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Politisch korrekte Sprache «S git keni Indianer me»

Die indigene Bevölkerung lehnt «Indian» als Fremdbezeichnung ab. Ist auch das deutsche Wort «Indianer» diskriminierend?

«Won i no chli bi gsi und i no Tröim ha gha», singt Gölä im Lied «Indianer». Wie er wollte ich als Bub Indianer werden. Aber als ich mit 11 Jahren eine Brille bekam, wusste ich: Aus der Traum! Kein Indianer trägt Brille. Ausser an der Fasnacht natürlich, mit Fransenkostüm und Federschmuck, da ging auch das. Und ausser an den Sonntagnachmittagen, wenn im Fernseher Pierre Brice als Winnetou über die Prärie galoppierte und für das Gute kämpfte.

Schliesse mi de Indianer a. U kämpfä gägä bös wiss Maa.
Autor: Gölä im Lied «Indianer»

Meine Bilder und Bubenträume entsprachen dem gesamteuropäischen Stereotyp des Indianers als edlem Wilden: Äusserlich für den westlichen Geschmack folkloristisch aufpoliert, charakterlich der Gute. Durch Karl Mays Indianerromane war dieses Stereotyp im deutschen Sprachraum besonders ausgeprägt.

Ist das schlimm? In gewisser Weise schon, denn auch ein positives Stereotyp ist unfair. Es wird den Menschen dahinter und der Vielfalt ihrer Kultur niemals gerecht. Denn mit der Lebensrealität der indigenen Stämme in Nordamerika hat unser Indianerbild nur am Rande zu tun.

Indio, Indian, Indianer

Dabei war die Bezeichnung «Indianer» von Anfang an ein Missverständnis. Bekanntlich glaubte Kolumbus, in China angekommen zu sein, das nach damaligem Sprachgebrauch zu Indien zählte. Deshalb nannte er die entdeckten Inseln der Bahamas spanisch «las Indas» und ihre Bewohner «indios». Das ging auch in andere europäische Sprachen ein. Die deutsche Bezeichnung «Indianer» lehnt sich gemäss Duden ans spätlateinische «indianus» an, das «indisch» bedeutet. Allerdings könnte «Indianer» auch eine direkte Übernahme aus dem Englischen sein, versehen mit deutscher «er»-Endung.

«Indian» geht heute nicht mehr

Diese kurze Geschichte des Wortes erzählt nichts über seine kulturelle Prägung und seine Wirkung auf die Betroffenen. Denn sowohl «Indian» wie «Indianer» sind kolonialistische Fremdbezeichnungen - schon deshalb lehnen die indigenen Gesellschaften sie vielfach ab. Beim englischen Wort schwingt zusätzlich die historische Last der Vertreibung, des Völkermords und der rassistischen Abwertung der Indigenen durch die weissen Eroberer mit. In den USA benutzt man heute überwiegend «Native American».

«Indianer» ist weniger problematisch

Auch der deutsche Begriff «Indianer» stammt aus der Zeit des Kolonialismus und der Völkerschauen, als man «exotische» Menschen wie Tiere im Zoo zur Schau stellte. Dennoch gilt er als relativ diskriminierungsarm und nicht vergleichbar etwa mit dem rassistischen Wort «Neger». Wenn mit dem Gebrauch des Worts keine «Herabwürdigung, stereotypische Verwendung oder Diskriminierung» einhergehe, kommt ein deutscher Rechtsanwalt Karsten Gulden zur begründeten Erkenntnis, dürfe «der blosse Begriff «Indianer» an sich weiterhin verwendet werden»

Es gibt noch «Indianer»

Das mag jede und jeder für sich selber entscheiden. Mein Bubentraum jedenfalls wäre heute nicht mehr statthaft, weil er auf diskriminierenden Stereotypen beruht. Und wenn Gölä singt: «S git keni Indianer me», dann trauert er genau diesem romantischen Idealbild nach. Ich auch, natürlich, und das hat mehr mit mir als mit den realen Indianern zu tun. Denn diese gibt es sehr wohl. Sie leben einfach ganz anders, ausserhalb unserer Träume.

Radio SRF 1, Mundart-Rubrik, 28.5.2021, 9.40 Uhr

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