Mein Kaffee heisst «Silver Gorilla» und kommt aus Ruanda. Ich habe ihn bei einem Kaffeespezialisten im Quartier gekauft. Dieser röstet die Bohnen gleich selbst. Ich will wissen, wo der «Silver Gorilla» genau herkommt.
Die Illusion zerplatzt
Erwarten tue ich, dass mein Spezialist die Bohnen direkt vom Kaffeebauern bezieht. In meiner Vorstellung sehe ich meinen Kaffeehändler in einer nebelverhangenen, tropischen Hügellandschaft zwischen Kaffeestauden sitzen. Zusammen mit den Farmern degustiert er die frische Ernte und verhandelt einen fairen Preis.
Weit gefehlt. Er hat die Bohne nicht in Ruanda geholt, sondern in Zug. Bei einem Kaffeehändler. Davon gibt es in der Schweiz viele. Im Kaffeehandel ist die Schweiz Weltspitze (siehe Kasten unten).
Die rohen, grünen Bohnen meines «Silver Gorilla»-Kaffees hat die Firma Inter American Coffee in Zug importiert.
«Silver Gorilla» hat eine Mama
Beim Händler in Zug hoffe ich einen Kontakt zu erhalten. Am besten die Telefonnummer meines Kaffeebauers. Leider nichts. Dafür überrascht mich der Händler mit anderen Informationen.
Meine Bohnen hat nicht ein Bauer gepflückt, sondern eine Bäuerin. Und «Silver Gorilla» heisst eigentlich «Café des Mamans». Die Bohnen kommen von einer Bäuerinnen-Kooperative in Ruanda. Die Sammelstelle der Kooperative, die sogenannte Washing Station, hat den Kaffee so getauft.
Wie komme ich nun zu dieser Washing Station? Der Kaffeehändler in Zug gibt mir eine Nummer. Eine deutsche Nummer. Er hat den Kaffee von Händlerkollegen in Hamburg und nicht selbst importiert.
Von Zug über Hamburg nach Kigali
Aber auch der Händlerkollege in Hamburg hat keinen Kontakt, weder von den Kaffeebäuerinnen noch von der Washing Station.
Der Hamburger Händler hat die grünen, rohen Bohnen auch nicht direkt von den Bäuerinnen, sondern von einem Kaffeeexporteur. Den Kontakt zur Rwanda Trading Company will er mir aber nicht geben. Aus Datenschutzgründen.
Glücklicherweise hat der Exporteur in der ruandischen Hauptstadt Kigali eine Website mit einer Telefonnummer.
Endstation Washing Station?
Ich rufe an. Am anderen Ende erklärt mir eine freundliche Frauenstimme, dass die Rwanda Trading Company tatsächlich den «Café des Mamans» verarbeitet und exportiert.
Bei ihr kommen die Bohnen zunächst noch beige an. Die Rwanda Trading Company schält die Bohnen nochmals. Es bleibt die grüne, rohe Bohne, die dann in alle Welt verschickt wird.
Mehr als der Prozess interessiert mich der Kontakt zur Quelle. Und tatsächlich erhalte ich die Nummer der Washing Station, wo die Bohnen nach der Ernte gewaschen werden.
Leider laufen meine Anrufe ins Leere. «Le numéro n'est pas accessible» heisst es immer wieder.
«C'est pas possible»
Bis ein paar Tage später die Besitzerin der Washing Station abhebt. Agnes Mukamushinja kauft den Bäuerinnen – sie nennt sie «Mamans» – die roten Kaffee-Kirschen ab. In ihrer Washing Station werden diese gewaschen, geschält und getrocknet. So wird aus der roten Kirsche eine beige Bohne.
Ich höre interessiert zu und frage, ob ich denn mit einer der Mamans sprechen könne? Nein. «C'est pas possible.» Sie sei gerade nicht im Anbaugebiet und die Frauen haben keine Handys. Es muss doch irgendwie einen Weg geben, die Mamas meines Kaffees zu erreichen?
Bilder aus dem Anbaugebiet in Ruanda
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Bild 1 von 4. Sie haben Samuel Emchs Kaffee geerntet. Die Kaffeebäuerinnen werden in Ruanda auch «Mamans» genannt. Sie haben den «Café des Mamans» von «Input»-Redaktor Samuel Emch angepflanzt und geerntet. Bildquelle: Bild Agnes Mukamushinja.
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Bild 2 von 4. Der Kontakt von Redaktor Samuel Emch in Ruanda:. Bei Agnes Mukamushinja werden die Bohnen von über 1000 Kleinbäuerinnen, sogenannten «Mamans», gesammelt. Sie hat den Kaffee von Samuel Emch entsprechend «Café des Mamans» getauft. Bildquelle: Bild Agnes Mukamushinja.
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Bild 3 von 4. Getrocknete Kaffeebohnen. An der Sammelstelle im abgelegenen Anbaugebiet in Ruanda werden die Kaffee-Kirschen gewaschen, geschält und getrocknet. Übrig bleibt eine beige Kaffee-Bohne, hier in der Bildmitte. Bildquelle: Bild Agnes Mukamushinja.
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Bild 4 von 4. Kaffeestauden im Anbaugebiet in Ruanda. Die Sammelstelle von Agnes Mukamushinja befindet sich mitten in einem abgelegenen Gebiet. Bildquelle: Bild Agnes Mukamushinja.
Agnes verspricht mir zu schreiben, wenn sie wieder in der Region ist, so dass ich mit einer Mama des «Café de Mamans» sprechen kann. Ich bin hocherfreut.
Verkaufen. Kaufen. Verkaufen. Kaufen. Verkaufen.
Bis ich realisiere: Die Ernte-Saison in der Region ist zwischen März und Juni. Der Anruf könnte auf sich warten lassen.
Der Weg zurück zum Ursprung meiner Bohne ist länger und verworrener als gedacht. Ganze sieben Mal wurde meine Bohne verkauft und gekauft bevor sie bei mir landete.
Das ist typisch für den Kaffeehandel, sagen Experten. Ein Packung Kaffee im Laden hat rund zehnmal die Hand gewechselt. Die Wertschöpfungskette ist lang, kompliziert und häufig auch intransparent. Dass darunter vor allem die Bauern am Anfang leiden ist hinlänglich bekannt.
Ich werden meine Kaffeebäuerin nie finden, haben mir viele Kaffeespezialisten prognostiziert. Sie sollten Recht behalten. Bis jetzt. Vielleicht kommt der Anruf aus Ruanda ja noch einmal. C'est possible.