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Vom Blitz getroffen und überlebt
Aus Morgengast vom 14.08.2024. Bild: IMAGO/Harald Dostal (Symbolbild)
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Nahtoderfahrung Gianluca Biggi hat einen Blitzschlag überlebt

In der Schweiz blitzt es pro Jahr im Schnitt 150'000 Mal, besonders oft im Sommer. Die Chance, vom Blitz getroffen zu werden, liegt bei 1:1'000'000. Minimal also. Trotzdem werden immer wieder Menschen vom Blitz erwischt und erleiden – wenn sie es überleben – schwere Verletzungen.

Der 53-jährige Gianluca Biggi ist vor fünf Jahren von einem Blitz getroffen worden. Trotz schwerer Verletzungen kämpfte er sich zurück ins Leben. Heute arbeitet er wieder als Finanzanalyst.

Gianluca Biggi

Finanzanalyst

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Vor fünf Jahren traf Gianluca Biggi ein Blitz. Der heute 53-Jährige stand auf dem Golfplatz, als das Gewitter scheinbar schon vorbeigezogen ist – der Himmel war blau. Als erneut ein Gewitter aufzog, stellte er sich in einen Unterstand. Da schlug ein Blitz erst in einen Baum, dann in Biggis Kopf ein.

Inzwischen hat sich der Gstaader soweit erholt, dass er wieder als Finanzanalyst arbeiten kann. Aber ein Blitzeinschlag hinterlässt Spuren.

SRF: Welche Gefühle lösen Gewitter bei Ihnen aus?

Gianluca Biggi: Solange ich im Sicheren bin, lösen sie eigentlich nicht gross Gefühle aus. Als Kind bin ich jeweils bei Donner zusammengezuckt, heute zucke ich jedes Mal bei einem Blitz zusammen.

Der Blitz kam mit einer dermassen Wucht und ich hatte sofort einen Herzstillstand.

Sie standen auf einem Golfplatz, als ein Blitz in einen Baum einschlug und dann in Ihr Kopf. Welche Erinnerungen haben Sie an diesen Moment?

Ich habe gar keine Erinnerungen an diesen Moment. Der Blitz kam mit einer dermassen Wucht und ich hatte sofort einen Herzstillstand. Die nächste Erinnerung ist der Moment, als ich vom Koma aufwachte. Ich habe natürlich die Schilderungen meines Freundes, der neben mir stand. Was er mir erzählt hat, ist ziemlich eindrücklich.

Was hat er Ihnen beschrieben?

Er hat eine unheimliche Hitze beschrieben, als wenn einem aus einem Backofen 300 Grad entgegenkommen. Die Druckwelle hat ihn ein paar Meter weggespickt. Er ist Bodyguard, also ein stattlicher Mann mit über 100 Kilo. Das Bild von mir war wohl kein schönes, ein wenig wie im Trickfilm: rauchender Kopf und verbrannte Haare. Mein Freund hat relativ schnell reagiert und mich über eine extrem lange Zeit reanimiert, bis die Rega kam.

Ich glaube, das ist ein Moment, in dem man über sich hinauswächst.

Er hat Sie 40 Minuten lang reanimiert. Warum hielt er so lange durch?

Er hat mir gesagt, er habe geschrien: «Du darfst mir das nicht antun!» Ich glaube, das ist ein Moment, in dem man über sich hinauswächst. Ich habe ihm sicher mein Leben zu verdanken.

Konnten Sie überhaupt glauben, was vorgefallen ist, nachdem Sie aufgewacht sind?

Als ich erwacht bin, stand mein Freund da und fragte mich, ob ich wisse, was passiert sei. Lustigerweise musste mir niemand sagen, dass ich vom Blitz getroffen wurde. Ich weiss nicht, warum ich das weiss … Aber als ich das Gewitter gesehen habe, bin ich ja in den Unterstand – vielleicht war es mir deshalb klar.

Mit dem Gedächtnis hatte ich stark zu kämpfen.

Danach kam die grosse Aufarbeitung. Der Arzt sagte Ihnen, dass sich vier von fünf Betroffenen statistisch gesehen nicht mehr richtig erholen. Sie haben sich erholt und sind sogar zurück im Beruf. Wie?

Das hat sicher mit Glück zu tun. Ich hatte keine inneren Verbrennungen. Der Blitz hat natürlich einiges verbrannt, unter anderem die Nerven und die Synapsen im Hirn. Ich hatte eine Hirnblutung und durch die Reanimation waren das Brustbein und mehrere Rippen gebrochen und ich fing eine Lungenentzündung ein.

Aber was von den Schmerzen abgesehen das Schlimmste war: die Hirnleistung. Mit dem Gedächtnis hatte ich stark zu kämpfen. Ich wurde vergesslich. Das ist etwas, das ich mir nicht gewohnt bin. Privat habe ich nie eine Agenda geführt. Ich habe mich Leuten zum Mittagessen verabredet und bin nicht erschienen, weil ich es schlichtweg vergessen habe.

Das Gespräch führte Stefan Siegenthaler.

Radio SRF 1, Morgengast, 14.8.2024, 7:10 Uhr ; 

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