibcoach. Selber schreibt sie auch Kurzgeschichten, die mit verschiedenen Preisen ausgezeichnet worden sind. Sie koordiniert das Projekt «Wort des Jahres» in allen vier Landessprachen und leitet die Deutschschweizer Jury.

Zur ZHAW – Wort des Jahres Schweiz

SRF: Wir haben auch 2021 die üblichen Verdächtigen «Covid» und «Klima». Was ist für Sie vorstellbar in diesem «Wörter-Jahrgang»?

Marlies Whitehouse: Wirklich spannend ist für mich, dass jedes Jahr neue Wörter entstehen. Das zeigt, dass die Sprache lebt. Dieses Jahr zum Beispiel hat mich das Wort «verimpfen» fasziniert, in der Kombination «Serum verimpfen» zum Beispiel. Man kennt «impfen» und man kennt die Vorsilbe «ver-», wobei «impfen» positiv konnotiert sein kann, «ver-» aber oft bei negativen Wörtern vorkommt wie vergessen, verlieren usw. Bei «verimpfen» vermischt sich das und in dieser Kombination habe ich das 2021 neu gelesen.

Das Projekt «Wort des Jahres» in der Schweiz

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Das Wort des Jahres gibt es in der Deutschschweiz seit 2003. Bis 2016 wurde es vom «Büro Wort des Jahres» bestimmt. Seit 2017 ermittelt es die Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften.

Welche Wörter kommen in Frage?

Sprachforscherinnen und Sprachforscher des Departements Angewandte Linguistik erstellen eine Liste mit rund 80 Wortkandidaten. Grundlage für diese Liste sind erstens die Analyse des Textkorpus «Swiss-AL», das ist eine Sammlung von digitalen Texten mit mittlerweile über 1.2 Milliarden Wörtern; zweitens Einsendungen aus der Bevölkerung und drittens Vorschläge der Jury-Mitglieder. Die Jury besteht aus Journalistinnen, Künstlern und Sprachschaffenden sowie aus Linguisten der ZHAW.

Publikation am 7. Dezember

Die Jury wählt aus der ihr vorgelegten «Longlist» die drei Siegerwörter, die am 7. Dezember bekanntgegeben werden. Dasselbe Prozedere wird parallel in allen Landessprachen mit je eigener Jury durchgeführt. Alle Wörter des Jahres in der Deutschschweiz, in der Romandie, im Tessin und im rätoromanischen Sprachgebiet finden Sie hier.

Dieses Jahr gab es auch heftige Diskussion um die sogenannte Gendersprache und um Geschlechtsidentitäten, also Wörter wie «Genderstern», «nonbinär» oder «fluid». War dieser Diskurs stark genug, um Chancen fürs Wort des Jahres zu haben?

Auf jeden Fall. Viele Organisationen müssen sich ja überlegen, wie sie das lösen wollen mit der Kommunikation gegenüber den Kunden und Kundinnen, aber auch den Mitarbeitenden. Das braucht Zeit, bis sich alle daran gewöhnt haben. Und es stellt sich auch die Frage, wie detailliert man sich sprachlich überhaupt festlegen will. Dieses Thema wird uns noch lange beschäftigen.

Wie muss man sich denn die Jurydiskussionen vorstellen? Worüber wird da gestritten?

Diskutiert wird darüber, wie relevant ein Thema war und ob man es überhaupt aufnehmen will in die engere Auswahl. Bei Corona erübrigt sich diese Frage natürlich. Aber welches ist ein geeigneter Überbegriff? Wenn in der Diskussion fünf Begriffe zu Covid übrigbleiben, dann stellt sich die Frage: Wo steckt ein Wortspiel drin oder in welchem Wort zeigen sich unterschiedliche Facetten?

Wir hören in die Wörter hinein und fragen uns: Was sagen sie alles?
Autor: Marlies Whitehouse Leiterin Jury «Wort des Jahres»

Letztes Jahr zum Beispiel kam «Maskensünder» auf Rang 2. Diskutiert wurde in der Jury auch «Nasenblüttler» als typisch schweizerisches Wort. Aber im «Maskensünder» steckt auch die Sünde drin, die Plage, die man mit diesem Virus hat. Wir hören in die Wörter hinein und fragen uns: Was sagen sie alles? Am Ende ist der Entscheid immer einstimmig.

Warum muss es eigentlich ein Wort sein, das eh schon überall zu lesen war? Man könnte doch wie bei den Tieren oder Pflanzen des Jahres ein Wort nehmen, auf das man besonders hinweisen will, weil es gefährdet oder wichtig ist. Ein Hörer schlug uns «zäme» vor, wie es in Wörtern wie «zämestaa» oder «zämehebe» vorkommt. Hätte dieses Wort eine Chance?

Ich sehe die Idee und kann sie mittragen. Und ich glaube, die Schweizerinnen und Schweizer versuchen schon, «zäme» etwas zu machen. Aber die Realität, über die geredet wird, der Diskurs, ist eben gerade nicht «zusammen».

Wir sind deskriptiv, nicht präskriptiv. Wir zeigen mit dem Wort des Jahres nicht, was sein sollte, sondern, was war.
Autor: Marlies Whitehouse Leiterin Jury «Wort des Jahres»

Und vor allem: Wir bilden mit dem Wort des Jahres nicht eine Vision ab, sondern beschreiben, was gewesen ist. In der Wissenschaft geht es nicht darum, politisch Stellung zu beziehen, sondern zu analysieren, was ist.

Deutschschweizer «Wort des Jahres» 2017 bis 2020

1. Platz 2. Platz 3. Platz
2020 systemrelevant Maskensünder stosslüften
2019 Klimajugend OK Boomer Flugscham
2018 Doppeladler Rahmenabkommen 079
2017 #metoo weglachen Influencer

Radio SRF 1, «Dini Mundart», 26. November 2021, 9:40 Uhr ; 

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