Die Schweiz wird nicht ohne Grund als Seilbahn-Nation bezeichnet. 2427 Seilbahnen sind aktuell in Betrieb. Logisch, könnte man beim Anblick der Schweizer Topografie denken. Doch beliebte und gut frequentierte Seilbahnen findet man nicht nur im Berggebiet, sondern auch in den Städten und unter dem Boden.
2024: Das erste «Rope-Taxi» der Alpen
Flims: Stellen Sie sich vor, Sie besteigen eine Gondel und können auswählen, auf welchen Berg diese fahren soll. In Flims soll dies schon bald möglich sein. Der «Flem Xpress», der ab der Saison 2024/25 in Betrieb sein soll, wird mehre Bergstationen ansteuern. Und: Die Gondeln werden nur dort anhalten, wo dies gewünscht wird.
Das System sei vergleichbar mit einem Lift in einem Hochhaus, erklärt Roland Bartholet, der mit seinem Seilbahnunternehmen das Projekt umsetzt, ausser dass es bei der Bündner Seilbahn auch noch Weichen gibt. Denn je nach angewählter Zieldestination wird sich die Seilbahn bei der Mittelstation Segnes auf ein anderes Seil einkuppeln und dann entweder nach Cassons oder Nagens fahren.
Wir sparen 50 Prozent der Energie- und 70 Prozent der Unterhaltskosten.
Dies ist die eine futuristisch anmutende Neuerung. Die Zweite: Die Gondeln werden nur fahren, wenn auch mindestens eine Person darin sitzt. Warum? «In 90 Prozent der Kabinen herkömmlicher Systeme sitzt kein Mensch», erklärt Bartholet. Diese Neuerung habe spürbare Auswirkungen auf die Energiebilanz. Dank des neuen Systems ohne fixe Gondeln am Seil könne man 50 Prozent Energie- und 70 Prozent Unterhaltskosten einsparen.
Meilensteine der Seilbahngeschichte
Die Seilbahn in Flims ist eines der aktuellsten Kapitel in der langen und vom Pioniergeist geprägten Geschichte des Seilbahnlandes Schweiz. Diese begann vor über 150 Jahren, aber nicht etwa in den Bergen, sondern ganz im Norden, im Flachland, bei Schaffhausen.
1866: Die erste Personenseilbahn
Neuhausen am Rheinfall: Ohne es zu wissen, schrieben zwei Angestellte der Wasserwerke Schaffhausen Verkehrsgeschichte: Sie bestiegen die erste eindeutig nachweisbare Seilschwebebahn, um zur Arbeit über den Rhein zu kommen. Die Turbinenstation befand sich mitten im Fluss und war nicht anders zu erreichen. In Europa war es die erste Seilbahn dieser Art, vielleicht sogar die erste der Welt.
1877: Die erste Standseilbahn der Schweiz
Lausanne: Die Schweiz erhielt ihr erstes innerstädtisches Transportsystem in Form einer Drahtseilbahn. Die Anlage verbindet das Zentrum von Lausanne mit dem Stadtteil Ouchy am Ufer des Genfersees. 1958 wurde sie in eine Zahnradbahn umgebaut und ist heute Bestandteil der Lausanner Metro.
1879: Die erste rein touristische Seilbahn
Giessbach: Das Hotel Giessbach thront wie ein Märchenschloss aus der Belle Epoque über dem Brienzersee. Um die Hotelgäste zum Hotel zu chauffieren, erfand Bergbahnpionier Roman Abt die erste rein touristische Seilbahnanlage der Schweiz. Sie ist heute noch in Betrieb. Einzigartig war damals vor allem, dass bei der Bahn eine eingleisige Strecke mit einer automatischen Kreuzungsstelle zur Anwendung kam. Sie war damals die erste Bahn, die mit Wasserballast angetrieben wurde. Seit 1948 läuft sie elektrisch.
1908: Die erste öffentliche Luftseilbahn,
Wetterhorn Grindelwald: Ab in die Luft: Mit der Wetterhornbahn setzte die Schweiz den Grundstein für die Entwicklung der Luftseilbahn – weltweit. Ihr Vater war zwar kein Schweizer, sondern der Kölner Wilhem Feldmann. Bereits 1914 wurde die Bahn kriegsbedingt wieder eingestellt. Die Fahrten wurden nie mehr aufgenommen. 1934 wurde der Lift demontiert. Immerhin: Im Verkehrshaus Luzern steht heute eine der beiden Kabinen.
1926: Die steilste (Stand-)Seilbahn Europas
Gelmerbahn / Stoos / Schilthorn: Früher eine Werkbahn für den Bau einer Staumauer, erfreut sich die Gelmerbahn heute als Personenbahn grosser Beliebtheit. Mit 106 Prozent Steigung bietet sie Nervenkitzel pur und wurde auch schon als «the most scenic roller coaster» betitelt. 2017 wurde ihr Rekord jedoch abgelöst. Die Stoosbahn überwindet eine maximale Steigung von 110 Prozent.
Und die steilste Luftseilbahn? Die befindet sich zurzeit noch in Norwegen. Aber nicht mehr lange. Die neue Bahn in Richtung Schilthorn wird zwischen Stechelberg und Mürren eine Steigung von fast 160 Prozent überwinden.
1934: Der erste Bügellift der Welt
Davos: «Ufschlüsse, Kollege, ufschlüsse!», hiess es in den Dreissigerjahren auf dem Übungsgelände Bolgen in Davos. Der Skisport wurde massentauglich, die Leute wollten «z'Berg». Ski- und Sessellifte erlebten einen Boom. Der erste Skilift überhaupt stand 37 Jahre im Einsatz, bis er durch eine neue Anlage ersetzt wurde.
1995: Der erste Doppelstockbahn
Samnaun: Mit dem Zweiten Weltkrieg fand der Seilbahnbau ein jähes Ende. Wieder von der Wirtschaftskrise erholt, erlebten besonders die Sessel- und Gondelbahnen bis in die 1970er-Jahre Hochkonjunktur. 1995 kam die nächste Weltneuheit: In Samnaun wurde der erste «Twinliner» mit doppelstöckigen Kabinen in Betrieb genommen. Mit einer Kapazität von 180 Personen hält er den Schweizer Rekord.
2001: Eine neue innerstädtische Standseilbahn
Neuenburg: Während bis zur Jahrtausendwende rotierende Gondeln, Windschutzhauben und komfortable Achtersessel erfunden wurden, kam mit der «Fun'ambule» endlich wieder eine innerstädtische Standseilbahn dazu. Die Bahn wurde im Hinblick auf die Expo 2002 gebaut, hat eine Förderleistung von 3000 Personen pro Stunde und verkehrt unbedient und ferngesteuert.
2012: Die erste «CabriO-Bahn»
Stanserhorn: Wieder eine Weltpremiere: Zum ersten Mal gleitet eine oben offene, doppelstöckige Seilbahnkabine am Stanserhorn den Berg hinauf. Das Panorama-Deck auf der «CabriO-Bahn» hat Platz für mehr als 30 Personen.
2014: Die schnellste Seilbahn der Schweiz
Arosa/Lenzerheide: Ein futuristisches Projekt und zugleich die schnellste Pendelbahn der Schweiz ist die Urdenbahn. Mit einer Geschwindigkeit von 12 Metern pro Sekunde schwebt die stützenfreie Luftseilbahn durch die Höhen und verbindet so die beiden benachbarten Skigebiete Arosa und Lenzerheide.
(Dieser Artikel erschien 2017 in einer ersten Fassung. 2022 wurde er ergänzt.)