Sie sind 7.5 Zentimeter gross, haben ein freundliches Lächeln, und ihr Vater heisst Horst Brandstätter: Playmobilfiguren.
1974 erblicken die ersten Playmobilmännchen das Licht der Welt. Zwei Jahre später führt Playmobil erstmals weibliche Figuren ein. Es folgen Fahrzeuge, Häuser, Tiere und schliesslich ganze Spielwelten. Trotz grosser Konkurrenz besteht der Spielzeugklassiker seit nunmehr 50 Jahren. Über 3.8 Milliarden Playmobilfiguren wurden seit 1974 bereits angefertigt.
Wie hat Playmobil es geschafft, Kinderherzen zu erobern? Sacha Szabo, Soziologe am Institut für Theoriekultur Freiburg, nennt drei Gründe, weshalb Playmobil seit Jahrzehnten fasziniert.
1. Playmobilfiguren sind «Handschmeichler»
Die 7.5 Zentimeter kommen nicht von ungefähr. Für die Grösse der Figuren hat man eine durchschnittliche Kinderhand als Referenz genommen, sagt Sacha Szabo. Die Figuren haben etwas organisches und realitätsnahes, und das zieht Kinder an.
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Bild 1 von 3. Im Sekundentakt. 3.2 neue Playmobilfiguren erblicken jede Sekunde das Licht der Welt; dagegen wächst die Weltbevölkerung nur um 2.6 Menschen pro Sekunde. Bildquelle: Reuters / X01097.
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Bild 2 von 3. Der Playmobil-Vater. Horst Brandstätter brachte in den 1970er-Jahren Playmobil auf den Markt. 2015 verstarb er im Alter von 81 Jahren. Bildquelle: SRF.
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Bild 3 von 3. Spielwelten. Ob Ritterburg, Feuerwehrstation, Einfamilienhaus oder Kolosseum: Playmobil verkauft eine grosse Bandbreite an Playmobilwelten. Bildquelle: KEYSTONE.
Im Gegensatz zu anderen Plastikfiguren haben die von Playmobil kaum Kanten. Sie haben runde Formen, ein freundliches Lächeln und für Kinder eine angenehme Grösse: «Sie sind Handschmeichler.»
Dazu kommen die Beweglichkeit der Arme und Beine sowie die Möglichkeit, die Figuren aufzustellen. «Mit Playmobilfiguren können Kinder spezifischere und komplexere Handlungen vollziehen als mit einer statischen Figur.»
2. Kinder werden zu Regisseuren
Man könnte meinen, das Anziehende an Playmobil sei das Rollenspiel mit den Figuren. Sacha Szabo aber sagt: «Es ist nicht so, dass die Kinder in eine Rolle schlüpfen. Vielmehr werden sie zum Regisseur, zum Erzähler.» Durch diese Position entsteht für die Kinder ein Moment des Erhabenseins.
Das Geschichtenerzählen macht den Zauber und den Charme dieser Figuren aus.
«Der Alltag benötigt immer eine gewisse Form von Aufmerksamkeit oder Wachsamkeit. Bei Playmobil aber sind es geschlossene Welten, in denen ein Stück weit Ordnung herrscht.» Die Kinder können selbst entscheiden, welche Geschichten sie erzählen, was die Figuren tun oder wie sie sich entwickeln.
Die Figuren stehen klar im Zentrum, sagt Sacha Szabo. Bei Lego beispielsweise gehört der Pilot als Figur genauso dazu wie das Düsentriebwerk. Bei Playmobil ist das Herzstück die Figur, und mit dieser wird eine Geschichte erzählt: «Das Geschichtenerzählen macht den Zauber und den Charme dieser Figuren aus.»
Diese Welt, die man mit Playmobil bauen kann, ist eine lebendige, dynamische Welt.
Das können auch reale Erlebnisse sein, erklärt der Soziologe. Das Erzählen von Geschichten erlaubt es den Kindern, emotionale Erlebnisse in die Erzählung einzubetten. Insbesondere jene, die sie irritieren. «Sie können den erlebten Moment weitererzählen, ein gutes Ende einflechten oder das Geschehnis aufarbeiten.»
3. Welten neu interpretieren
Austauschbare Perücken oder Kleidungsstücke ermöglichen es, die Figuren individuell zu verändern. Tauscht man den Baustellenhelm durch eine Krone, hat man eine Königin oder einen König.
Warum Kinder das tun, weiss Sacha Szabo: «Das geschieht organisch, dass sie vorgegebene Dinge aus dem Gewohnten herausnehmen und in einer ganz eigenen Art nutzen oder decodieren.» Figuren und Welten neu zu interpretieren, ist mit Playmobil möglich: «Diese Welt, die man mit Playmobil bauen kann, ist eine lebendige, dynamische Welt.»