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Reisen und Corona «Langfristig ist die Pandemie eine Chance für die Reisebüros»

Die Corona-Krise hat den weltweiten Tourismus zeitweise lahmgelegt. Der Reiseverkehr ist auf einen Bruchteil der Zahlen vor Ausbruch der Pandemie geschrumpft. Das hat auch die Schweizer Reisebranche schmerzhaft zu spüren bekommen. Vertreter sprechen für das Jahr 2020 von einem Umsatzrückgang zwischen 80 und 90 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Walter Kunz, der Geschäftsführer des Schweizer Reise-Verbandes, blickt dennoch zuversichtlich in die Zukunft.

Walter Kunz

Schweizer Reise-Verband

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Walter Kunz ist seit 22 Jahren Geschäftsleiter des Schweizer Reise-Verbands. Der Verband vertritt einen Grossteil der Branche in der Schweiz und im Fürstentum Liechtenstein.

SRF: Wie steht es um die Schweizer Reisebranche im zweiten Jahr der Pandemie?

Walter Kunz: Die Stimmung ist noch sehr gedämpft. Gleichzeitig spüren viele, dass das Geschäft zurückkommt. Und es macht auch Mut, dass sich die Reisenden bisher nicht als Treiber der Pandemie erwiesen haben.

Mit welchen Herausforderungen kämpfen die Reisebüros derzeit am meisten?

Das grösste Problem ist der Mangel an Planbarkeit. Das zeigt sich am Beispiel der Malediven, die sehr gefragt waren – wobei wir hier immer noch von gerade mal 10-15 Prozent der Zahlen in der Zeit vor der Pandemie sprechen.

Dann landen die Inseln auf der Risikoliste des BAG und von einem Tag auf den anderen fallen jegliche Neubuchungen weg. Das ist unglaublich schwer zu planen und macht uns grosse Bauchschmerzen. Den Kunden müssen wir im Moment klar sagen, dass sie flexibel bleiben müssen.

Mit der virtuellen Ferienmesse «Land in Sicht» geht die Branche nun einen kreativen Weg. Wie viel Mut macht das?

Das macht viel Mut. In der aktuellen Situation ist es notwendig, neue Wege zu gehen. Die Reisebranche war punkto Digitalisierung schon immer weit voraus, früher etwa durch Arrangements und Kontakte im Ausland.

Gerade sehe ich eine grosse Chance im Erreichen von Menschen, die früher selbst online gebucht haben. Es ist aktuell oft unklar, welche Regeln wo gelten, ob eine Destination plötzlich als Risikogebiet definiert wird. Daher überlegen sich auch diese Menschen vermehrt, alles aus einer Hand zu buchen.

Eine virtuelle Ferienmesse

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Ein Strand in der Karibik
Legende: Colourbox
  • Von 22. bis 25. April findet die schweizweit erste virtuelle Ferienmesse «Land in Sicht» statt.
  • Entstanden ist die Idee für die Messe aus der Not: Sie ist eine Alternative zu den «echten» Messen, die auch für 2021 abgesagt wurden.
  • Besucherinnen und Besucher können sich mit einem Avatar auf einer Art Terrasse bewegen, umgeben von vier Messehallen. Sie können in Kontakt treten mit anderen Besucherinnen und Besuchern, sowie mit Anbietern an den Ständen.
  • 40 Reiseanbieter stellen virtuell ihren Stand auf. Täglich sind rund 150 Vorträge geplant.

Die Reisebranche könnte die Pandemie langfristig also gar als Chance nutzen, indem mehr Menschen zum Buchen beim Veranstalter zurückkehren?

Wir hatten schon vor der Krise Anzeichen, dass sich die Menschen wieder häufiger eine bestimmte Ansprechperson wünschen. Die Reisebranche kann aber gerade im Moment einen grossen Mehrwert gegenüber dem individuellen Buchen bieten.

So ist es beispielweise eine enorme Herausforderung, sich durch den Dschungel an Einreisebeschränkungen in einem bestimmten Land zu kämpfen. Kundinnen und Kunden lernen es zu schätzen, wenn sie dies dem Profi überlassen können – vielleicht auch über die Krise hinaus.

Mit Blick auf die unmittelbare Zukunft der Branche: Wie stark hofft man auf die Impfkampagne?

Wir sagen uns natürlich, dass es einen massiven Schritt vorwärts geht, sobald die Menschen geimpft sind. Es wäre aber eine Wunschvorstellung, dass wir schon im Jahr 2022 wieder da ankommen, wo wir vor der Pandemie waren.

Dennoch glauben wir, dass die Nachfrage nach Reisen mit der zunehmenden Erfahrung im Umgang mit der Pandemie und mit der zunehmenden Durchimpfung steigen wird. Wir hören von vielen Kundinnen und Kunden, dass sie gerne buchen würden, zuerst aber die Entwicklung der nächsten paar Monate abwarten wollen.

Das Gespräch führte Vera Büchi.

«Morgengast» am 22.4.2021 um 07:15 Uhr auf Radio SRF 1

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